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Polen: US-Soldaten für mehr Sicherheit?

PlayUS-Soldaten stehen vor der amerikanischen Nationalflagge
Polen: US-Soldaten für mehr Sicherheit? | Bild: dpa / Frank May

Naturschützerin Mayra Wojciechowicz liebt die Gegend in der freien Natur direkt an der Ostsee. Doch schon ein paar weiter Meter treibt es ihr die Zornesröte ins Gesicht. Der Grund: Eine Großbaustelle für einen Schifffahrts-Kanal. "Ich bin frustriert und wütend. Hier wird gerade ein einmaliger Teil Polens zerstört, der ein Naturschutzgebiet ist." Zerstört wird ein wichtiges Rückzugsgebiet für Vögel. Und später, wenn die neue Fahrrinne in die Ostsee führt, sind die Laichgründe für Zander auch weg, fürchtet sie. "Die künstliche Vertiefung des Haffs bedeutet, dass das Wasser trüber wird und das führt dann hier zum Zusammenbruch des gesamten Ökosystems."

 Kanal ohne militärische Bedeutung?

Es ist ein tiefer Einschnitt. Bisher fuhren die polnischen Schiffe auf dem Weg ins Meer außen rum. Sie mussten deshalb durch die angrenzenden russischen Gewässer dicht vorbei am russischen Militärhafen von Baltijsk. Von Hafen in Elblag (deutsch: Elbing) soll die Fahrt ins offene Meer bald losgehen. Gut für den Handel, aber auch für die Sicherheit des Landes, argumentierte die nationalkonservative PiS-Regierung, als sie das 220 Millionen Euro-Projekt in Angriff nahm. "Es ist eine Investition, die die polnische Selbstständigkeit, Unabhängigkeit und Freiheit unterstützt. Jetzt müssen wir Russland nicht mehr um Erlaubnis bitten, wenn wir ins Frische Haff fahren", erklärte Polens Präsident Andrzej Duda im Mai 2020. Auch auf die militärische Bedeutung weisen die Verantwortlichen immer wieder hin. Der Kanal sei wichtig für Manöver oder Truppentransporte im Krisenfall.
Der ehemalige General Miroslaw Rozanski findet das unsinnig: "Dieser Kanal hat eindeutig keine militärische Bedeutung und ich habe mich von Anfang an so einer Begründung für den Bau dieses Kanals widersetzt, dass er zur Verbesserung unserer Sicherheit beitragen könnte."

US-Militär von Deutschland nach Polen

Baustelle
Der Bau eines Schifffahrtskanals kritisieren Umweltschützer. | Bild: NDR

Für das Gefühl der Sicherheit sind den Polen US-amerikanische Soldaten wichtig. Ein paar Tausend von ihnen sind schon dauerhaft in Polen stationiert, einige von ihnen am Stützpunkt in Drawsko. Und sie üben für den Ernstfall.Nach der US-amerikanischen Entscheidung etwa 9.000 Soldaten aus Deutschland abzuziehen, könnten bald noch 1.000 mehr ins Land kommen. Unklar, wann und wie viele genau direkt aus Deutschland hierher versetzt werden.
Brigadekommandant Scott O'Neal wurde in Nürnberg geboren und kommt aus einer Soldatenfamilie. Später war er selbst in Deutschland stationiert. Seit einigen Wochen ist er in Polen. "Es macht viel Spaß, mit der polnischen Armee zusammenzuarbeiten. Eine sagenhafte Armee. Ich denke, dass wir von den Polen genau so viel lernen, wie sie von uns."

 US-Soldaten aus Deutschland nach Polen?

Bald noch mehr US-Truppen in Polen? Damit sind sie aber auch näher an Russland. Über politische Hintergründe kann und will er nicht sprechen. "Wir sind nicht wegen eines konkreten Gegners hier. Um ehrlich zu sein, wir sind hier, um für Ruhe vor regionalen Angriffen und für Stabilität zu sorgen, nicht gegen irgendein Land." Der Übungsplatz Drawsko wird gemeinsam von amerikanischen und polnischen Soldaten genutzt – Kooperation zwischen NATO-Partnern. Das schon bald noch mehr amerikanische Soldaten nach Polen kommen, freut den Stabsfähnrich Marcin Czerwinski. "Je mehr Soldaten desto besser. Wie mal jemand sagte: Lasst uns auf den Krieg vorbereiten, damit es ihn nicht gibt."

Die enge militärische Bindung an die USA betonen polnische Politiker immer wieder. Kürzlich lobte Donald Trump seinen polnischen Amtskollegen für den großen finanziellen Einsatz Polens im Rahmen der NATO. Die Polen danken ihm diese Verbundenheit mit der Idee einer amerikanischen Kaserne auf polnischem Boden. "Fort Trump" soll sie heißen. Wenn Trump demnächst noch mehr US-Soldaten nach Polen schickt, will die Regierung dafür einige Millionen Dollar springen lassen. Alles für die Sicherheit.

Für Miroslaw Rozanski ist das eine zu einseitige Sicht auf die NATO-Gemeinschaft: "Ich persönlich denke, dass es nicht die beste Lösung ist, wenn wir so stark betonen, dass unsere Sicherheit so stark von der polnisch-amerikanischen Zusammenarbeit abhängt."

Demnächst kommen also mehr US-Soldaten nach Polen und ein umstrittener Kanal entsteht. Beides zusammen zeigt: Die polnische Regierung setzt auf Verteidigungsbereitschaft und auf Distanz - vor allem vor dem russischen Nachbarn ganz in der Nähe. 

Autor: Olaf Bock, ARD-Studio Warschau

Stand: 19.07.2020 20:23 Uhr

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