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Ukraine: Der Krieg in der Kornkammer der Welt

PlayTrecker auf einem Feld.
Ukraine: Der Krieg in der Kornkammer der Welt | Bild: NDR

Die Ukraine gehört zu den größten Produzenten für Weizen weltweit. Experten schätzen, dass zwischen acht und zehn Prozent des weltweiten Weizen-Exports aus der Ukraine kommt. Vor allem die schweren Schwarzerde-Böden eigenen sich gut für den Anbau von Getreide. Durch den Krieg fällt die Ukraine nun allerdings bei der Versorgung mit Getreide aus, vor allem in den Ländern Nordafrikas werden sogar Hungersnöte durch die ausgefallenen Lieferungen befürchtet.

Produktion von Friedens- auf Kriegszeiten umgestellt

Weizen-Ähre
Die Nahrungsmittelpreise steigen. | Bild: BR

Der Winterweizen wurde schon im vergangenen Jahr ausgebracht – und er verspricht einen guten Ertrag. Andrej Vaytenko, Agrarunternehmer von VAM AGRO, zeigt uns, wie der Boden bearbeitet und das Unkraut entfernt wird. Wie es in diesem Jahr weitergeht, weiß Andrej aber noch nicht so recht. Seine Saatgutfirma stellt ihre Produktion von Friedens- auf Kriegszeiten um. Es geht vor allem darum, was die Ukraine selbst zum Überleben braucht: "So, wie die Kämpfer an der Front ihren Job machen, so machen wir unseren mit dem Weizenanbau. Uns wird klar, dass der Krieg alles beeinflusst. Wir bauen mehr Sommerweizen an. Ich spreche für meine Agrar-Firma. Wir bringen weniger Mais aus, dafür aber mehr Weizen. So stärken wir unsere Lebensmittelsicherheit."

Feldfrüchte wie Mais, Sonnenblumen oder Raps werden weniger angebaut, der Schwerpunkt liegt beim Getreide. So will es die Regierung, so will es der Präsident. Das Militär wiederum will, dass wir nicht zeigen, wo Andrejs Farm liegt, weil ein Stützpunkt der Armee in der Nähe ist. Deswegen können wir draußen nur die Schweine zeigen. Drinnen sehen wir dann noch die Schnecken, die Andrej nach Spanien und Frankreich exportiert – und die Säcke mit dem Saatgut. Alles ist arbeitsintensiv: "Wir haben 22 Mitarbeiter in Vollzeit und etwa 150 Saisonarbeiter für zwei oder drei Monate in den Produktionszeiten. Und dann brauch ich noch jemanden für die Kreuzungen der Pflanzen. Das ist eine besondere Arbeit. Auch dafür muss ich jemanden anstellen."

Suche nach Arbeitskräften

Ein Mann zeigt Saatgut aus einem große Sack.
Andrej Vaytenko muss seine Produktion von Friedens- auf Kriegszeiten umstellen. | Bild: NDR

In Zhovkva, dem Zentrum der Gemeinde, treffen wir Bürgermeister Oleh Volskyy. Unterm Arm die Pistole, auf dem Handy die Bilder von Schießübungen mit der Kalasnikov. Der Krieg scheint nah. Drinnen zeigt er uns die Reste einer russischen Rakete, die vor ein paar Tagen eingeschlagen war. Er fürchtet, das benachbarte Belarus könnte in den Krieg eintreten. Erstmal aber muss er den Kampf um die nächste Ernte gewinnen: "Die meisten Männer sind freiwillig in den Krieg gegangen. Viele wurden auch eingezogen. Zurückgeblieben sind die über 60-jährigen Männer. Nach denen suchen wir jetzt, um Traktoren zu fahren und andere Maschinen zu bedienen. Wir haben ein großes Problem mit Arbeitskräften."

Die Ukraine ist mit Russland die Kornkammer der Welt. Jeden Monat konnten die ukrainischen Bauern mehr als vier Millionen Tonnen ihres Getreides exportieren. Jetzt sind es gerade mal ein paar 100.000, so die Regierung. Vor allem durch die besetzten Häfen im Süden können Weizen, Mais und Speiseöl nicht mehr exportiert werden. Vielleicht sinkt bald auch die landwirtschaftliche Produktion selbst.

UN befürchtet Hunger

Die Schockwellen gegen schon um die Welt. Die Nahrungsmittelpreise steigen. Die UN befürchtet Hunger, vor allem in den armen Ländern. Tatjana Hetman, Agrarexpertin der Regionalverwaltung Lwiw kann kaum Hoffnung machen: "Wenn die Lage so bleibt, wie sie jetzt ist, haben wir kein Problem mit der Nahrungsmittelproduktion in der Ukraine. Wenn die Ukraine 100 Millionen Tonnen Getreide produziert und die Hälfte geht in den Export, könnte die Ernte zweimal schlecht ausfallen, und trotzdem würden wir nicht hungern." Das heißt umgekehrt aber: Weniger Exporte in die Welt, in der viele Länder auf die Überschüsse der Ukraine angewiesen sind. Andrej und die Ukraine werden Wege finden, um ihre Produkte über den Landweg über die EU zu liefern. Die Frage wird aber bald sein, wieviel überhaupt noch in die Welt exportiert werden kann.

Autor: Norbert Hahn

Stand: 27.03.2022 21:20 Uhr

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