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Syrien: Krieg im Norden?

Zwei Soldaten in einer wüstenartigen Landschaft mit Fahrzeugen im Hintergrund
Kurdische Soldaten in der Nähe von Manbidsch, Syrien | Bild: picture alliance / AA | Samer Uveyd

Ghazi Nimr hat gut verdient über die Jahre mit seiner kleinen Fabrik für Plastiktüten. Das ist jetzt vorbei. Die Anlage will er stilllegen und abtransportieren. Die meisten Tüten haben seine Mitarbeiter schon an einen sicheren Ort außerhalb der Stadt gefahren. Wieder muss der 35-jährige Unternehmer fliehen, so wie 2013 vor dem Bürgerkrieg in Aleppo, 2014 vor der Terrormiliz IS, jetzt vor türkeinahen Milizen aus Manbidsch.

Wieder flüchten?

Viele kehren der Wirtschaftsmetropole den Rücken. Geschäfte und Fabriken schließen. Manbidsch könnte es als erstes treffen, wenn der türkische Präsident Erdogan eine neue Offensive befiehlt. Die Grenzstadt ist das Herz der kurdischen Selbstverwaltung in Nordsyrien. 1,5 Millionen Menschen leben hier. Nach dem Ende der IS-Herrschaft 2016 blühte der Handel auf. Nun geht die Angst um vor einem neuen Krieg.

Im Norden von Manbidsch sammeln sich syrische Kämpfer. Das Gebiet steht unter türkischer Kontrolle. Seit Monaten schon bereiten sie sich auf den Krieg gegen die Kurden vor. Sie gelten als Islamisten, zeigen sich entschlossen zum Kampf.

Muhammad Shobak, Kämpfer "Nationale Armee": “Wir haben an einer ganzen Reihe Waffen trainiert, Kalaschnikows, Doschkas, alle möglichen Maschinengewehre. Auch ein Fitness-Training haben wir absolviert. Außerdem waren wir im Koranunterricht und haben taktische Einsatzplanung gelernt. Auf allen Ebenen haben wir trainiert und machen das auch weiter.“

80.000 Söldner sollen es sein, ausgebildet von der Türkei und mit schweren Waffen ausgestattet. Sie hören auf den Befehl des türkischen Präsidenten Erdogan, sollen die kurdischen Kämpfer aus der Grenzregion vertreiben, dort Millionen syrische Flüchtlinge ansiedeln. Wann die Offensive beginnt, ist unklar. Die USA und auch Russland haben Bedenken angemeldet.

Flucht auch für die Flüchtlinge?

Es wäre eine Hiobsbotschaft für Millionen Flüchtlinge in Nordsyrien. In Camps wie diesem bei Manbidsch leben sie dicht gedrängt in Armut, aber relativer Sicherheit. Viele wurden im syrischen Bürgerkrieg mehrfach vertrieben, hofften hier auf eine sichere Bleibe.

Kurdische Kämpfer wollen sich Erdogans Truppen entgegenstellen, auch wenn sie ihnen letztlich hoffnungslos unterlegen sind. Sie rechnen mit einem verlustreichen Krieg. Schon jetzt stehen sie immer wieder unter Beschuss von der anderen Seite der Front.

Den so genannten Islamischen Staat haben sie in der Region mit Hilfe der USA niedergerungen. Tausende kurdische Kämpfer starben. Aus dem Untergrund aber terrorisieren die IS-Kämpfer die Bevölkerung weiter. Ein türkischer Angriff würde der Terrormiliz deshalb in die Hände spielen, glaubt Sherfan Darwish von der kurdischen Selbstverwaltung: "Wir beobachten die IS-Terrorzellen. Aber unsere Priorität ist es, unser Volk zu schützen, unsere Heimat zu verteidigen. Der Kampf gegen den IS wird dann zur Nebensache. Die Terrormiliz wird der größte Profiteur dieser Situation sein."

Autor: Daniel Hechler, ARD Kairo

Stand: 04.07.2022 12:49 Uhr

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