So., 21.11.21 | 23:35 Uhr
Das Erste
Denis Scheck empfiehlt: Marcel Proust
Ich möchte Sie einladen, eines der aufregendsten Romanwerke der Weltliteratur für sich zu entdecken: Marcel Prousts "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit". Hier im Grand Hotel in Cabourg in der Normandie fand er ein Vorbild für einen wichtigen Schauplatz des Romans: den fiktiven Badeort Balbec. Unter anderem darüber erfahren wir aus Ulrike Sprengers "Das Proust-ABC", das zum 150. Geburtstag Marcel Prousts mit einem Vorwort von Alexander Kluge neu aufgelegt wurde und von diesem treffend als "Lustgenerator für die Wissensbegierde" bezeichnet wird.
Proust lesen heißt Lust empfinden. Warum lohnt es sich jenseits dieser reinen Leselust, sich in die sieben Bände von Prousts Recherche zu vertiefen? Marcel Prousts berühmter Satz, wonach jeder Leser immer nur ein Leser seiner selbst sei, stimmt insofern, als dass Proust uns mit seinem Roman ein Werkzeug hinterlassen hat, mit dessen Hilfe wir tatsächlich unser Ich erforschen, unser Seelenleben unters Mikroskop seines Romans legen können. Mit Nabelschau hat das nichts zu tun – eher mit dem aufregendsten aller Abenteuer, das wir in unserem Leben bestehen können: der Entdeckung der eigenen Persönlichkeit.
Proust trainiert unsere Erlebnisfähigkeit. Hilft uns, ein Wertesystem zu entwickeln, uns einen moralischen Kompass zuzulegen. Die gut viertausend Seiten von "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" sind eine Schule der Empfindsamkeit. Proust ist ein Kartograph auf dem Kontinent der Wahrnehmungen, ein Entdecker bislang unbeschriebener Eindrücke, ein nie genug zu rühmender Erstbesteiger von Gipfeln des Gefühls. Also vertrauen Sie mir, ich weiß, was ich tue, und lesen Sie Marcel Prousts "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" in der von Luzius Keller revidierten Übersetzung von Eva Rechel-Mertens bei Suhrkamp. Einen guten Zugang dazu bietet das "Proust-ABC" von Ulrike Sprenger mit dem Vorwort von Alexander Kluge, erschienen bei Reclam.
Stand: 21.11.2021 18:24 Uhr
Kommentare