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Ägypten - Plünderung der Königsgräber

Ein Ozean des Altertums!

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Ägypten - Plünderung der Königsgräber | Bild: WDR
Souvenir
Souvenir | Bild: WDR / WDR

Laut Chef-Archäologen Mansur sind im weltberühmten Tempel von Karnak erst wenige Prozent freigelegt. Das Erdreich steckt voller Überraschungen, die Grabungen werden noch Jahrzehnte dauern. Gerade erst restauriert: der Tempel des Ptah, Gott der Weltenschöpfung.

OT Mansur Boreik, Chef der Antikenbehörde, Oberägypten

»Wo immer du hier gräbst, findest du etwas Bedeutendes. Deshalb zieht Luxor so viele Archäologen an: hier zu graben, ist ein einziges Abenteuer. Immer entdeckt man etwas Neues, es hört nicht auf!«

Die Tempelanlagen von Karnak und Luxor: bis vor kurzem ein Magnet für Bildungsreisende aus der ganzen Welt. Tausende Übernachtungen pro Tag, über 80 Hotels - fast immer ausgebucht. Doch die Touristen haben Angst vorAusschreitungen und meiden Ägypten. Gähnende Leere in den pharaonischen Heiligtümern, für Luxor das größte Desaster seit Jahrzehnten. Die wenigen Touristen werden zu Opfern der arbeitslosen Souvenirverkäufer.

Eine ganze Region - finanziell am Abgrund.

Mustafa, Droschkenkutscher

»Keine Arbeit, gar nichts, meint Kutscher Mustafa, was sollen wir denn machen? Stehlen? Morden? Drogen verkaufen? Niemand hilft uns, und unsere Pferde brauchen jeden Tag für drei Euro Futter. Aber das Geld haben wir einfach nicht!«

Und dann reißt er uns einfach mit sich. Mustafa will uns zeigen, wie verzweifelt seine Nachbarn sind in den Vierteln, die Touristen niemals besuchen. Es stinkt nach Urin und nach Krankheiten, viele Kinder sind nackt, kaum eines hat Schuhe. 20 Menschen wohnen oft auf engstem Raum, und keiner weiß, womit er seine Familie durchbringen soll.

»Schau dir dieses Pferd hier an:«

sagt Mustafa aufgebracht:

»Es braucht jeden Tag sein Futter, sonst stirbt es nach zehn Tagen. Und hier die Hufe: total entzündet. Es wird bald sterben.«

Dutzende von Droschen am Ufer des Nil, eine zweihundert Meter lange Schlange der Verzweiflung.

Thomas Aders, ARD-Korrespondent Kairo

»Über 50 Pferde sind in Luxor bereits verendet, eine Folge der verheerenden Wirtschaftskrise in Ägypten, zweieinhalb Jahre nach der Revolution. Besonders hier in Oberägypten sind die Einbrüche bei den Touristenzahlen um 70, 80 und 90 Prozent die Regel, es gibt praktisch keine Arbeit mehr, und keinen Verdienst. Und so greifen immer mehr Menschen aus purer Verzweiflung zu der allerletzten Einnahmequelle. Sie ist geheim, sie ist illegal, und sie ist gefährlich: der Handel mit pharaonischen Altertümern.«

Wir drehen ab jetzt versteckt. Ein Informant will uns zu einem Händler für Altertümer fahren. Wir vergewissern uns, ob es sich auch wirklich um Originale handelt.

»Ich bring euch jetzt zu diesem Mann«

sagt der Fahrer

»und der verkauft ganz viel uraltes Zeug!«

Händler mit Tourist
Händler mit Tourist | Bild: WDR / WDR

Je näher wir dem Ort kommen, desto dunkler werden die Gassen. Unser Kutscher wird einsilbig, ihm ist seine Anspannung anzumerken. Schließlich erreichen wir einen Laden mit drei riesigen Verkaufsräumen. Cash oder Kreditkarte? Das ist die Frage zwischen Alabaster und Amun-Repliken, eine schlechter gemacht als die andere.

Es dauert über eine Stunde, bis der Verkäufer aus einem sicheren Versteck etwas holt: Kostproben seiner geheimen Ware.

Elf winzige Stücke, die meisten Skarabäen. Bis auf zwei scheinen sie uns echt zu sein. Alter: bis zu dreitausend Jahre.

OT Verkäufer

»2200 Euro für einen Skarabäus, das ist viel zu billig«

meint der Händler, den wir zu seinem Schutz unkenntlich machen,

»und eine echte Statue - in dieser Größe hier - kostet mindestens anderthalb Million Euro.«

Nun wollen wir sehen, woher die illegalen Zwischenhändler ihre Ware bekommen. Wir begeben uns auf die andere Seite des Nil, ins Totenreich der Pharaonen. Theben-West, Bestattungsort ganzer Herrscherdynastien. Überraschend, wie nahe die Privathäuser an den Fundstätten liegen. Viele sind auf ihnen gebaut!

Genau aus dieser Gegend – behauptet Experte Ahmed - kommt ein großer Teil der Altertümer. Und er zeigt uns seine allerbeste Fundstätte. Wir müssen uns beeilen, überall auf den Bergen stehen Wärter. Zielsicher hat Grabräuber Ahmed sein früheres El-Dorado gefunden: Statuen, Amulette, Goldmasken, alles aus diesem 100 Meter langen Tunnel.

Touristin mit Souvenirverkäufer
Touristin mit Souvenirverkäufer | Bild: WDR / WDR

Durch unsere immer besseren Kontakte wissen wir nun genau, wo wir suchen müssen. Ein Angebot folgt dem anderen. Wir werden mit angeblichen Antiquitäten geradezu überschüttet. Doch die Fundstücke, die man uns präsentiert, sind allesamt eher klein. Wir beschließen, noch einen Schritt weiter zugehen, und nach wirklich wertvollen Gegenständen zu fahnden. Wir haben uns deshalb mit einigen professionellen Händlern verabredet, in wenigen Minuten.

Thomas Aders

»Das ist ein wenig heikel, denn man hat uns sogar verboten, unser eigenes Auto mitzunehmen, aus Angst der Händler vor der Polizei. Nun müssen wir halt einfach zwei Dinge richtig machen – ich und Kameramann Jürgen -: wir müssen erstens unsere Rolle als Touristen überzeugend spielen, und zweitens, wir müssen unsere Kameras perfekt verstecken.«

Ein Transporter holt uns ab, wir wissen nicht, wohin es geht. Dann müssen wir in einer Wüste das Auto verlassen, eine Hügelkette überqueren und schließlich erreichen wir zu Fuß ein kleines Dorf. Acht Männer und Jugendliche sind versammelt, ein mulmiges Gefühl. Es ist so weit: Zuerst eine Schale, angeblich älter als 5000 Jahre. Und dann der Höhepunkt: 20 Kilo schwer, ein Relief, das wir beinahe eindeutig dem Dendera-Tempel zuordnen können, 80 Kilometer nördlich von Luxor. 18.000 Euro verlangen die Räuber, in Europa wäre das Stück möglicherweise knapp eine Million wert.

Dann werden wir sogar in das Privathaus eines Händlers geladen. Hier dürfen wir eine kleine, aber richtige Kamera benutzen, um seine Schätze zu zeigen. Und dann öffnet er seine Schatulle: eine Flut von Altertümern ergießt sich auf seine Sitzbank – Amulette, Portraits, Statuen in allen Größen, Ringe, Anhänger, Miniaturmumien, Grabmalereien. Es wird alles verkauft, was sich zu Geld machen lässt.

In der edlen Grabkammer Ramses des IV. im Tal der Könige wird einem wieder bewusst, wie groß durch den Grabraub der Verlust für Ägypten ist. Kunstschätze zum Schnäppchenpreis: 100 Euro oder weniger bekommt der Finder, 1000 der erste, 10.000 Euro der zweite Zwischenhändler und in Europa, Amerika und Asien sind sie dann Hunderttausende wert.

Eine Spirale, die zu einer Katastrophe führt: dem Ausverkauf einer der ältesten Hochkulturen der Welt.

Autor: Thomas Aders, ARD Studio Kairo

Stand: 15.04.2014 11:16 Uhr

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Westdeutscher Rundfunk
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