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Syrien: "Goldgräberstimmung" nach dem Ende der Sanktionen

Männer an Bankschalter
Die Aussichten für Geschäfte sind in Syrien wieder ganz gut | Bild: SWR

Es war ein Startschuss für viele, als die EU die Wirtschaftssanktionen gegen Syrien aufhob. Seitdem darf wieder offiziell mit Firmen im Land Handel getrieben und Geschäfte gemacht werden. Khaled Jasem Alfayad hat die letzten Jahre in Dubai verbracht, nun ist er in sein Heimatland zurückgekehrt, um ein altes Ausflugslokal zu einer modernen Eventlocation umzubauen. Alfayad ist überzeugt: Schon bald werden hier Rückkehrer:innen aus aller Welt ein neues, freies Syrien feiern. Bis dahin muss der Geschäftsmann Lösungen für das marode syrische Stromsystem und schleppend anlaufende Bauarbeiten finden.

Rückkehr und Neuanfang in Syrien

Baustellenabnahme am Stadtrand von Damaskus. Khaled Jasem Alfayad ist ungeduldig, möchte wissen, ob die Terrasse seines Restaurants bald fertig ist. "Wie lange brauchst du, bis der Boden hier und dort drüben versiegelt ist?" "Vier Tage" … "Vier Tage?" …  "Maximum fünf." Erst im Januar ist Alfayad aus Dubai nach Damaskus zurückgekehrt. Die letzten sechs Jahre hat er in den Vereinigten Arabischen Emiraten gelebt. Dort habe er es als Geschäftsmann einfacher gehabt als unter Assad, sagt er. Nun, da Assad weg ist, hat er ein leerstehendes Restaurant gekauft.

Hände halten Handy
So soll das Restaurant einmal aussehen | Bild: SWR

Es ist ein Neuanfang und, so hofft er, der Startschuss eines lukrativen Investments. Alfayad möchte das Konzept des Restaurants komplett verändern. Statt traditionellem Design will er Marmor, helle Räume und Pflanzen. "Da drüben soll ein Grill- und Pastastand hin." Der Restaurantbesuch soll hier bald zu einem "happening" werden. Eine offene Küche die Attraktion. "Die Idee, das Essen vor den Augen der Kunden zu zubereiten ist neu in Syrien. Eine schöne Idee, finde ich. Das habe ich in Dubai und in Jordanien gesehen."  

Seit der Aufhebung der Wirtschaftssanktionen gegen Syrien, herrscht dort eine Art Goldgräberstimmung. Jetzt, wo der Handel mit dem Ausland wieder möglich ist, glauben viele an den wirtschaftlichen Aufschwung. Gerade Exil-Syrerinnen und Syrer zieht es zurück in ihre Heimat. Dort kaufen sie leerstehende Geschäftsräume günstig auf und bereiten sie für jenen Moment vor, in dem Touristinnen und Touristen wieder kommen. "Mein Mann und ich suchen zurzeit nach Wegen, um nach Syrien zurückzukehren", erzählt Rana Muradi. "Neben dem Job ist Geld natürlich der hauptausschlaggenbende Punkt."

Herausforderung Stromversorgung

Bislang steht die Wiederanbindung Syriens an das internationale Bankensystem noch aus. Noch sind Überweisungen und Zahlungen mit ausländischen Bankkarten nicht möglich. Auch für Restaurantbesitzer Alfayad ist das eine Herausforderung. Schließlich muss er seine Arbeiter und die Baumaterialien bezahlen. "Im Moment verlasse ich mich auf Freunde in Dubai und Jordanien, die persönlich Geld herbringen. Aber bald wird das Swift-Zahlungssystem ja wieder eingeführt, das wird dann Vieles leichter machen."  Und noch ein weiteres Problem bremst Alfayad’s Vorhaben. Auf der Baustelle ist der Strom ausgefallen, der 45-Jährige und einer seiner Arbeiter versuchen herauszufinden, warum der Generator nicht einspringt.

Zwei Techniker bei Wartungsarbeiten an Gerät
Die Techniker haben alle Hände voll zu tun  | Bild: SWR

Die Stromversorgung – sie ist auch im neuen Syrien noch immer eine Herausforderung. Jahrzehnte des Mangels und der Misswirtschaft haben eine marode Infrastruktur hinterlassen. Deutlich wird das auch in Deir Ali, dem größten Stromkraftwerk des Landes, rund 40 Kilometer südlich von Damaskus. Würden die Turbinen von Siemens hier wieder auf voller Kapazität laufen, könnten Syrerinnen und Syrer wieder rund um die Uhr das Licht anmachen und Restaurantbesitzer ihren Kühlschrank laufen lassen. Doch wegen der Sanktionen durfte Siemens in den letzten Jahren keine Wartungen durchführen, erklärt Direktor Hassan Alkalsh. "Das Kraftwerk hat eine Gesamtleistung von 1.500 Megawatt, derzeit arbeitet es aber nur mit 600 Megawatt, da das erforderliche Gas nicht verfügbar ist und uns Ersatzteile fehlen" 

Nach Aufhebung der Sanktionen: es kommen wieder Ersatzteile

2012 wurde die Anlage zum letzten Mal durch den deutschen Konzern gewartet, seitdem sind die Ingenieure hier auf sich allein gestellt. Für Mohammad Al Naser Abdel Alrahim, Leiter der Wartungsarbeiten, beginnt auch diese Schicht wieder mit einem Problem. Im Kontrollraum wurde ein Störsignal gemeldet. Der Ingenieur greift zum Spannungsprüfer. "Es gab ein Problem mit dem Ventil. Das Signal zum Schließen, das an das Steuerungssystem gesendet werden sollte, kam nicht an. Wir haben das Ventil aufgemacht, es hat nur ein bisschen geklemmt, aber die Platine an sich funktioniert."

Dieses Mal also Entwarnung. Doch schon allzu oft mussten die Ingenieure richtig kreativ werden. Die Pumpe eine Halle weiter erreicht nicht mehr den nötigen Druck. Aufgestellte Ventilatoren sollen verhindern, dass die Maschinen überhitzen. Andere Teile wiederum konnten die Ingenieure in der Werkstatt selbst reparieren. "Wir arbeiten rund um die Uhr. Manchmal werden wir sogar nachts bei Störungen angerufen. Wir schicken dann sofort ein Team los, da jede Bewegung gefährlich werden kann." 

Geschäftsmann Khaled Jasem Alfayad
Khaled Jasem Alfayad möchte ein Restaurant eröffnen | Bild: SWR

Mit dem Wegfall der Sanktionen darf Siemens dem Werk nun wieder Ersatzteile liefern. Ein Besuch mit Bestandsaufnahme ist für September geplant. Danach könnte das Kraftwerk schrittweise seine Leistung erhöhen. So lange möchte Unternehmer Khaled Jasem Alfayad nicht warten. Er möchte so schnell wie möglich eröffnen. Statt auf die Stromversorgung vom Staat zu warten, wird er sein Lokal mit Solarstrom betreiben. "Ich wünsche mir, dass mein Restaurant schon bald der Ort wird, an dem Syrerinnen und Syrer ihre neugewonnene Freiheit feiern können." "Die grüne Insel" will Alfayat sein Lokal nennen – vielleicht steht dieser Name auch für seine persönliche Hoffnung, dass sich Syrien trotz aller Widerstände in eine Oase für Unternehmer verwandelt.  

Autorin: Stella Männer, ARD-Studio Kairo

Stand: 22.06.2025 22:03 Uhr

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