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Ukraine: Geflohen aus Mariupol

PlayDrei Frauen sitzen an einem Tisch
Ukraine: Geflohen aus Mariupol | Bild: NDR

Die 61-jährige Anna, ihre gleichnamige Tochter und die Enkelin Maria haben es vor elf Tagen geschafft, aus ihrer ukrainischen Heimatstadt Mariupol zu entkommen. Die Flucht war lebensgefährlich. Putins Soldaten hätten sogar die Autos der Zivilisten beim Verlassen der Stadt angegriffen, erzählt sie: "Unser Konvoi wurde mit Raketen angegriffen. Zwei Pkw, etwa 150 Meter vor uns, wurden getroffen. Sie brannten wie Fackeln. Leichen lagen auf der Straße und Kinder und deren Mütter knieten schreiend daneben."

Das ganze Leben in einer Tasche

Anna beschreibt, wie sie Ende Februar die ersten Einschläge in ihrer Wohnsiedlung erlebten. Dabei wurde ihre Nachbarin verletzt. Als die russischen Soldaten eine Pause machten, entschied sie sich mit ihrem Mann und den Kindern zu ihrer Mutter zu gehen: "Plötzlich gab es eine tödliche Stille. Wir packten alles in eine Tasche. Unser ganzes Leben war in dieser Tasche. Wir hatten fast nichts dabei. Mit der Tasche stiegen wir in unser von einer Rakete beschädigtes Auto und fuhren zu meiner Mutter, einen halben Kilometer entfernt."

Dort harrten sie im Keller aus, während die Angriffe weitergingen. Sie hätten wenig zu Essen gehabt. Das Haus sei immer wieder erschüttert worden. Dann entschieden sie, Mariupol zu verlassen: "Von unserer Familie wurde keiner getötet, aber Bekannte. Mein Ehemann ist immer noch dort. Seine Mutter ist nicht transportfähig. Mein Vater hat uns weggebracht. Mein Mann ist mit seinen Eltern geblieben. Es gibt kein Telefonnetz. Wir wissen nicht, wo sie sind, ob sie etwas zu Essen haben und was mit ihnen ist."

"Es ist Völkermord"

Maria ist Annas Kind aus erster Ehe. Marias Vater und dessen Familie seien von russischen Soldaten gezwungen worden, aus Mariupol nach Russland zu gehen, sagt sie uns: "Sie wurden von der russischen Armee weggebracht. Ich weiß nicht genau, wie es passiert ist. Aber offenbar mit Gewalt. Sie holen die Menschen aus ihren Wohnungen. Sie sagen einem, du hast drei Minuten zu gehen, dann musst du losgehen."  Die 61-jährige Anna fällt ein klares Urteil: "Es ist schrecklich. Es ist Völkermord. Das ist in jedem Fall ein Völkermord. Ganz sicher."

Die Welt müsse erfahren, was in Mariupol geschah und immer noch geschieht, so die Frauen. Keiner dürfe später sagen, er haben es nicht gewusst.

Autor: Oliver Mayer-Rüth, ARD-Studio Istanbul 

Stand: 27.03.2022 21:19 Uhr

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