Gewerbliche Solaranlagen
Risiko für Privatanleger
Das Prinzip ist einfach: Als Privatanleger kauft man einen Teil einer großen, gewerblichen Solaranlage. Neben Steuervorteilen erhält man als Rendite die regelmäßigen Einspeisevergütungen durch den Stromverkauf.
Text des Beitrags:
Wir sind unterwegs nach Bad Doberan in der Nähe von Rostock. Vorne im Auto sitzen Bettina Erichsen und Ihr Bekannter Kai-Wilfrid Schröder. Die beiden fahren zu einer großen Photovoltaik-Anlage, die der Rentnerin zu einem Teil gehört. Kaufpreis damals: rund 73.000 Euro, gedacht für die private Altersvorsorge.

Bettina Erichsen, Rentnerin:
„Mir wurde ja die Sache präsentiert, vergleichbar mit einer Eigentumswohnung, dass man sicher ist, man hat nur keine Mieter in dem Falle, sondern man erzeugt eben stattdessen Strom. Und das ist dann quasi seine, der Mietertrag, den man erwirtschaftet.“
Die Solarmodule von Bettina Erichsen befinden sich auf dem Dach eines Autohauses. Pro Jahr sollen sie rund 40.000 Kilowattstunden Strom erzeugen, das entspricht grob dem Verbrauch von zehn Einfamilienhäusern.
Das Grundprinzip funktioniert so: Ein Anbieter stückelt eine große Solaranlage und verkauft einzelne Flächen an mehrere Kleinanleger. Für Wartung und Versicherung zahlen sie oft eine monatliche Pauschale. Neben Steuervorteilen besteht die Rendite aus dem monatlichen Stromverkauf. Die Anleger erhalten entweder die staatliche Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz oder verkaufen ihren Strom am freien Markt.
Rendite hängt von Höhe der Einspeisevergütung ab
Im Exposé zu ihrer Solaranlage wurde Bettina Erichsen eine Vergütung von 13 Cent pro Kilowattstunde versprochen. Laut mehrerer Abrechnungen sind es aber eher 11 oder 12 Cent. Heißt aufs Jahr gerechnet: statt 5.200 Euro Rohertrag mehrere hundert Euro weniger.
Bettina Erichsen, Rentnerin:
„Es ist vielleicht ein Jahr, wo es entsprechend der Ansage stattgefunden hat und ansonsten ist es immer wieder ein Rumgedröppel und sehr viel Reparaturkosten und Wartungskosten.“
Zur Einspeisevergütung schreibt uns der Anbieter: „Der finale Vergütungssatz [von 12 Cent/kWh] war von Beginn an bekannt und wurde uns gegenüber nie beanstandet“. Dennoch liege dem Unternehmen am Herzen, „verlorenes Vertrauen wiederherzustellen“.
Gewerbliche Solaranlagen sind in Deutschland ein Milliardengeschäft. Zwischen 2020 und 2024 wurden 25,7 Mrd. Euro investiert. Darunter sind auch viele Projekte, die Privatanleger bezahlt haben.
Zahlreiche anonyme Beschwerden über Anbieter
Ein Unternehmen sorgte zuletzt für Aufruhr unter den Investoren: die Solar Direktinvest aus Nürnberg. Mit aufwendig produzierten Werbespots wurde privates Kapital in Millionenhöhe eingesammelt:
Werbespot Solar Direktinvest:
„Von allen Erneuerbaren Energien ist Photovoltaik mit Abstand die beste Wahl. Denn Photovoltaik-Anlagen bezahlen sich von selbst.“
Firmeninhaber Andreas Köhler taucht auch in privaten Instagram-Videos auf, zum Beispiel hinter dem Steuer eines teuren Sportwagens. Oder man sieht ihn in Dubai, wo er nach eigenen Angaben ein Büro hat und wo er anscheinend ein Luxusleben führt.
Privatanleger, die über die Solar Direktinvest gekauft hatten, berichten von mehreren Problemen. Vor einer Kamera will niemand sprechen. Der Grund: eine sogenannte Quellenschutzvereinbarung in den Kaufverträgen, eine Art Verschwiegenheitsklausel.
Anleger Solar Direktinvest (anonym, Stimme nachgesprochen):
„Die Anlage war technisch in einem desaströsen Zustand, Kabel waren von Mardern angefressen, mehrere Wechselrichter waren kaputt. Die Anlage wurde überhaupt nicht überwacht, die hatte kein Monitoring, darauf hat man die Investoren aber gar nicht hingewiesen.“
Unklarheit über Fernüberwachung von Solaranlagen
Große Solaranlagen sind in der Regel ans Internet angeschlossen und werden aus der Ferne überwacht. Mussten Anleger der Solar Direktinvest für ein Monitoring zahlen, das es gar nicht gab? Das Unternehmen weist diesen Vorwurf zurück:
„Es kann sich nur um eine Bestandsanlage handeln und bei diesen wurde grundsätzlich nie ein Monitoring mit verkauft.“
Laut einer internen E-Mail, die REPORT MAINZ vorliegt, ist das aber bei zumindest einer Anlage passiert. Hinzu kommt: Mehrere Anleger mussten monatelang auf fehlende Abrechnungen und Gelder warten.
Sebastian Lange vertritt rund 20 Anleger der Solar Direktinvest, die ab 50.000 Euro aufwärts investiert haben. Darunter sind auch solche, die den Kaufpreis längst gezahlt haben, aber bis heute auf den Netzanschluss warten. Juristisch blieben da oft nur zwei Möglichkeiten, sagt der Anwalt.

Sebastian Lange, Fachanwalt für Solarenergie:
„Man kann entweder den Rücktritt erklären und das Geld zurückfordern. Voraussetzung dafür ist eben, dass der Errichter mit der Fertigstellung tatsächlich im Verzug ist. Oder man kann weiter abwarten und sich dann nachher darauf konzentrieren, den Verzögerungsschaden geltend zu machen. Jeder Sommer, wo die Anlage nicht am Netz ist, habe ich, erleide ich einen Verlust und den kann ich dann geltend machen als Verzögerungsschaden.“
Kommune beklagt Baumängel und fehlende Pachteinnahmen
Nicht nur die Käufer können betroffen sein, auch die Pächter, also diejenigen, die zum Beispiel ihr Dach für die Solarmodule zur Verfügung stellen und dafür Geld erhalten.
Wir sind in Zahna-Elster in Sachsen-Anhalt, unterwegs mit Bürgermeister Peter Müller. Seine Kommune wollte das Gebäude im Freibad mit einer Photovoltaik-Anlage bestücken. Doch während der Installationsarbeiten musste der Rathaus-Chef einen Baustopp verhängen. Man sieht auf den ersten Blick, warum.
Peter Müller, parteilos, Bürgermeister Zahna-Elster:
„Wie wir sehen, wurde hier an vielen Stellen, sehr vielen Stellen, die Unterspannbahn beschädigt. Ja, das bedeutet natürlich, wenn Wasser von außen reinkommt, dass hier drinnen natürlich auch alles durchnässt wird. Ja, und die Unterspannbahn müsste komplett ausgetauscht werden. Bei dem großen Dach, was wir hier sehen, ist das natürlich ein Schaden, der geht in die Hunderttausende.“
Das Freibad ist kein Einzelfall. Auf 37 öffentlichen Gebäuden wollte Zahna-Elster Sonnenstrom produzieren, auch für den Eigenverbrauch. Die geplanten Pachteinnahmen: rund 200.000 Euro für 20 Jahre. Auf manchen Dächern liegen zwar Solarmodule, doch Strom produziert derzeit keine einzige Anlage.

Peter Müller, parteilos, Bürgermeister Zahna-Elster:
„Demzufolge haben wir uns natürlich auch gewundert, warum werden die nicht angeschlossen? So, wie es sich jetzt herausgestellt hat, war das wahrscheinlich gar nicht beabsichtigt.“
Gegen das Generalunternehmen, das nicht nur in Zahna-Elster Solaranlagen fertig bauen sollte, gibt es schwere Vorwürfe. Die Staatsanwaltschaft Dresden ermittelt gegen zwei Verantwortliche wegen des Verdachts des schweren Betrugs. Der Prokurist sitzt wegen Fluchtgefahr in Untersuchungshaft.
Laut einer internen E-Mail gehörte das Unternehmen zu den „stärksten Kooperationspartnern“ der Solar Direktinvest. Man habe „ca. 50 PV-Projekte“ gemeinsam umgesetzt. Unter anderem in Zahna-Elster.
Verbraucherschützer fordert strengere Regulierung
Mit Sonnenstrom Geld verdienen: Die Beispiele der verschiedenen Anbieter und Projekte offenbaren teils hohe Risiken für Pächter und private Käufer.
Für Matthias Bauer von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg ist das Grund genug, die Regeln für die Branche zu verschärfen. Aktuell müssen Verkäufer großer PV-Anlagen lediglich einen Gewerbeschein vorweisen. Nicht abgefragt werden Sachkenntnisse und Zuverlässigkeit - anders als zum Beispiel bei Immobilienmaklern.

Matthias Bauer, Verbraucherzentrale Baden-Württemberg:
„Wenn hier immer mehr Verbraucher direkt und auch massiv angesprochen werden, brauchen wir hier die gleichen Sicherheitsmaßstäbe, die wir an Finanzprodukte oder Immobilienprodukte anlegen und die auch vom Gesetzgeber angelegt werden.“
Bettina Erichsen hat ihr Urteil zur Geldanlage mit Sonnenstrom längst gefällt.
Bettina Erichsen, Rentnerin:
„Ich würde es nie wieder machen, garantiert.“
Sie und ihr Bekannter fordern, dass Anleger vor dem Kauf einer Solaranlage besser über die Risiken aufgeklärt werden.
Stand: 30.07.2025 12:37 Uhr