So., 20.07.25 | 18:30 Uhr
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USA: Alligator Alcatraz – Trumps Umgang mit Asylsuchenden
Schon der Name – eine Provokation: "Alligator Alcatraz", Floridas neuer Abschiebeknast für vermeintlich kriminelle Ausländer, mitten in den Sümpfen der weltberühmten Everglades. Ausgestattet mit Maschendrahtkäfigen und Doppelstockbetten für bis zu 3.000 Häftlinge. Eine ausbruchssichere Haftanstalt wie die berühmte Gefängnisinsel – dank Mutter Natur, frohlockt der US-Präsident Donald Trump höhnisch: "Wir werden ihnen beibringen, wie man vor einem Alligator wegläuft, falls sie aus dem Gefängnis entkommen. Lauft nicht in einer geraden Linie."
Stamm der Miccosukee kämpft gegen "Alligator Alcatraz"
Worte die in den Ohren von Betty Osceola menschenverachtend klingen. Sie gehört zum Stamm der Miccosukee und ist in den Everglades aufgewachsen. Ihr Volk suchte hier einst Zuflucht vor der US-Armee und betrachtet die tropischen Feuchtgebiete als heiliges Land, das es zu verteidigen gilt. "Das waren unsere Jagdgründe, die zu unserer dauerhaften Heimat wurden. Zu einem Ort, an dem wir uns spirituell mit der Landschaft verbinden und unsere Zeremonien abhalten konnten, und der uns Schutz gab." Die Umweltaktivistin sorgt sich vor allem um das empfindliche Ökosystem der Everglades. Chemikalien und Abwässer aus den mobilen Toiletten der Haftanstalt könnten die Teiche, Flüsse und Seen des Naturschutzgebietes verschmutzen: "Hier beziehen acht Millionen Bewohner von Südflorida ihr Trinkwasser. Wenn wir dieses Ökosystem aus dem Gleichgewicht bringen, wirkt sich das wirklich auf ihr Leben aus." Licht und Lärm von "Alligator Alcatraz" würden außerdem die Tierwelt durcheinanderbringen, sagt Betty. Von den harschen Lebensbedingungen der dortigen Insassen ganz zu schweigen.
Die kritisiert auch Curtis Osceola – gerade jetzt zu Beginn der Hurrikan-Saison. Der Anwalt der Miccosukee will den Betrieb von "Alligator Alcatraz" deshalb per einstweiliger Verfügung stoppen. "Dort draußen ist es sehr heiß. Nachmittags haben wir oft Gewitter mit starken Winden. Manchmal entstehen sogar kleine Tornados. Die Lebensbedingungen sind also ziemlich hart. Dort Menschen festzuhalten, in Käfige zu stecken und zu isolieren, macht es nur noch schlimmer." Der Umgang mit den Häftlingen in "Alligator Alcatraz" sei grausam und unmenschlich, sagt Curtis. Das widerspreche den Überzeugungen der Miccosukee. "Wir verstehen, dass es Probleme in der Gesellschaft gibt und dass es Menschen gibt, die diese Probleme lösen wollen. Aber wir wollen es einfach nicht auf unserem heiligen Land."
"Alligator Alcatraz": Schwere Vorwürfe gegen Haftbedingungen

Die Regierung wischt die Vorwürfe beiseite. Es gebe eine Klima-Anlage und Notstromgeneratoren, erklärt US-Präsident Trump bei einem Rundgang kurz vor der Eröffnung. Außerdem drei warme Mahlzeiten pro Tag und rund um die Uhr eine medizinische Versorgung. "Die Haftanstalt umfasst mehr als 15.000 Quadratmeter Wohnraum und besteht aus Aluminiumzelten, die für Windstärken von 180 Kilometern pro Stunde ausgelegt sind – falls Sie glauben, dass wir das nicht berücksichtigen", sagt Kevin Guthrie vom Florida Division of Emergency Management auf einer Pressekonferenz.
Wir wollen uns selbst ein Bild machen – und fahren zum streng bewachten Eingang von "Alligator Alcatraz". Auf halbem Weg müssen wir an einem militärischen Checkpoint stoppen. "Guten Tag, wir sind ein Fernsehteam aus Deutschland und würden uns gerne ein wenig umschauen!" Die Antwort: eindeutig – und ablehnend. Wir müssen wieder umdrehen. Vor dem Eingang treffen wir Anwältin Katie Blankenship. Sie vertritt fünf der aktuell rund 750 Insassen – und erhebt schwere Vorwürfe gegen "Alligator Alcatraz": "Sie bekommen eine Mahlzeit am Tag. Überall in der Einrichtung wimmelt es von Ungeziefer. Es gibt Überschwemmungen, ihnen wird die medizinische Versorgung verweigert. Die Bedingungen scheinen tatsächlich schrecklich zu sein. Es klingt, als seien die Menschen wirklich von Tod und Krankheit bedroht."
Medienberichten: Ein Drittel der Insassen unschuldig
Medienberichten zufolge hat sich ein Drittel der Insassen nichts zuschulden kommen lassen – außer irgendwann mal illegal über die Grenze gekommen zu sein. Ein weiteres Drittel habe tatsächlich Straftaten verübt, darunter Verkehrsdelikte. "Die Vorstellung, dass es sich um ein Hochsicherheitsgefängnis für die Schlimmsten der Schlimmen handelt, ist eine Lüge und gefährliche Propaganda", sagt Anwältin Blankenship. Das gilt auch für die Behauptung, dass die Alligatoren der Everglades Menschen jagen. Das Gegenteil ist der Fall. Menschen jagen hier Alligatoren.
450 Millionen Dollar soll der Betrieb von "Alligator Alcatraz" pro Jahr kosten. Viel Geld, dass Betty Osceola lieber in den Schutz der Everglades investieren würde. Täglich betet sie für deren bessere Zukunft – an einem idyllischen Tümpel direkt neben der Zufahrtstraße der Haftanstalt: "Dieser Ort schreit nach Hilfe – wegen dem, was nebenan passiert. Er wird angegriffen. Er fühlt sich bedroht." Sie verstehe, dass die Regierung etwas gegen illegale Einwanderung tun wolle. Nur nicht so. Es brauche eindeutigere Regeln und Abläufe, aber auch Bleibeperspektiven – für diejenigen, die seit Jahren genau darauf warten. "Die Leute sind empört, weil sie sich Sorgen machen. Sie haben immer noch das Gefühl, dass Menschen auch wie Menschen behandelt werden müssen. Es muss einen Prozess geben, der auf humane Art und Weise durchgeführt wird. Es muss einen Weg nach vorne geben." Den wünscht sie sich auch für die Everglades – ihre Heimat, den heiligen Ort.
Autor: Torben Börgers, ARD-Studio Washington D.C
Stand: 20.07.2025 22:38 Uhr
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