Möglicher Anschlagsversuch in Italien
Ermittler prüfen Verbindung zu in Deutschland freigelassenem mutmaßlichen türkischen Mafia-Chef
Im Fall eines möglichen Anschlagsversuchs in Italien prüfen Ermittlungsbehörden Verbindungen zu einem zuvor in Deutschland freigelassenen mutmaßlichen türkischen Mafia-Chef. Nach Recherchen des Südwestrundfunks (SWR) handelt es sich um den 27-jährigen Ismail A. Ermittler sehen in ihm eine Schlüsselfigur der Organisierten Kriminalität.
Von Eric Beres, Sandro Mattioli und Ahmet Şenyurt
Hintergrund ist die Festnahme von zwei türkischen Staatsbürgern am Mittwochabend in der Stadt Viterbo, etwa 100 km nordwestlich von Rom. In deren angemieteter Unterkunft hatten Beamte unter anderem eine Maschinenpistole und drei Magazine mit jeweils 40 Schuss Munition gefunden. Das bestätigten Ermittlerkreise dem SWR. Die Unterkunft liegt direkt an einer Straße, an der am Mittwoch die traditionelle „Macchina di Santa Rosa“ Prozession vorbeilief. Dabei tragen Männer einen dreißig Meter hohen Turm zu Ehren der Stadtheiligen Santa Rosa durch die Stadt. An der Veranstaltung nahmen laut Medienberichten etwa 40.000 Besucher teil.
Festnahme bewaffneter Männer
Demnach waren Sicherheitskräfte rund um die Veranstaltung in erhöhter Alarmbereitschaft. Dem israelischen Botschafter sei kurzfristig von einer geplanten Teilnahme abgeraten worden. Die italienische Ministerpräsidentin Georgia Meloni gratulierte den Sicherheitskräften über die sozialen Medien zu der Festnahme. Diese sei eine „entscheidende Operation“, die es ermöglicht habe, das Fest zu feiern. Die genauen Hintergründe sind allerdings noch unklar. Roberto D’Amico, Pressesprecher der Polizei-Quästur in Viterbo sagte dem SWR, ein Anschlagsmotiv sei nur eine der möglichen Hypothesen. Denkbar sei auch eine Bewaffnung aus Eigenschutz, heißt es in Ermittlerkreisen.
Der Sprecher bestätigte, die zuständige Staatsanwaltschaft Viterbo prüfe mögliche Verbindungen zu Ismail A. Wie der SWR aus Ermittlerkreisen erfuhr, soll einer der Festgenommenen ein Bodyguard von Ismail A. gewesen sein. A. selbst sitzt laut Medienberichten seit dem 26. August in italienischer Haft. Er wird von türkischen Behörden mit internationalem Haftbefehl gesucht. Ihm werden die Bildung einer kriminellen Vereinigung und schwerer Raub vorgeworfen. Laut türkischen Medien wird die von ihm angeführte Gruppe auch mit Morden in Verbindung gebracht.
Ismail A. in Deutschland freigelassen
Zuvor hielt sich A. in Deutschland auf. Anfang Juli wurde er in Hessen festgenommen, angeblich bei einer Routinekontrolle. Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt/M. ließ ihn jedoch nach vier Tagen frei. Sie verwies auf die „maßgebliche Rechtsauffassung“ des Oberlandesgerichts Frankfurt M., wonach Auslieferungen in die Türkei nicht möglich seien. Das Gericht bestätigte dies dem SWR: Angesichts der politischen Lage sei ein rechtsstaatliches Verfahren in der Türkei nicht gewährleistet.
Offenbar floh A. schließlich von Deutschland nach Italien. Dort führen die Behörden bereits seit einigen Jahren Ermittlungen gegen Gruppierungen der türkischen organisierten Kriminalität. Auch A. geriet dabei bereits ins Visier. Aus italienischen Ermittlungsunterlagen, die dem SWR vorliegen, geht unter anderem hervor, dass er mutmaßlich Kontakte in das Umfeld des bekannten Mafia-Chefs Barış Boyun hatte, der bereits seit 2024 in italienischer Haft sitzt.