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USA: New York – Stadtflucht oder das neue Landleben

PlaySpaziergänger mit Maske vor der Silhouette von New York
New York: Stadtflucht oder das neue Landleben | Bild: dpa / picture-alliance

Der New Yorker schwört traditionell auf seine Stadt, den Trubel und das Essen vom Take-away um die Ecke. Mit Corona ändert sich das – die New Yorker entdecken die Provinz. Homeoffice und Corona-Angst treiben immer Menschen aufs Land. Und sie entdecken dort eine Lebensqualität, die sie bisher nur aus Filmen kannten.

Raus aus New York – zurück zur Natur

Das Leben in New York nimmt wieder Fahrt auf, Hektik, schlechte Luft, Verkehrschaos und dann auch noch die Aussicht auf eine zweite Corona-Welle. Hunderttausende verlassen die Stadt, nichts wie weg. Bill und seine Tochter Ines sammeln Holz für ein Lagerfeuer. 160 km entfernt von ihrem Apartment im New Yorker Stadtteil Brooklyn. Sie wollen zurück zur Natur – ganz ökologisch. "Es ist einfach über Nachhaltigkeit zu sprechen und darüber wie wichtig die Natur ist, aber es ist etwas anderes, wirklich so zu leben und zu versuchen ein wenig mehr mit der Natur zu leben". Für seine kleine Tochter Ines ist der Wald voller Wunder und Entdeckungen. Brooklyn hat dagegen keine Chance. "Ich wusste nicht, dass Füchse Pilze fressen, auch wenn mein Vater das im Handy nachsehen kann. Wir haben einen Fuchsbau gefunden und angeknabberte Giftpilze.

Hochhäuser in New York
Hunderttausende verlassen New York | Bild: SWR

Vom Büro zur Motorsäge und auf die eigenen 12 Hektar Land, ein Traum, den sich nicht viele leisten können. Der Industriedesigner Bill holt sich auf seinem Anwesen Anregungen für seine Designfirma, die er derzeit remote leitet. Corona gab den letzten Anstoß für die Flucht aufs Land. "Wir haben fast 20 Jahre in der Stadt gelebt, langsam kam der Burnout, der mit dem Druck von New York City einhergeht. Wir hoffen, wir können hier entschleunigen und uns mehr auf die Kinder und ihre Bildung konzentrieren."

Corona-Flüchtlinge aus New York als Chance für die Provinz

Die nächste größere Stadt liegt am Ufer des Hudson. Das liberale Kingston war einst der Produktionsort von IBM, dann ging die Firma und mit ihr die Jobs. Jetzt erlebt der Ort dank Corona einen unverhofften Aufschwung und die Häuserpreise explodieren. "Wenn ein gutes Haus auf den Markt kommt, dauert es in ein oder zwei Stunden höchstens einem Tag bis die Angebote einlaufen", erklärt Immobilienmakler Richard Stoll. "Und normalerweise ist es an einem Tag oder einem Wochenende verkauft – weit über dem Marktpreis." Die Mieten gehen hoch, Supermärkte verändern ihr Angebot und Restaurants ihr Menü, um sich an die anspruchsvollen neuen Kunden aus New York anzupassen.

Häuser in Kingston
Immobilien sind in Kingston schnell verkauft  | Bild: SWR

Der Einfluss der City-Bürger verändert vieles. "Nach dem 11. September haben wir zuletzt so eine Welle gesehen, einen Anstieg neuer Leute, die uns geholfen haben zu wachsen und vielfältiger zu werden", so Pat Ryan. Der Chef des Landkreises sieht darin sogar eine politische Chance – immer mehr progressive New Yorker kommen hierher und sie wählen überwiegend demokratisch. "Mein großes Ziel ist es, hier lokal einen Green New Deal umzusetzen, bei dem wir die Umwelt schützen und gutbezahlte grüne Jobs schaffen. Das ist ein großer Anziehungspunkt."

Immobilienpreise in der Provinz steigen

Kurz bevor die grünen Hügel des Hudson Valley von den New Yorker Corona-Flüchtlingen gestürmt wurden, hatten Bill und seine Frau Maria-Christiana ihr Haus im Wald gekauft. Gedacht war es als Wochenendresidenz, erst viel später sollte es Dauerwohnsitz werden. Sie wollten schon immer nachhaltiger leben. Aber dann kam Corona. "Das hat unsere Entscheidung beschleunigt. Es zwingt uns zur Anpassung und wir müssen die Veränderungen akzeptieren. Das ist nicht leicht, aber wir müssen darüber reden, was hier gerade passiert. Und es geht nicht mehr nur um den Klimawandel in einer fernen Zukunft. Das alles passiert jetzt."

vater kind
Bill und seine Tochter Ines genießen die Natur  | Bild: SWR

Jazz auf dem Wochenmarkt, die New Yorker fühlen sich in Kingston wie zuhause. Nicht nur Bill und Marias Familie sind jetzt hier, sondern es scheint als sei halb Brooklyn hierher gezogen. "Ich nenne sie Corona-Flüchtlinge, es ist eine Welle, die da plötzlich angekommen ist. Gut fürs Geschäft." sagt ein Händler auf dem Markt. Und eine Frau meint: "Wenn Familien komme, das wäre großartig. Unser Schulen haben immer weniger Kinder. Wenn wir mehr Familien und Kinder haben entsteht Gemeinwesen."

Noch kostet ein kinderfreundliches Haus mit Garten in Kingston nicht mehr als eine 2-Zimmer-Wohnung in Manhattan. Aber die Immobilienpreise hier steigen schneller als die Infektionszahlen in New York. In beiden Fällen ist ein Ende nicht in Sicht.

Christiane Meier, ARD-Studio New York

Stand: 13.10.2020 12:47 Uhr

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