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Peru: Boom beim Blaubeer-Anbau

PlayFrau erntet Blaubeeren
Peru: Boom beim Blaubeer-Anbau | Bild: SWR

Blaubeeren wo sich früher Wüste und Sand ausbreiteten

Reyna Espinoza war lange arbeitslos. Aber jetzt hat die 41jährige morgens um 06.00 Uhr nur wenig Zeit mit ihrer Familie, weil sie zu ihrem neuen Job aufbricht. "Nirgends gibt es eine bessere Arbeit als auf dem Blaubeerfeld. Dort benötigen sie jede Woche Arbeiter und es ist nicht so anstrengend. Außerdem zahlen sie gut." Pro Monat verdient Reyna umgerechnet 360 Euro. Das sei in Peru kein schlechtes Einkommen, sagt sie. In dieser staubtrockenen Wüste wachsen die Blaubeeren. Sie stammen nicht von hier. Doch in Europa wollen die Menschen auch im Herbst und Winter Blaubeeren essen. Also werden in Peru die Hänge vollgepflanzt.

Feld mit Blaubeeren
Drei Millionen Sträucher müssen abgeerntet werden | Bild: SWR

Diese Felder sind vor zwei Jahren entstanden. 1.500 Saison-Arbeiter ernten mehr als drei Millionen Sträucher ab. Sie wachsen hier in Plastiksäcken mit Humus, weil auf dem kargen Wüstenboden nichts gedeihen würde. Andere Plantagen behandeln die Böden mit Schwefel. Senken so den PH-Wert, denn Beeren lieben es sauer. In der künstlich angelegten Blaubeer-Welt ist Reyna als Vorarbeiterin für die Qualität der Ernte verantwortlich. "Ihr müsst euch vorstellen, genau hier war bis vor zwei Jahren nichts als Wüste und Sand. Und heute ernten wir schon so viele Tonnen Blaubeeren. Das ist klasse."

Ökologische Folgen des Blaubeer-Booms

Die Blaubeere gilt längst als Super-Food. Reich an Fruchtsäuren und Vitaminen. Wenig Zucker, keine Kerne und sogar gegen Krebs soll sie helfen. Peru ist wie aus dem Nichts zum weltweiten größten Exporteur aufgestiegen. Das Wüstenklima garantiert satte Ernten, aber gegen Schmetterlinge und Pilze muss gespritzt werden. Schonend, versichert der Betriebsleiter. "Wenn wir alle ökologischen Maßnahmen durchgeführt haben und es noch immer Insekten und Krankheiten gibt, müssen wir solche Pestizide nutzen, die in Peru und im Empfängerland zugelassen sind", so Manuel Polar von der Firma Inka’s Berries.

Hand pflückt Blaubeeren
Teilweise müssen auch Pestizide eingesetzt werden | Bild: SWR

Und da ist das Problem mit dem Wasser. Noch gibt es genug Schmelzwasser, aber schon in ein paar Jahren soll die Anbaufläche dreimal so groß sein. Was dann? Am Rand der Wüste mussten bereits Staudämme gebaut werden. Das Wasser wird durch Tunnel umgeleitet, statt ins Amazonas-Becken fließt es auf die Pazifik-Seite der Anden. Dorthin, wo die Blaubeer-Plantagen wachsen. Noch sind die Folgen unklar. Der Boom ist zu neu. "Um beim Export international wettbewerbsfähig zu sein, müssen wir Peruaner weitere große Agrarflächen schaffen und wachsen", meint Manuel Polar. "Dafür benötigen wir neue Wasserinfrastrukturprojekte."

Arbeitsplätze contra Umweltschutz

Alles ist auf Wachstum getrimmt. Anders als unsere heimischen Heidelbeeren sind die peruanischen Blaubeeren hochpotente Zuchtpflanzen. Per Kreuzung sollen sie künftig noch mehr Ertrag abwerfen. Diese neue Sorte haben sie "Matías" getauft. Sie trägt noch mehr, noch prallere Beeren und soll demnächst deutsche Supermärkte erobern. "Wir reagieren damit auf die Nachfrage in Europa", sagt Ricardo Sumar von der Firma "Inka’s Berries”. "Die Konsumenten dort fordern eine bessere Qualität. Dickere feste Beeren, die die lange Schiffsreise gut überstehen und die man dann zu Hause noch im Kühlschrank aufbewahren kann. Außerdem sollen sie schön blau-weiß glänzen."

Blaubeeren auf Transportband bei Weiterverarbeitung
Nach drei Wochen sind die Blaubeeren in Deutschland | Bild: SWR

Damit sie so ankommen, müssen die Beeren oft mit Pilzgiften behandelt werden, dann geht es um den halben Globus. Drei Wochen auf dem Kühlschiff. Jeder der 10.000 Kilometer nach Deutschland vergrößert den CO2-Abdruck. Immerhin ist der Schiffstransport besser, als wenn sie eingeflogen würden. Unterdessen entstehen in Peru immer neue Plantagen. Bei Bürgermeister Juan Carlos Lopez geht es in wenigen Monaten los. Ja, er sorge sich einerseits um die Wasserversorgung. Aber er hofft andererseits auf 3.000 neue Arbeitsplätze. "Wenn die Blaubeeren hier wachsen, werden wir aus dem Staunen nicht mehr herauskommen", meint Juan Carlos Lopez, Präsident der Comunidad Chambara. "Für unsere arme gebeutelte Gemeinde wird damit ein Traum war." Sie alle treibt die Hoffnung auf ein bisschen Wohlstand an. Dank der Blaubeeren aus der Steinwüste, dem Superfood für die Supermärkte im fernen Europa, aber mit Folgen für die Natur in Peru.

Autoren: Matthias Ebert, Marie-Kristin Boese

Stand: 15.11.2021 11:56 Uhr

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