Kontrolle mangelhaft - Intransparente Parteispenden

Im aktuellen Bundestagswahlkampf zeichnet sich ein Rekord bei den Großspenden ab. Dabei kritisieren Experten eine Konstruktion, die die wahren Spender verschleiern kann: über parteinahe Vereine. Diese Gesetzeslücke müsse geschlossen werden.

Hinzu kommt: In Deutschland ist in erster Linie die Bundestagsverwaltung dafür zuständig, dem Verdacht von Einfluss-Spenden nachzugehen. Doch sie sei dafür personell nicht ausgestattet, sagen Experten. Und: Nur Spenden über 35.000 müssen sofort öffentlich gemacht werden. Niedrigere Beträge tauchen dagegen erst mehr als ein Jahr später in den Rechenschaftsberichten auf. Ist das deutsche Parteispendensystem also zu intransparent?

Text des Beitrags:

Die Parteizentrale der Grünen in Berlin: Das Spenden-Team steckt schon mitten im Wahlkampf. Schichtbetrieb am Telefon. 

Mitarbeiter Fundraising-Team B’90/Grüne: 
„Wir bitten aktuell gerade deutschlandweit alle Mitglieder am Telefon um Spenden.” 
„Und da wollte ich gerade auch dich fragen, ob du denn Interesse hättest.” 
„Super, vielen lieben Dank, 20 Euro ist auch schon super.” 

Jede Woche telefonieren sie gut 1.000 Mitglieder ab. Denn in den Wahlkampf will die Partei deutlich mehr als 10 Millionen Euro investieren, erzählt Godje Hansen, die Leiterin des Fundraising-Teams. 

Godje Hansen
Godje Hansen | Bild: SWR

Godje Hansen, Leiterin Fundraising B’90/Grüne: 
„Also bei diesen Summen, die uns da so ein Wahlkampf kostet, würden wir ohne Spenden gar nicht hinkommen. Vor allem der Ampel-Bruch war hier wirklich auch eine Veränderung. Seitdem das klar ist, dass ja jetzt die Wahlen anstehen, kommen deutlich mehr Spenden rein.” 

Denn jetzt wird das Geld benötigt - um Werbekampagnen zu planen, Flyer zu drucken, Veranstaltungen zu organisieren. Seit dem Bruch der Ampel-Koalition kommen fast täglich auch Großspenden von mehr als 35.000 Euro an die Parteien herein. Allein eine Million Euro ging an die Kleinpartei Volt. Spender: Der Rapper Alo Thadeus. 

Neue Konstruktion: Spendenumweg über parteinahe Vereine 

Das Bündnis Sahra Wagenknecht hat in diesem Jahr unter anderem eine Großspende von 1,2 Millionen Euro erhalten. Beim Blick auf die Liste fällt uns auf: Das Geld stammt von einem gleichnamigen Verein. Das gleiche Prinzip sehen wir bei der WerteUnion, die vom ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen geführt wird. Mehrere Spenden à 50.000 Euro, vom sogenannten WerteUnion Förderverein. 

Irgendwie merkwürdig, was hat es damit auf sich? Wir fragen Professor Andreas Polk von der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin. Er beschäftigt sich seit langem mit Lobbyismus und sieht parteinahe Vereine, die an die entsprechende Partei spenden, kritisch. 

Prof. Andreas Polk
Prof. Andreas Polk | Bild: SWR

Prof. Andreas Polk, Volkswirtschftler, HWR Berlin: 
„Das Problem ist, dass wir momentan durch dieses Konstrukt nicht nachvollziehen können, wer denn da gespendet hat. Aus gutem Grunde sieht das Parteiengesetz Transparenzvorgaben vor, das ist ein Gebot zur Transparenz. Und wenn man dieses Gebot unterwandert, dann setzt man sich eben dem Verdacht aus, dass man dem demokratischen System schaden möchte.” 

Wer einer Partei etwas spenden will, überweist das Geld normalerweise direkt dorthin. Liegt der Betrag bei mehr als 10.000 Euro, muss die Partei den Spender öffentlich machen. Geht das Geld erst an einen Verein und von dort an die Partei, bleibt der ursprüngliche Spender im Dunkeln. Denn in die Finanzlage von Vereinen kann niemand von außen hineinschauen. 

Unterschiedliche Transparenz bei den Parteien 

Das BSW hat inzwischen offengelegt, wer die 1,2 Millionen Euro über den Verein gespendet hat. Schatzmeister Ralph Suikat hat dazu einen Wirtschaftsprüfbericht vorgelegt – freiwillig. Der führt unter anderem sechs Großspender an. 

Ralph Suikat
Ralph Suikat | Bild: SWR

Ralph Suikat, BSW, Schatzmeister: 
„Ich kann die Bedenken verstehen, weil man eine gewisse Intransparenz natürlich dadurch generieren kann. Das war nicht unsere Absicht. Deswegen hatten wir das nicht nut von Anfang an erläutert, dass wir das offenlegen sondern eben auch tatsächlich gemacht.” 

Die WerteUnion hingegen legt in Bezug auf den Förderverein nichts offen. Wir fragen Alexander Mitsch, den stellvertretenden Parteichef: Woher stammen die Tranchen à 50.000 Euro, die der Förderverein der Partei gespendet hat? 

Alexander Mitsch
Alexander Mitsch | Bild: SWR

Alexander Mitsch, WerteUnion, Stellvertretender Bundesvorsitzender: 
„Also die Spendenfähigkeit des Vereins speist sich aus den Mitgliedsbeiträgen der Mitglieder des Vereins, die sich engagieren wollen für die Politikwende, aber nicht in der Partei. Und insofern gibt es an der Stelle keine großen Spender, keine nennenswerten Spender.” 

Keine Großspenden also. Nachprüfbar ist das für die Öffentlichkeit nicht. Diese Intransparenz mache Missbrauch möglich, sagt Sophie Schönberger, Jura-Professorin mit Spezialgebiet Parteienrecht. 

Prof. Sophie Schönberger, Rechtswissenschaftlerin, Universität Düsseldorf: 
„Ich würde tatsächlich sagen, diese Konstruktion über die Vereine, da haben wir eine Gesetzeslücke. Wir hatten vorher dieses Problem nicht, jetzt kommen diese Konstruktionen auf. Dafür ist das Gesetz meiner Meinung nach nicht ausreichend gerüstet, da müsste nachgesteuert werden.” 

Immer wieder Kritik an Spenden-Praxis der Parteien 

Denn mehr Transparenz bei Parteispenden könnte mitunter helfen, solche negativen Schlagzeilen vergangener Jahre zu vermeiden. 

Schlagzeilen vergangener Jahre: 
„Die Spendenaffäre der AfD hat sich ausgeweitet.”  
„Es geht eben auch um Spenden an die SPD in Höhe von 45.500 Euro, Spenden von der Warburg-Bank"  
„Hat der Kölner Kreisverband der CDU eine verbotene Parteispende erhalten?” 

Auch er war in den Schlagzeilen: Christoph Gröner. 2020 hat der Immobilienunternehmer insgesamt 820.000 Euro an die Berliner CDU gespendet – und in einem Radio-Interview von Bedingungen gesprochen. 

Christoph Gröner, Immobilienunternehmer, Deutschlandfunk 8.5.2021: 
„Ich habe der CDU drei Bedingungen gesetzt.” 

Und zwar unter anderem diese: 

Christoph Gröner, Immobilienunternehmer, Deutschlandfunk 8.5.2021: 
„Ich habe gesagt, wenn das Bundesverfassungsgericht den Mietendeckel nicht abschafft, dann möchte ich auch, dass die CDU den nicht abschafft, aber modifiziert.” 

Eine Einflussspende wäre illegal. Denn so könnten finanzkräftige Bürger und Unternehmen politische Entscheidungen erkaufen. Später dementieren sowohl Christoph Gröner als auch die Berliner CDU mehrfach, dass die Spenden an Bedingungen geknüpft gewesen seien. Das führt zu Problem Nummer zwei: die Kontrolle von Parteispenden. 

Kritik an Kontrolle durch die Bundestagsverwaltung 

Zuständig, Parteispenden zu prüfen, ist die Bundestagsverwaltung. Bei den Spenden des Immobilienunternehmers hat sie am Ende nichts zu beanstanden. Auf unsere Nachfrage weist sie aber auch auf ihre eingeschränkten Möglichkeiten hin. 

Stellungnahme Bundestag: 
„Die Bundestagsverwaltung und die Bundestagspräsidentin sind keine klassischen Ermittlungsbehörden mit entsprechenden Befugnissen.” 

Zur Gröner-Spende hat Sophie Schönberger ein Gutachten erstellt und im Auftrag einer Partei Klage gegen die Bundestagsverwaltung eingereicht. Für sie und auch für Andreas Polk ein Beispiel für Probleme bei der Kontrolle von Parteispenden. 

Prof. Sophie Schönberger
Prof. Sophie Schönberger | Bild: SWR

Prof. Sophie Schönberger, Rechtswissenschaftlerin, Universität Düsseldorf: 
„Der Fall Gröner zeigt aus meiner Sicht, dass tatsächlich im Parteispendenrecht wir in einem Bereich sind, wo wir große Durchsetzungsprobleme haben, unter anderem weil die Bundestagsverwaltung nicht als Ermittlungsbehörde ausgestattet ist, weil sie personell unterbesetzt ist.” 

Prof. Andreas Polk, Volkswirtschaftler, HWR Berlin: 
„Und hier ist es so, dass die Kontrollinstanz eben beim Präsidium des Bundestages liegt. Das heißt, die Parteien selber kontrollieren die Einhaltung des Parteiengesetzes und das ist sehr kritisch zu sehen.” 

Lange Veröffentlichungsfristen führen zu Intransparenz 

Und es gibt noch einen weiteren Kritikpunkt, Problem Nummer 3: die Veröffentlichungsfristen. Bei mehr als 35.000 Euro müssen die Parteien die Spender sofort dem Bundestag melden. Niedrigere Beträge tauchen dagegen erst mehr als ein Jahr später in den Rechenschaftsberichten der Parteien auf. Eine Regelung, die die Organisation Lobby Control schon seit Jahren kritisiert, erst recht in Zeiten von Wahlkämpfen. 

Aurel Eschmann
Aurel Eschmann | Bild: SWR

Aurel Eschmann, LobbyControl: 
„Das ist sehr problematisch, denn WählerInnen müssen bei der Wahlentscheidung einbeziehen können, wer die Parteien, die sie wählen, finanziert. Und das können sie gegenwärtig einfach nicht, denn die meisten Spenden werden erst viel zu spät veröffentlicht.” 

Und die meisten Parteien scheinen keine große Lust zu haben, freiwillig für schnellere Transparenz zu sorgen. Das zeigt unsere Umfrage unter den Landesverbänden der im Bundestag vertretenen Parteien. Wir wollten wissen: Wie hoch war die Spendensumme in diesem Jahr und wer waren die Spender? Mehr als zwei Drittel der Landesverbände haben uns geantwortet. 

Das BSW und Die Linke machten konkrete Angaben, bei Grünen und FDP tat das jeweils nur ein einziger Landesverband. Alle anderen Parteien legten dazu nichts offen. Also: lange Veröffentlichungsfristen, dazu die Probleme mit parteinahen Vereinen und eine mangelhafte Kontrolle. 

Nicht die besten Voraussetzungen für einen transparenten Wahlkampf. 

Aurel Eschmann, LobbyControl: 
„Deutschland ist auf jeden Fall das intransparenteste Land in Europa und hier wird am meisten Geld gespendet. Das heißt, das ist wirklich eine schlechte Kombination.” 

Stand: 06.12.2024 16:21 Uhr