Toter Deutscher in IS-Gefängnis
Deutsche Behörden haben den Tod eines weiteren ehemaligen IS-Kämpfers in einem kurdischen Gefängnis in Nordostsyrien bestätigt. Bei dem Mann handelt es sich um den deutschen Staatsbürger Mohammad A. aus Nordrhein-Westfalen.
Von Eric Beres, SWR
Das Auswärtige Amt teilte dem Südwestrundfunk (SWR) mit, der Bundesregierung sei der Fall bekannt, man wolle sich aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes jedoch nicht zu Details äußern. Laut Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen war gegen den Mann im Auftrag der Bundesanwaltschaft ermittelt worden. Die Ermittlungen seien „nach Bekanntwerden des Todes des Beschuldigten zwischenzeitlich eingestellt“ worden.
Tod wohl bereits 2022
Laut der Organisation „Grüner Vogel“, die Deradikalisierungs- und Reintegrationsberatung im Bereich Salafismus anbietet, starb Mohammad A. bereits im August 2022 an Tuberkulose. Nach eigenen Angaben steht die Organisation mit dessen Hinterbliebenen in Kontakt. Über den Fall berichtet auch der in Berlin ansässige Think-Tank „Counter Extremism Project“ (CEP) in einem aktuellen „Policy Paper“ zur Situation der in Nordostsyrien Inhaftierten. Demnach war der Mann mit einer inzwischen nach Deutschland zurückgekehrten und verurteilten Deutschen nach islamischem Ritus verheiratet gewesen.
Die Analystin Sofia Koller, eine der Autorinnen des Papiers, sagte dem SWR: “Dass anscheinend ein zweiter Deutscher in kurdischer Gefangenschaft gestorben ist, zeigt nicht nur die schlechten Haftbedingungen vor Ort, sondern auch die weitgehende Untätigkeit deutscher Behörden.“ So sei die Familie von Mohammad A. anscheinend erst ein Jahr später über dessen Tod informiert worden. Bereits 2020 war ein erster Todesfall im Gefängnis in Nordostsyrien durch einen Bericht der „Bild-Zeitung“ bekannt geworden.
Tuberkulose-Ausbrüche

Die UN und Organisationen wie „Human Rights Watch“ haben in der Vergangenheit immer wieder auf die prekäre humanitäre Situation in den Gefängnissen aufmerksam gemacht, auch auf die schlechten hygienischen Verhältnisse. Berichten zufolge kommt es immer wieder zu Tuberkulose-Ausbrüchen. Unter der Biden-Administration hatten US-Vertreter auf das Problem hingewiesen und die betreffenden Staaten aufgefordert, ihre Landsleute zurückzuholen.
Nach dem Sturz des Assad Regimes wird zudem befürchtet, die kurdische Selbstverwaltung im Nordosten Syrien könne – auch durch mögliche Angriffe des IS – mit der Bewachung der Gefängnisse überfordert sein. Unter den noch bis zu 10.000 inhaftierten ehemaligen IS-Kämpfern sind rund 30 deutsche Staatsbürger. CEP-Analystin Sofia Koller plädiert ebenfalls für eine geordnete Rückführung und Strafverfolgung der verbleibenden Männer - nicht nur aus Sicherheitsgründen, wie der Fall Mohammad A. zeige: „Es wird möglicherweise nicht der letzte tote Deutsche bleiben, und das liegt dann auch in der Verantwortung der Bundesregierung,“ sagte sie dem SWR.
Weitere Todesfälle?
In seiner schriftlichen Stellungnahme deutet das Auswärtige Amt mögliche weitere Fälle an. Es seien „einzelne Fälle von Deutschen bekannt, die in kurdischer Haft in Nordostsyrien gestorben sind.“ Weitere Angaben machte das Amt nicht. Es seien weiterhin keine Rückführungen von Männern geplant. Die Wiederöffnung der deutschen Botschaft in Damaskus und die Aufhebung der Sanktionen gegen Syrien stünden in keinem Zusammenhang zur Bewachung der Haftanstalten mit mutmaßlichen IS-Kämpfern. Man fördere jedoch mehrere Projekte zur Verbesserung der Lebensbedingungen, zur Vorbereitung von Rückkehr und Reintegration, sowie zur psychosozialen Betreuung und Deradikalisierung.
Die Bundesregierung hat bisher lediglich Frauen und Kinder aus Lagern in Nordostsyrien nach Deutschland zurückgeholt – zuletzt Anfang Mai eine ehemalige IS-Anhängerin aus Bayern mit vier Kindern. Sie musste in Untersuchungshaft.