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Denis Scheck kommentiert die Top Ten Sachbuch

Denis Scheck kommentiert die Top Ten Sachbuch | Video verfügbar bis 30.10.2025 | Bild: DasErste.de

 Und wie immer: Denis Schecks pointierte Revue der "Spiegel"-Bestsellerliste, diesmal: Sachbuch

Platz 10) Harald Jähner: "Höhenrausch" 

Gewiss, dieses Buch ist eine Nummernrevue historischer, politischer, kultureller, soziologischer Fakten aus der Weimarer Republik. Aber Harald Jähner zeichnet seine Blaupause aus der Zwischenkriegszeit so erkenntnisreich, schlau und Wissensblitze schleudernd, dass ich ihm lesend gern gefolgt bin: ein Vergnügen von einem Buch! 

9) Kurt Krömer: "Du darfst nicht alles glauben, was man dir erzählt" 

Mit großem Respekt vor der Krankheit Depression, die Kurt Krömer berührend in diesem Buch schildert, möchte ich mein ästhetisches Missfallen an der Gestaltung dieses Texts anmelden: Das Leid ist zweifellos echt, aber das Buch ist dennoch lahm und vulgär anbiedernd. 

8) Maja Göpel und Marcus Jauer: "Wir können auch anders" 

Die Signale mehren sich: Die Systeme unseres bisherigen Wirtschaftens drohen zu kippen. Die Politökonomin Maja Göpel zeigt in ihrem neuen Buch auf, wie wir eine Wende einleiten können, wo wir dafür ansetzen müssen und wer die Macht hat, diesen systemischen Wandel einzuleiten. Food for thought. 

7) Biyon Kattilathu: "Spaziergang zu dir selbst" 

Ein intellektuelles Marshmallow von einem Buch: Regentropfen sind Freudentränen des Himmels, jede Entscheidung ist etwas, das uns weiterbringt, Verletzlichkeit ist die Grundlage der Liebe. Der selbsterklärte "Motivations-Entertainer" Biyon Kattilathu häuft Phrasen über Phrasen aus der Achtsamkeits-, Selbstliebe-, Akzeptanz-Schublade auf, was mich weder motiviert noch entertaint. 

6) Reinhold und Diane Messner: Sinnbilder 

Zusammen mit seiner Frau erzählt der Bergsteigerphilosoph Messner von Mangel als Quelle der Kreativität, Verzicht auf Hilfsmittel beim Bergsteigen, Verzicht auch auf Transzendenz: "Ich habe nie verstanden, warum so viele Menschen irgendwelchen Sekten verfallen, in Religionen ihren Lebenssinn suchen, nach eindeutigen Sinnvorgaben hungern." Ein inspirierendes Buch. 

5) Elke Heidenreich: "Ihr glücklichen Augen" 

Dass man auch im Seichten ertrinken kann, beweist Elke Heidenreich in dieser Ansammlung beobachtungschwacher Reiseanekdoten. 

4) Brianna Wiest: "101 Essays, die dein Leben verändern werden" 

Nichts weniger als eine ziemlich solide Betriebsanleitung für unsere Psyche liefern die 101 Kurzkapitel dieses klugen, mitunter sogar weisen Ratgebers, der überraschende Sätze enthält wie: "Eigentlich interessiert sich niemand dafür, was du mit deinem Leben anstellst, also hör auf, bei deinen Entscheidungen so zu tun, als ob dies der Fall wäre." 

3) Ulrike Hermann: "Das Ende des Kapitalismus" 

Ulrike Hermann entfaltet kluge Gedanken über den ökologisch unausweichlichen Abschied von unserem Wirtschaftssystem: "Vielen Menschen hängen immer noch dem Irrtum an, dass sie die Wahl hätten. Nach dem Motto: Wenn der Abschied vom Kapitalismus so mühsam ist, dann behalten wir ihn eben. Doch diese Wahl gibt es nicht. (…) In jedem Fall wird der Kapitalismus untergehen und eine neue Wirtschaftsordnung entstehen." Mich erinnert diese Apodiktik allerdings an Lenins berühmten Satz: "Entweder wird die Laus den Sozialismus oder der Sozialismus die Laus besiegen." Und man weiß, wie das ausging. 

2) Stefanie Stahl: "Wer wird sind" 

"Die größte Sinnlosigkeit erleben wir, wenn wir wichtige Beziehungen verlieren – wenn ein geliebter Mensch oder auch ein geliebtes Tier stirbt, wenn eine Liebesbeziehung oder eine Freundschaft zerbricht." Die durch ihr Buch "Das Kind in dir muss Heimat finden" bekannt gewordene Psychotherapeutin Stefanie Stahl zeigt in ihrem kompetenten neuen Ratgeber Bewältigungsstrategien für solche Sinnkrisen auf – und erklärt ausgesprochen anschaulich, wie wir ticken. 

Platz 1) Richard David Precht und Harald Welzer: "Die vierte Gewalt" 

Wie gelingt es medialen Deutungseliten ihre Meinung als Mehrheitsmeinung darzustellen, fragen Precht und Welzer am Beispiel des Ukrainekriegs. Ein wichtiges Buch, das zum Nachdenken und Sich-in-Frage-Stellen provoziert, ein Buch über die Echokammern der Empörung, zu denen unsere Medien sich selbst vielfach degradieren.

Stand: 30.10.2022 18:15 Uhr

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Norddeutscher Rundfunk
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