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USA: Klein-Mogadischu in Minneapolis

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USA: Klein-Mogadischu in Minneapolis | Bild: SWR

Kenias Außenministerin gab den Hinweis: Waren US-Bürger unter den Angreifern auf das Einkaufszentrum in Nairobi? US-Bürger mit somalischen Wurzeln aus Minnesota? Viele Somalier, die vor dem Bürgerkrieg in den neunziger Jahren flüchten konnten, leben in den USA; die größte Gemeinde in Minneapolis. Immer wieder verschwinden von dort junge Männer. Hier werde Nachwuchs für die Al-Shabaab-Miliz rekrutiert, sagt das FBI. Dies bedeute eine der größten Gefahren für die USA seit dem 11. September, meinen Geheimdienstexperten. Wie Al-Shabaab Nachwuchs rekrutiert – eine Spurensuche.

Marion Schmickler, ARD Washington

Frauen an Tisch
Nirgendwo in den USA leben mehr Somalier als in Minneapolis | Bild: SWR

"Wir sind gute Amerikaner“. Fast trotzig halten die Mütter ihre Botschaft in die Kameras aus der ganzen Welt. Der Anschlag in Nairobi hat alte Wunden aufgerissen. War einer ihrer Söhne unter den Angreifern, einer der Teenager, die Al-Shabaab nach Somalia gelockt hat? „Das erste, was ich gehört habe, war, dass einige dieser Terroristen hier aus Minnesota kamen. Aber solche Kriminellen haben keine Nationalität, keine Religion. Lasst uns zusammenstehen – gegen diese Kriminellen.“

Abdirizak Bihi würde es nicht wundern, wenn tatsächlich einer der Attentäter von Nairobi Amerikaner wäre. Al Shabaab hat zwar auch Jugendliche aus anderen Ländern zu Terroristen ausgebildet, die Selbstmordattentäter kamen bisher aber nur aus Amerika. „Wir haben das Problem schon früh erkannt, versucht, es zu bekämpfen. Das ist eine nationale und internationale Angelegenheit. Aber keiner hat uns geholfen. Wir haben es satt, immer nur in die Negativ-Schlagzeilen zu geraten.“

Nirgendwo in Amerika leben mehr Somalier als in Minneapolis. Viel Beton, wenig Licht – aber ein sicheres Zuhause für die vielen Bürgerkriegsflüchtlinge. Ausgerechnet hier verschwanden mindestens 26 junge Männer, radikalisiert von Al-Shabab. Bihis Neffe Burhan, einer von ihnen. Nach Harvard wollte er, Arzt werden,  erzählte uns Bihi vor zwei Jahren, als wir ihn um ersten Mal trafen. „Der hier und diese beiden werden auch vermisst.“ Burhans Familie bekam Besuch von Moscheemitarbeitern – und die üblichen Anweisungen.  „Euer Sohn hat größere Chancen, wenn ihr schweigt. Wenn ihr zur Polizei geht, dann gilt er als Terrorist – und wenn er zurückkommt, landet er in Guantanamo.“

Betende in Moschee
Viele Muslime haben sich von Al-Shabab abgewandt | Bild: SWR

Freitagsgebet, das erste nach dem Anschlag in Nairobi. Der Imam hat uns eingeladen, zu drehen. Vor zwei Jahren undenkbar. Damals standen einige der Moscheen im Verdacht, Jugendliche zu radikalisieren und für Al-Shabab anzuwerben.  Doch seitdem die Widerstandsbewegung zur Terrororganisation geworden ist, haben sich viele Muslime abgewandt. „Wer sich selbst in die Luft sprengt, wird das in der Hölle immer wieder erleben“, sagt Abdi Omar, Imam der Dar al-Hijrah-Moschee. „Bis die Strafe gesühnt ist. Terrororganisationen wie Al-Shabaab oder Al-Kaeda sind die Feinde der Somalier, des Islam und der ganzen Menschheit.“

Frauen
Mütter haben Angst, daß ihre Söhne von der Al-Shabaab-Miliz rekrutiert werden  | Bild: SWR

„Das ist die Geschichte der Märtyrer aus Minnesota“. Dieses Video hat Al-Shabaab kurz vor dem Anschlag von Nairobi ins Netz gestellt. Ein professionell gemachter Film über drei Jugendliche aus Minneapolis. Einer von ihnen verschwand in derselben Nacht wie Burhan. „Das ist das wahre Disneyland. Ihr solltet auch kommen, wir haben hier Riesenspaß.“ „Wir haben vor nichts Angst. Wenn wir sterben, dann kommen wir ins Paradies.“ Keiner der Kämpfer hat den heiligen Krieg überlebt, auch Bihis Neffe nicht. Schaurig die Bilder, mit denen Al Shabaab neue Rekruten aus Minnesota anwerben will. Die Terrororganisation nutzt vor allem das Internet, um amerikanische Jugendliche zu überzeugen. Doch seitdem Polizei und Moscheen enger zusammen arbeiten, verfängt die Botschaft seltener. „Sie sind weiter aktiv, aber anders als früher“, erklärt Abdirizak Bihi. “Damals waren sie somalischen Fernsehen, haben in offen für den Jihaad geworben. Jetzt gehen sie von Tür zu Tür. Sie sind vorsichtiger geworden.“ Und doch sollen erst Anfang September zwei junge Männer verschwunden sein. Auch deshalb lassen die Mütter ihre Kinder nicht aus den Augen. Sie wissen: Jeder Jugendliche, der in die Fänge von Al-Shabaab gerät, könnte eine Katastrophe auslösen.

Stand: 15.04.2014 11:00 Uhr

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