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Weniger politische Bildung?

Die alarmierenden Sparpläne der Bundesinnenministerin

PlayWort "Politik" aus umgefallenen Buchstaben
Weniger politische Bildung? – Die alarmierenden Sparpläne der Bundesinnenministerin | Video verfügbar bis 28.08.2024 | Bild: ARD

Wir begleiten eine Exkursion zum Tagebau Welzow Süd in der Lausitz. Eine Landschaft im Wandel, die den Menschen viel abverlangt. Der Ausflug wird gefördert von der Bundeszentrale für politische Bildung. Und was bitte ist daran „politische Bildung“?

„Wir sind keine Brainwashing-Anlage. Es geht tatsächlich darum, Bürgerinnen und Bürger bei der Entwicklung selbstbestimmter politischer Urteils und Handlungsfähigkeit zu unterstützen. Und dadurch wird die Lage nicht leichter. Politische Bildung sorgt eigentlich eher dafür, dass es viel mehr Streit gibt als vorher“, sagt Anja Besand, Politologin an der TU Dresden.

„Jeder kocht sein eigene Suppe“

Wohin entwickelt sich die Lausitz, werden die Kursteilnehmer*innen gefragt. Ihre Antworten:

„Diese ganze Geschichte hier mit der Entwicklung hier gerade und des Ortes, das wusste ich gar nicht. Obwohl ich auch schon jetzt seit 40 Jahre hier heimisch bin.“/ „Das ist das Problem. Sachsen und Brandenburg, die arbeiten nicht zusammen.“/ „Jeder kocht sich seine eigene Suppe, bei allem musst du das schaffen, dass sie zusammenarbeiten. Also nicht nur in der Verkehrserschließung. Autonomes Gebiet“

Selbsterfahrung statt Abstraktion. Information statt Annahmen. Den Wandel gestalten. Rolf Kuhn hatte großen Anteil an der positiven Entwicklung der Braunkohleregion. „Wir haben eigentlich das, was unser Ziel war, erreicht: den Leuten neue Hoffnung und neue Perspektiven zu geben. Und die Region, die zu den schlechtesten, zu den unangenehmsten in ganz Deutschland gehörte, jetzt zu einer attraktiven zu machen“, so Kuhn.

„Politische Bildung schafft die Grundlage für das demokratische Zusammenleben“

Politische Bildung ist vielfältig, stellt immer wieder neue Fragen und fordert zeitgemäße Antworten. „Die Bundeszentrale für politische Bildung ist ein Kind der Alliierten. Mit Büchern und Filmen, sollten die Deutschen nach der NS-Zeit zu Demokratie erzogen werden.“. So heißt es. Am bekanntesten dürfte die Bundeszentrale für ihren „Wahl-O-Mat“ sein – direkte Hilfe in der politischen Meinungsbildung, gegen Wahlmüdigkeit. Und zum Angebot gehört noch viel mehr: Studienreisen, Lehrbücher, Spiele, Seminare und Social Media. Alles, was Demokratie fassbar macht.

„Politische Bildung verändert keine Wahlen, aber sie schafft quasi die Grundlage der Voraussetzung dafür, dass wir demokratisch zusammenleben können“, sagt Besand. Dieser Konsens ist nicht mehr selbstverständlich, die Gesellschaft droht zu zerfallen. „Wie man das in so einer Situation, in der wir so herausgefordert sind, auf die Idee kommen können, das zu kürzen, verstehe ich nicht“, Besand weiter.

20 Prozent weniger für die Bundeszentrale

Doch genau das hat die Bundesinnenministerin im Zuge der Haushaltskonsolidierung vor: 20 Prozent weniger für die Bundeszentrale. Die Kürzungen werden mutmaßlich den Bereich treffen, wo Verschwörungserzählungen und Desinformation am ehesten bekämpft werden: in der bürgernahen Projektarbeit. Stellen werden wohl eher nicht abgebaut.

„Was auch wichtig ist im Kontext von diesen Kürzungen in den Blick zu nehmen, ist dass sie so unerwartet gekommen sind und dass sie auch von der Ministerin ausgesprochen worden sind, der ich ja wirklich geglaubt habe, dass sie diesen Bildungsbereich auch wichtig findet und dass sie zum Beispiel Rechtsextremismus als ein schwerwiegendes Problem unserer Gesellschaft sieht“, sagt Besand.

Ziel muss es sein, alle Menschen in unserer disparaten Gesellschaft abzuholen und für den Rechtsstaat zu gewinnen. Doch wie erfolgreich sind eigentlich diese ganzen Projekte? Wirksamkeitstudien in diesem so wichtigen Bildungsbereich – schwierig. „Wie will man das denn messen? Da wirklich evidenzbasiert zu sagen, das wirkt, das wirkt nicht. Das ist ganz schwierig, und das wird es auch in Zukunft nicht geben. Ich glaube, wir müssen uns erstmal damit zufriedengeben, dass sich die Akteure der extremen Rechten darüber freuen, dass politische Bildung gekürzt wird und darum auch immer geworben haben. Also sie wollten, dass das passiert. Das muss uns als Beleg dafür schon reichen“, sagt Besand.

Projekte bringen neue Eindrücke und Erkenntnisse

Auch Projekte wie der Studientag in der Lausitz lassen sich schwer evaluieren. Doch sie bringen neue Eindrücke, Erkenntnisse – ganz sicher das Gefühl, dass es vorwärts geht. Auf unsere Anfrage ans Bundesinnenministerium heißt es: Die Bundeszentrale werde ihre „Kernaufgaben“ in „gleicher Stärke“ fortführen. Dies werde durch „interne Umschichtungen und Priorisierungen ermöglicht“. Priorisierung – ein schönes Synonym für Kürzung!

Stand: 05.09.2023 13:31 Uhr

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