So., 22.06.25 | 18:30 Uhr
Das Erste
Israel: Geeint im Kampf gegen den Iran?
Nach den Angriffen auf den Iran sind viele Kritiker der israelischen Regierung verstummt. Die Zustimmung zum Krieg ist unter jüdischen Israelis sehr groß. Doch es gibt auch andere Stimmen.
Iranisches Atomprogramm als Bedrohung
Meir Attami zeigt uns, wo die iranische Rakete eingeschlagen ist, direkt in die Schutzräume dieses Wohnhauses in Petach Tikva im Zentrum von Israel. Ein befreundetes Ehepaar von ihm wurde dabei getötet. "Yaakov und Dassi Bello waren gute Freunde von mir. Ich war bei der Einweihung ihrer Wohnung dabei, wir haben uns oft gegenseitig besucht, es tut weh." Trotzdem ist er der Meinung – die israelischen Angriffe im Iran sind richtig. "Wir müssen das zu einem Ende bringen. Wenn sie Atomwaffen herstellen, wird es Israel nicht mehr geben. Sie drohen damit immer wieder, uns blieb nichts anderes übrig." Greifbare Belege dafür, dass der Iran geplant habe, Atomwaffen herzustellen, habe man nicht, sagte der Direktor der Internationalen Atomenergiebehörde zuletzt. In Israel sehen die meisten Menschen das iranische Nuklearprogramm allerdings als existentielle Bedrohung, einer Umfrage zufolge befürworten mehr als 80 Prozent der jüdischen Israelis die Angriffe im Iran.

In arabischen Orten wie hier in Tamra im Norden von Israel sehen die Menschen das anders. Vor einer Woche schlug hier eine Rakete ein – tötete vier Frauen. Das Problem: in vielen arabischen Orten gibt es kaum öffentliche Bunker. Ilham Sammar hat wie viele hier auch keinen Schutzraum in ihrem Haus. "Wir haben dauernd Angst, meine Familie und ich, alle sind hier in Panik, besonders seitdem die Rakete eingeschlagen ist und die Frauen getötet hat." Laut Umfrage sind mehr als 60 Prozent der palästinensischen Israelis gegen die Angriffe im Iran. "Ich glaube nicht an Kriege, beide Seiten verlieren, keiner kann da gewinnen, Menschen werden auf beiden Seiten getötet, hier und dort haben Menschen Angst", sagt Mohammed Sammar.
Kritische Stimmen sind in der Minderheit
Tel Aviv, die deutsch-Israelin Sarah Levy ist vor sechs Jahren nach Israel gezogen, hat hier ihren Mann kennengelernt, eine Familie gegründet. Sie sorgt sich um die Sicherheit ihres Sohnes Oz. "Er hat Angst und ich sehe nicht, warum das jetzt passieren musste. Ich sehe nicht, dass diese Regierung das Interesse hat, diese Sache schnell zu Ende zu bringen. Und was heißt überhaupt zu Ende bringen? Was ist das Ende? Wir sind wieder im Ausnahmezustand. Wir sind wieder abgelenkt von den eigentlichen Problemen dieses Landes. Wir haben noch eine zweite Front, auf die jetzt keiner mehr schaut, wo Menschen täglich getötet werden."

Seitdem sie hier lebt, hat sich ihr Blick auf das Land sehr geändert. "Wenn ich heute daran zweifle, hier zu leben, sind es gar nicht so sehr die Kriege, sondern der Hass. Die Gesellschaft ist wahnsinnig gespalten. Die Gesellschaft ist an einem Punkt, wo wir rauskommen und mit unserem Nachbarn sprechen und er anfängt, Muslime und Araber in die Hölle zu wünschen und das ist normaler Smalltalk in unserer Nachbarschaft." Sie bereut es nicht, nach Israel gezogen zu sein, sagt Sarah Levy. Doch ob sie langfristig weiterhin hier leben will, weiß sie nicht. Sie gehört zu einer Minderheit in Israel – die meisten im Land stehen zumindest mit Blick auf die Angriffe im Iran hinter der Regierung Netanjahu.
Autorin: Sophie von der Tann
Stand: 23.06.2025 10:25 Uhr
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