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Denis Scheck kommentiert die Top Ten Belletristik

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Denis Scheck kommentiert die Top Ten Belletristik | Video verfügbar bis 03.12.2026 | Bild: DasErste.de

Platz 10) Dirk Rossmann und Ralf Hoppe: "Das dritte Herz des Oktopus"

Ein Dagobert Duck, der Romane schreibt, ist mir allemal lieber, als ein Dagobert Duck, der Geldspeicher baut. Der Drogeriemarkt-Milliardär Dirk Rossmann schreibt Thriller, mit denen er auf den Klimawandel aufmerksam machen möchte. Dieser ist schon der dritte und handelt von der "Klima-Allianz", einer neuen Weltregierung, gegründet 2022 von Wladimir Putin, Joe Biden und Xi Jinping. Spannender als die Thriller-Handlung – ein Minister wird entführt – fand ich allerdings, wie Rossmann und sein Co-Autor mit Putins politischem Verfall umgehen.

Platz 9) Ken Follett: "Die Waffen des Lichts"

Ein weiterer Fall von literarischem Aktivismus: der in der Wolle gefärbte Sozialdemokrat Ken Follett inszeniert den Kampf ausgebeuteter Arbeiter gegen die Industrialisierung in seinem Kathedralen-Städtchen Kingsbridge. Politische Fortbildung in Gestalt eines Unterhaltungsromans.

Platz 8) Klaus-Peter Wolf: "Der Weihnachtsmann-Killer"

Sind Regionalkrimis schon eine Pest, führt ihre Anbindung an saisonale Feiertage noch zu einer bedeutenden Steigerung des Grauens. Zwar habe ich mich selten so gut in die Psychologie eines Serienkillers einfühlen können wie in die des "Weihnachtsmann-Killers", den die "christlich-klebrige Energie" des Jahresendrummels ekelt, aber natürlich ist dieses Buch genau so abgeschmackt wie die Glühweinplörre, die Persipanpampe und der Lebkuchenpapp auf deutschen Weihnachtsmärkten.

Platz 7) Tonio Schachinger: "Echtzeitalter"

Ein Internatsroman, ausgezeichnet mit dem deutschen Buchpreis, der den Vergleich mit Robert Musil oder Hermann Hesse nicht scheuen muss. Ein Höhepunkt der Schlusssatz, als die Hauptfigur Till nach dem Abitur einen Mitschüler in Wien trifft, der meint: "Es war schon super, eigentlich." Worauf Till erwidert: "Spinnst du? (…) Es war die Hölle."

Platz 6) Daniel Kehlmann: "Lichtspiel"

Je länger ich über diesen Roman nachdenke, um so besser gefällt er mir wegen seiner emotionalen Wucht und ausgeklügelten Artistik. Am Beispiel der Regielegende G.W. Papst erzählt Daniel Kehlmann von Kunst und Macht und von der Unmöglichkeit, im Nationalsozialismus seine künstlerische Integrität zu bewahren. Für mich der beste deutschsprachige Roman des Jahres.

Platz 5) Bonnie Garmus: "Eine Frage der Chemie"

Dieser feministische Unterhaltungsroman über eine Chemikerin, die in den 60er Jahren zu einer Fernsehköchin wird, ist ein echtes Lesevergnügen. Denn er feiert euphorisch jene Freiheiten, an die wir uns, abgestumpft wie wir sind, leider schon allzusehr gewöhnt haben. Eine augenöffnende Lektüre!

Platz 4) Cornelia Funke: "Die Farbe der Rache"

Was wäre, wenn der Pinselstrich eines Illustrators ein Leben auslöschen könnte? Das ist die Ausgangsidee dieses vierten "Tintenwelt"-Romans von Cornelia Funke, der genau wie seine Vorgänger eine Liebeserklärung an die Literatur, ein Roman über die Magie von Bildern und Worten ist, ja mehr noch: ein Buch über die Zauberkraft des Erzählens.

Platz 3) Mona Kasten: "Fallen Princess"

In diesem Fantasyroman wird die Heldin Zoey als Heilerin in der Everfall-Akademie ausgebildet. Nach dem Tod einer Mitschülerin wird offenbar, dass sie eine Banshee ist und Todesmagie bewirken kann. Auch mir ist in diesem zum In-den-Hinterntreten-dämlichen Buch der Tod begegnet: der Tod jeglicher Phantasie, der Tod aller sprachlichen Schönheit, vor allem aber der Tod jeglicher Intellektualität. Kein Buch, eher ein Verblödungsprogramm.

Platz 2) Sebastian Fitzek: "Die Einladung"

Die Hauptfigur des neuen Thrillers von Sebastian Fitzek leidet an Prosopagnosie, das heißt, ein Gesicht sieht für sie aus wie das andere. Mir geht es mit Fitzeks Gewaltorgien ganz genauso: jede in der Badewanne ertrinkende Frau, jeder sich erst die Augen ausstechende, dann die Kehle durchschneidende Mann, jeder in Plastikplanen eingewickelte Killer sieht für mich aus wie der andere. So hinterließ auch diese Mindfuck-Version von das doppelte Lottchen keinen bleibenden Eindruck in mir.

Platz 1) Nele Neuhaus: "Monster"

Die Taunus-Krimis von Nele Neuhaus begeistern mich nicht sonderlich: dafür sind sie stilistisch zu bieder, in der Psychologie zu konventionell, in der Konstruktion ihrer Handlung zu einfallslos. Dies gesagt, muss ich aber zugeben, dass mich diese elfte Geschichte um den Mord an einer 16-Jährigen und Selbstjustiz innerhalb der hessischen Polizei trotz allem auf bodenständig-bräsige Art einigermaßen unterhalten hat.

Stand: 16.01.2024 12:04 Uhr

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