Schleusen trotz Grenzkontrollen - Per Taxi nach Deutschland  

Ein Netzwerk von Schleppern wirbt über Messengerdienste Fahrer an, um Geflüchtete nach Deutschland zu bringen. Dies zeigen Recherchen von REPORT MAINZ.

Wir recherchieren verdeckt in einem Schleusernetzwerk und haben uns zum Schein als Fahrer anheuern lassen. Unsere möglichen ersten Fahrgäste: Vier Geflüchtete, die wir von Polen nach Deutschland bringen sollen.   

Ist das möglich - trotz verschärfter Grenzkontrollen? Wer versteckt sich hinter dem Schleuser-Netzwerk?  
 
Wochen zuvor sind wir mit einem ukrainischen Fahrer in Kontakt gekommen, er gab uns den Hinweis auf sogenannte Taxi-Schleusungen von Osteuropa nach Deutschland.  

Fahrer (im Chat):  
“Ich arbeite für ein Taxiunternehmen 🚖 illegal. Jeder kann dort anheuern, auch Du könntest dort arbeiten, ohne Probleme.” 

Reporter: 
“Haben die strengeren Grenzkontrollen eure Arbeit erschwert?” 

Fahrer:  
“Die Grenze ist kein Problem, auch meine Freunde bringen ständig Migranten von Prag nach Deutschland.” 

Schleuser werben mit einfach verdientem Geld  

Und tatsächlich stoßen wir auf mehrere Telegramkanäle, die solche Dienste anbieten. Zum Beispiel „Black Taxi“. Dort finden wir professionell gemachte Werbevideos mit dem Versprechen, schnell, einfach und sicher Geld zu verdienen. Für unsere Fahrt verspricht man uns 500 Dollar pro Fahrgast. Gezahlt werde auch in Crypto-Währungen. 

Sebastian Fiedler, Innenpolitischer Sprecher, SPD
Sebastian Fiedler, Innenpolitischer Sprecher, SPD | Bild: SWR

Der Kriminalbeamte Sebastian Fiedler kennt sich gut aus mit Schleuser-Netzwerken. Er ist seit kurzem innenpolitischer Sprecher der SPD im Bundestag.  

Sebastian Fiedler, innenpolitischer Sprecher SPD-Bundestagsfraktion: 
„Diese Schleusungen sind ein Teilaspekt, wenn wir so wollen, ein Geschäftsfeld der organisierten Kriminalität. Und wenn ich sage Geschäftsfeld, dann bedeutet das, das unterliegt auch anderen, aber doch vergleichbaren Regeln wie die legale Wirtschaft eben 
auch.” 

Hinter den Fahrten steckt ein hoch profesionelles Netzwerk  

 Die Telegram-Kanäle wirken professionell, und bewegen sich anscheinend außerhalb jeder Kontrolle. In ihren Werbevideos präsentieren sie auf russisch ihre europaweiten Fahrdienste. Wer sind die Fahrgäste, wollen wir wissen - tatsächlich Flüchtlinge? Wir fragen nach: 

Reporter undercover als „Igor“ (im Chat):  
„Wer sind die Passagiere?“ 
 

Kontaktperson „Black Taxi“: 
„N****. Manchmal sind auch Afghanen oder andere dabei.“ 

Dann kommen die konkreten Anweisungen für unsere Fahrt:  

Kontaktperson „Black Taxi“ (im Chat): 
„Bist du bereit? Es sind vier. In der Nähe der deutschen Grenze. Wie schnell kannst du losfahren?“ 

Reporter, undercover als „Igor“: 
„Innerhalb von zwei Stunden könnte ich da sein. Wohin soll ich fahren?“ 

Kontaktperson „Black Taxi“: 
„Szczecin (Stettin).“ 

Reporter, undercover als „Igor“: 
Verstanden, gut. Passt. 

Doch unsere Fahrt endet abrupt, die drei Fahrtgäste wurden von einem anderen Fahrer abgeholt, heißt es im Chat. Die Konkurrenz unter den Fahrern scheint groß. Wir hätten den Versuch ohnehin vorher abgebrochen, um uns nicht strafbar zu machen.  

Wir fragen bei der Bundespolizei nach. Sie erklärt: Professionelle Schleuser würden sehr flexibel reagieren und sich auf verstärkte Grenzkontrollen einstellen, teilt man uns schriftlich mit:  

Schriftliche Antwort Bundespolizeiinspektion München:  
„So werden innerhalb kürzester Zeit die Routen, Transport- und Grenzübertrittsarten den neuen Konstellationen angepasst, um einer Strafverfolgung möglichst zu entgehen.“  

Was mit den Menschen passiert, die illegal mit einem Black Taxi nach Deutschland einreisen, zeigt das Beispiel von Baran. Er ist 24, Kurde und kam Ende 2023 aus der Türkei nach Deutschland. Baran ließ sich schleusen. Er möchte anonym bleiben, weil er illegal hier ist. 

Immer mehr Menschen landen in der Illegalität 

Baran, Geflüchteter (nacherzählt): 
„Im Oktober 2023 begann ich meine Reise. Über den Balkan kam ich nach Prag. Über Telegram buchte ich eine Fahrt mit einem „BlackTaxi“ nach Hamburg. 1.500 Euro – bar.“ 

Sein Vater hatte ihm die Adresse eines Verwandten in Hamburg mitgegeben, aber die erwies sich als falsch. Baran lebte wochenlang auf der Straße. Dann half ihm ein Landsmann. 

Baran, Geflüchteter (nacherzählt): 
„Zuerst habe ich in einem Kiosk gejobbt, doch nicht lange. Dann konnte ich in einem Restaurant arbeiten, alles schwarz natürlich. Aber ich musste einfach irgendwas machen, um zu überleben.“ 

Erst vor kurzem stellte er einen Asylantrag, in der Hoffnung, auf legalem Weg bleiben zu können. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete er bereits fast zwei Jahre schwarz in Restaurants. 

Mahmut Erdem, seit 25 Jahren Rechtsanwalt für Asyl- und Ausländerrecht beobachtet, dass immer mehr seiner Mandanten in der Illegalität bleiben.  

Mahmut Erdem, Rechtsanwalt für Asyl- und Ausländerrecht
Mahmut Erdem, Rechtsanwalt für Asyl- und Ausländerrecht | Bild: SWR

Mahmut Erdem, Rechtsanwalt für Asyl- und Ausländerrecht:  
„Die Anträge werden ja nicht mehr gestellt, weil viele Migranten auch irregulär nach Deutschland eingereist sind, wissen, dass sie, wenn sie einen Antrag auf Asyl oder Flüchtlingsstatus stellen, in Deutschland ihre rechtlichen Chancen fast Null geht. Das heißt sich illegal hier aufhalten, hier illegal auch arbeiten, schwarz Beschäftigung nachgehen. Man bezahlt den Leuten nicht mal Mindestlohn.“ 

Menschen wie Baran verdienen nur sechs Euro pro Stunde als LKW-Fahrer, Gerüstbauer oder in der Gastronomie. Sie sind mitten unter uns, bleiben trotzdem unsichtbar - ohne Rechte. Reich an diesem Geschäft werden hingegen die Schleuser-Netzwerke wie zum Beispiel „Black Taxi“. 

Hochflexibele Schleusernetzwerte sind schwer zu bekämpfen 

Bei unseren Recherchen lernen wir: Das Black-Taxi-Netzwerk kassiert dafür mehrere tausend Euro pro Person und Fahrt und nutzt dafür feste Routen: Vom Baltikum oder Belarus über Polen bis nach Berlin. Oder über die sogenannte Balkanroute über Kroatien, Österreich oder Tschechien bis nach Deutschland.  

Lassen sich mit Grenzkontrollen Schleuser stoppen?  

Sebastian Fiedler, Innenpolitischer Sprecher, SPD: 
“Nein, also klassischen Grenzkontrollen reichen genau sowenig, um die Organisierte Kriminalität im Bereich Menschenhandel, Schleusung zu überführen, ganze Netzwerke trocken zu legen. Das reicht genauso wenig, wie es reichen würde, einzelne Dealer im Bereich der Rauschgiftkriminalität zu verhaften. So kann man es sich, glaube ich, ganz gut erschließen. Auch da muss man Hintermänner ermitteln.”  

Laut Fiedler ist “Black Taxi” ein professionell organisiertes Unternehmen. Die Fahrer tragen dabei das größte Risiko.  

Hintermänner sind schwer zu ermitteln 

Wie schwierig es ist, die Hintermänner zu ermitteln, zeigt ein Gerichtsurteil des Landgerichts Leipzig von 2023. Eine Gruppe von fünf Flüchtlingen landete laut Urteil in einem Grenzgebiet. Über einen Messengerdienst kontaktierten sie einen Schleuser:  

Zitat aus Urteil des Landgerichts Leipzig:  
“Der Schleuser habe daraufhin ein ,,Taxi" geschickt, welches sie von (...) über die Grenze bis in die Bundesrepublik Deutschland gebracht habe.“ 

Der Fahrer, ein Ukrainer, wurde zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Die Hintermänner in diesem Fall nicht ermittelt. 

Black-Taxi wirbt Fahrer auf russisch an, diese erhalten ihr Geld offenbar von einem Kryptokonto aus Russland.  

Roderich Kiesewetter, MdB, Sicherheitsexperte (CDU)
Roderich Kiesewetter, MdB, Sicherheitsexperte (CDU) | Bild: SWR

CDU-Sichherheitsexperte Roderich Kiesewetter ist überzeugt, dass die Hintermänner nicht greifbar sind und die verstärkten Grenzkontrollen diese Schleuserbanden nicht stoppen könnten.     

Roderich Kiesewetter, MdB, Sicherheitsexperte (CDU): 
„Zunächst einmal muss uns klar sein, dass die Hinterleute in Russland sitzen und damit nicht erreichbar sind. Dass diejenigen, die über Telegram angeworben werden, nicht groß auskunftsfähig sind, sondern quasi ihr Geld darüber bekommen und eine Dienstleistung erbringen, wo sie selber kurzfristig wirtschaftliche Vorteile haben, aber im Grunde genommen man an diese Grauzone nicht herankommt. Deswegen ist auch die Frage der Grenzschließungen nur eine sehr oberflächliche Lösung.”  

Roderich Kieswetter fordert eine bessere Integration der Menschen, die bereits im Land angekommen sind. 

Baran hat in der Zwischenzeit in Deutschland geheiratet und hofft auf einen legalen Aufenthalt.  

Baran, Geflüchteter (nacherzählt): 
„Ich will endlich normal leben. Arbeiten, eine Wohnung. Ich will raus aus dem Schatten.“ 

Kurz vor der Sendung ein erneutes Angebot im BlackTaxi-Kanal auf Telegram. Eine neue Fahrt, drei Personen, von Polen nach Deutschland. Black Taxi fährt weiter – täglich - mit Menschen, die in den Statistiken nicht auftauchen.  

  

Stand: 25.06.2025 17:00 Uhr