Pressemeldung vom 07.06.2022

Katholische Kirche soll durch Austritte finanziell bestraft werden

Zwischenergebnis der SWR-Datenanalyse zu Kirchenaustritten in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz

Neun von zehn Teilnehmern geben an, dass sie durch ihren Kirchenaustritt die Institution nicht mehr finanziell unterstützen oder sogar bestrafen wollen. Das ist ein Zwischenergebnis der noch laufenden datenjournalistischen Umfrage des SWR unter Personen, die aus der katholischen Kirche in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ausgetreten sind.

Der Austritt erfolgt aber in über 82,6 Prozent der Fälle nicht aus finanzieller Not. Für rund 90 Prozent der Antwortenden waren die Missbrauchs-Fälle und der Umgang damit der Auslöser für ihren Kirchenaustritt. Für 55,2 Prozent der Befragten ist wichtig, dass sie ohne Kirche religiös sein können.

Gegenüber REPORT MAINZ sagte der Religions- und Kirchensoziologe von der Universität Leipzig, Prof. Gert Pickel, der für die SWR-Datenjournalisten bei der Erhebung zu Kirchenaustritten beratend mitgewirkt hat: "Ein Ergebnis ist, dass wir feststellen, dass jetzt auch Personen dazukommen, die gläubig sind. Das ist etwas, was wirklich neu ist und was man wohl sehr stark mit dem Missbrauch, auch wahrscheinlich mit der Frustration darüber, dass eben diese Anpassung an die Gegenwart, an die Moderne, was Gläubige immer wieder fordern, einfach schlicht und ergreifend nicht hergestellt wird, trotz aller Prozesse."

Der Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, zeigte sich anhand der bislang vorliegenden Ergebnisse der SWR-Erhebung besorgt: "Das beunruhigt die Bischöfe, weil die Institution Kirche und der Glaube gehören schon rein theologisch zusammen. Daran müssen wir arbeiten. Und wir hoffen mit unseren Reformprojekten, dass wir Menschen auch wieder in die Kirche zurückholen können. Sie werden nicht viel voller werden, wir werden kleiner werden. Selbstverständlichkeiten einer Volkskirche sind längst nicht mehr gegeben. Darauf müssen wir uns einstellen. Aber wir dürfen nicht darin nachlassen, dafür zu werben, dass Kirche weiterhin ein attraktiver Ort ist."

Die Umfrage der SWR-Datenjournalisten "Warum treten Sie aus der Kirche aus?" läuft insgesamt drei Monate und ist nicht-repräsentativ. Die jetzt in REPORT MAINZ veröffentlichten Zahlen beziehen sich ausschließlich auf die katholische Kirche. Die Daten wurden direkt in Standesämtern in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz erhoben. Gerade ausgetretenen Katholiken wurde ein Fragebogen übergeben, in dem sie ihre Austrittsgründe anonym mitteilen konnten. Bislang haben bereits 190 ausgetretene Katholiken die Fragen vollständig beantwortet.

Stand: 7.6.2022, 11.00 Uhr