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Großbritannien: Was wird aus Wales Schafszüchtern nach dem Brexit?

PlaySchafzüchter in Wales
Großbritannien: Was wird aus Wales Schafszüchtern nach dem Brexit? | Bild: NDR

Deal oder No Deal? Das ist die alles entscheidende Frage: Wie wird der EU-Austritt Großbritanniens umgesetzt? In Wales, im Westen des Landes, stimmten die Menschen vor gut zwei Jahren mehrheitlich für den Austritt aus der EU, obwohl sie hier von der Landwirtschaft leben und von EU-Subventionen. Nun stöhnen viele über das lange Gezerre zwischen London und Brüssel

Schluss mit Brüssels Papierkram

Brian Davies
Brian Davies ist Brexit-Befürworter. | Bild: NDR

Es gibt Lieblingsorte und es gibt den Lieblingsenkel – hier oben hoch über Wales, in den Brecon Beacons ist Glasnant Morgan glücklich. Seine Schafe und Enkel Alex auch. Hier oben bricht nichts den Blick. Schafe, Landschaft, Schafe  – so weit das Auge reicht. Klarheit kann man daraus ziehen, sagt der Schafsfarmer. Und für ihn gibt es keinen Zweifel – der Brexit ist eine Riesendummheit: "Ich rede besser nicht mehr darüber. Wenn ich einen anderen Farmer treffe, der für den Austritt gestimmt hat, sage ich ihm: 'Warum bist Du so dumm? Denkst Du nicht an die Zukunft?" An die Zukunft ohne das Geld aus Brüssel. Gerade in Wales ist es eine Top-Einnahmequelle. Die Bergfarmer hier hängen fast alle am Tropf Europas.

Schaffarmer Brian Davies schreckt der Brexit nicht – ganz im Gegenteil. Der Stolz über seine Schafe spricht dem Farmer aus jeder Pore. Das Fell eine Wucht, das Fleisch spitze.  Darauf wird in Europa doch wohl niemand verzichten wollen: "Die wollen uns nicht verlieren. Unsere Zahlungen sind weit größer als das, was wir zurückbekommen. Das werden sie sehr vermissen. Deswegen dauert das so lang mit dem Deal." Fast scheint es so, als habe Brian den Langmut seiner Schafe. Hauptsache Schluss mit Brüssels Papierkram. Er setzt weiter auf den Brexit und die Premierministerin Theresa May: "Sie ist eine zweite Maggie Thatcher, wer mit Trump fertig wird, kriegt jeden in den Griff."

Sparen für schlechtere Tage

Nickola Bickerton
Nickola Bickerton weiß: Die Unsicherheit zerrt an Portemonais und Nerven der Waliser. | Bild: NDR

In Brecon haben sie vor zwei Jahren mehrheitlich für den Brexit gestimmt. Obwohl sie hier fast alle von der Landwirtschaft abhängig sind – und damit von EU-Subventionen. In den Läden aber spüren sie Veränderung. Das Gerld sitzt nicht mehr so locker. Es wird gespart, vielleicht kommen ja doch schlechtere Tage? Leigh hat sich immer als Europäerin verstanden, für den Verbleib gestimmt. Wie ihre Partnerin Nicki. Der kleine Laden ist eine bewusste Umarmung: neben den feinen Dingen aus Wales gibt es Pasta aus Italien. Die Unsicherheit zerrt an Portemonais und Nerven: "Da werden dann sicher Zölle drauf kommen. So ein kleiner Laden hat es eh schon schwer genug, den Kopf über Wasser zu halten." Und Nickola Bickerton ergänzt: "Ich weiß in der Zwischenzeit gar nicht mehr, was ich will. Es soll nur vorbei sein. Und wir können uns irgendwie neu ausrichten für die Zeit nach dem Brexit."

Vor dem Brexit aber steht erst einmal das Vergnügen Wer siegen will – muss galoppieren. Brecon hat die älteste Landwirtschaftsshow der Welt – sagen sie hier stolz. Ein Highlight in Farmers Jahres-Kalender. So ist das in Wales. Heute geht es um Schönheit, morgen ums Geschäft – übrigens der weitaus größte Teil der Tiere landet in Europas Binnenmarkt, vor allem in französischen Kochtöpfen.

Tories treiben May zu hartem Brexit

Chris Davies
Chris Davies ist für einen harten Brexit | Bild: NDR

Auch der Abgeordnete Chris Davies hält Hof. Hinter dem freundlichen Lächeln steckt der Hardliner. Theresa Mays Weißbuch, mit dem sie in Brüssel punkten will, lehnt er ab. Zu soft, zu nah dran an Europa. Tories wie er treiben May zum harten Brexit – oder zum Rücktritt, lächelnd. No Deal ist real, Davies droht. Bauerngewerkschafter lächeln zurück. Gequält. Ein harter Brexit mit hohen Welthandels-Tarifen – ihr Gau. Für Davies Verhandlungsmasse: "Wir kaufen mehr aus der EU als wir dahin schicken. Es ist im Interesse der EU einen freien Markt zu haben. Keinen Binnenmarkt, einen freien Markt. Die können das machen."
Brian Boven von der Farmersunion Wales warnt: "Es wäre vernichtend für viele Farmer, wenn wir keinen zollfreien Zugang zu Europas Märkten mehr hätten. Wir wollen im Binnenmarkt bleiben, in der Zollunion – da liegt der Markt für unsere Produkte."

In den Tälern der Brecon Beacons treffen wir trotz wachsender Unsicherheit auf wenig Wechselstimmung und kaum Appetit auf ein zweites Referendum. Wales ist eigen und voller überraschender Töne.

Autorin: Hanni Hüsch, ARD Studio London

Stand: 27.08.2019 13:53 Uhr

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