Nach Ausschluss von AfD-Kandidat Joachim Paul von OB-Wahl: Experten fordern Gesetzesänderungen

Pressemeldung vom 9. September 2025

Schild mit der Aufschrift "Rathaus"
Schild mit der Aufschrift "Rathaus" | Bild: SWR

Nach den bundesweiten Diskussionen um den Ausschluss des AfD-Kandidaten Joachim Paul von der Oberbürgermeisterwahl in Ludwigshafen (Rheinland-Pfalz) fordern Experten Gesetzesreformen. Im Interview mit dem ARD-Politikmagazin REPORT MAINZ kritisieren Rechts- und Politikwissenschaftler unter anderem, dass das derzeitige Bewerbungsverfahren für Kandidaten ein „Bärendienst an der Demokratie“ sei. In Bezug auf die rechtlichen Möglichkeiten sei es „dringend notwendig, dass der Gesetzgeber tätig wird.“

Kritik an Zusammensetzung der Wahlausschüsse

Kritik kommt unter anderem von Wolfgang Schroeder, der an der Universität Kassel die Professur für das politische System in der BRD innehat. Er greift insbesondere die Zusammensetzung kommunaler Wahlausschüsse an, weil dort oftmals ausschließlich Parteienvertreter über die Zulassung der Kandidaten entscheiden. „Die Zusammensetzung der Wahlausschüsse muss in Zukunft überarbeitet werden, um gar nicht erst den Eindruck zu erwecken, dass hier Wettbewerber über andere Wettbewerber befinden, und damit gar kein unabhängiges Urteil möglich ist, so Schroeder im Interview mit REPORT MAINZ.


Die Entscheidung in Ludwigshafen sei zwar „eine gut gemeinte Aktion im Sinne der wehrhaften Demokratie“. Am Ende sei sie jedoch „ein Bärendienst an der Demokratie, weil sie die Mobilisierungs- und Kampagnenfähigkeit der AfD stärkt“. Als Lösung schlägt Schroeder vor, die kommunalen Wahlausschüsse „unabhängig aufzustellen“. Konkret nennt er zum Beispiel Vertreter der Kirchen, aus Sportverbänden, Gewerkschaften und andere „honorige Persönlichkeiten aus der Stadtgesellschaft“, die über „alle Zweifel der Parteilichkeit erhaben“ seien

Experte fordert Rechtssicherheit vor einer Wahl

Auch der Verfassungsrechtler Prof. Christian Pestalozza von der Freien Universität Berlin kritisiert das aktuelle Zulassungsverfahren. Er sieht eine Schwachstelle darin, dass im Falle der Ablehnung eines Kandidaten erst nach der Wahl ein Gericht darüber entscheidet, ob der Ausschluss rechtmäßig war oder nicht. „Diese elementaren Dinge, die das Grundrecht auf Wählbarkeit berühren, die sollten vorher geklärt werden“, so Pestalozza im Interview mit REPORT MAINZ. „Der Gesetzgeber ist aufgerufen, hier für Klarheit zu sorgen.“

Im Fall des Ausschlusses von Joachim Paul in Ludwigshafen haben zwei Gerichte bisher lediglich bestätigt, dass im Verfahren keine offensichtlichen Fehler gemacht wurden. Juristisch hat der AfD-Politiker nach der Wahl noch die Möglichkeit, diese wegen seines Ausschlusses anzufechten. Bekäme er recht, müsste die Wahl wiederholt werden. Die bisherige Möglichkeit, eine Wahl wegen Fehlern im Zulassungsverfahren erst im Nachgang anfechten zu können, hält der Rechtsexperte für misslich. „Da hat der Gesetzgeber nicht dafür gesorgt, dass so was sorgsam vonstattengeht und nicht permanent wiederholt werden muss. Das ist fahrlässig und unsorgfältig“, so Pestalozza.

Hintergrund: Ausschluss von AfD-Kandidat Joachim Paul

Hintergrund der Diskussion ist der Ausschluss des AfD-Kandidaten Joachim Paul von der Oberbürgermeisterwahl im rheinland-pfälzischen Ludwigshafen. Der dortige Wahlausschuss hatte Paul Anfang August wegen Zweifeln an dessen Verfassungstreue abgelehnt. Denn laut Gemeindeordnung müssen Bürgermeister die Gewähr bieten, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten. Paul sieht sich zu Unrecht in der Kritik, bemängelt die Entscheidung des Wahlausschusses. Er sei ein Demokrat und ein engagierter Politiker. Die anderen Parteien im Wahlausschuss hätten ihn als Konkurrenten loswerden wollen.

Presseauswertung: Mehr als 20 ähnliche Fälle

Immer wieder stehen kommunale Wahlausschüsse vor der Frage: Wie umgehen mit umstrittenen, mutmaßlich extremistischen Kandidaten? Eine Presseauswertung von REPORT MAINZ zeigt: Allein in den vergangenen fünf Jahren gab es mehr als 20 Fälle, bei denen es Diskussionen um die Verfassungstreue gab. Dabei ging es um Kandidaten unterschiedlicher Parteien. Angesichts des Erstarkens der AfD rechnen Experten damit, dass kommunale Wahlausschüsse künftig immer mehr mit Fragen rund um die Verfassungstreue von Kandidaten konfrontiert würd