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Syrien: Der kalte Krieg um Syrien

Verhärtete Fronten der Großmächte

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Syrien: Der kalte Krieg um Syrien | Bild: WDR

"Obama, Hände weg von Syrien" rufen die Demonstranten. Am Wochenende der Entscheidung konnte der Präsident vom Fenster aus sehen, dass die Mehrheit der Amerikaner keinen neuen Militärschlag will. Auch Brock ist gekommen. Jung sieht er aus und doch weiß er nur zu gut, was Krieg bedeutet. Brock hat im Irak gekämpft. Die Beweise, gegen Assad überzeugen ihn nicht. Genauso wenig wie Obamas Versprechen, Syrien nur kurz mit Raketen anzugreifen.

"Selbst wenn mich die Beweise überzeugt hätten, ich bin gegen den Militärschlag. Auch wenn Assad für den Giftgasanschlag verantwortlich ist. Auch Bill Clinton hatte versprochen, keine Truppen in den Irak zu schicken, als er ihn Ende der 90er bombardieren lies. Ein paar Jahre später kämpften wir dort sehr wohl."

So sieht kein Oberbefehlshaber aus, der gerne in die Schlacht zieht. Nachdenklich, zögerlich, beinah unsicher treibt Obama die militärischen Vorbereitungen voran. Ganz anders als sein Vorgänger Bush. Die Militärs warnen eindringlich vor den unkalkulierbaren Folgen eines Angriffs. Und Obama ? Er will ohnehin in die Geschichte eingehen als der Präsident, der Kriege beendet, nicht beginnt.

Während auf allen US Kanälen seit Tagen die Kriegstrommeln schlagen, Experten stundenlang Szenarien durch spielen und die Zerstörer im östlichen Mittelmeer bereit stehen für den Angriff, betont der Präsident am Wochenende gleich mehrfach, wie ausgelaugt er angesichts eines neuen Militärschlags ist.

Obama am 30.8.2013

»Ich versichere Ihnen, niemand ist mehr kriegsmüde als ich. Aber mein Dilemma ist, dass viele Regierungen denken, hier muss gehandelt werden. Aber dann niemand handeln will. Das ist nicht das erste mal.«

Ina Ruck

Syrien könnte weiter nicht sein – diesen Eindruck zumindest vermittelte Präsident Putin letzte Woche. Er hatte andere Sorgen - unterwegs durch die Hochwassergebiete im fernem Osten. Seit einem Monat leidet Russland unter der Flut. Putin flog erst jetzt in die betroffenen Gebiete – ausgerechnet zum Höhepunkt der Syrienkrise.

Er besuchte Notunterkünfte, versprach den Flutopfern schnelle staatliche Hilfe. Mehr als Hunderttausend Menschen sind betroffen.

Und stauchte in altbekannter Manier Regionalpolitiker zusammen.

»Ich höre, die Menschen in den Lagern bekommen nur so eine Mehlpampe zu essen, wie im Knast? Muss ich Sie etwa erst selbst auf Knastnahrung setzen oder was? Sofort wird das geändert!«

Die Syrienpolitik überließ er seinem Außenministerium – an Russlands Haltung ändert sich ohnehin nichts. Der Kreml hat bislang jede UN-Resolution zu Syrien durch Veto blockiert. Und sieht sich doch mit der eigenen Machtlosigkeit konfrontiert: auch Putin kann den Militärschlag gegen Syrien nicht verhindern.

Russlands Position sei derzeit dennoch höchst komfortabel, erklärt uns ein einflussreicher Politologe.

Obama und Putin
Obama und Putin

Russland sieht doch genau, in welch dummer Position sich Obama befindet. In dieser Lage will man ihn möglichst lange halten – bevor er dann sowieso das tut, was er für richtig hält. Aus hiesiger Sicht kann es keinen guten Ausweg geben. Eine militärische Einmischung beendet den Krieg nicht – sie wird ihn im Gegenteil entfesseln.

(Lukjanow)

Gestern Abend dann äußerte Putin sich dann doch – und schien es beinahe zu genießen, seinen Amtskollegen in Washington ein wenig zu ärgern.

Ich wende mich an ihn nicht als Kollegen oder als Präsidenten, sondern als Friedensnobelpreisträger. Wie oft waren die USA Initiatoren von bewaffneten Konflikten? Afghanistan, Irak, Libanon – und wir haben dort weder Beruhigung, noch Demokratie.

Obamas Giftgasvorwurf an Assad nannte Putin gar „kompletten Unsinn “.

Tina Hassel

Eiszeit zwischen zwei Präsidenten , die unterschiedlicher kaum sein können. Schon die Körpersprache auf dem G8 Gipfel zeigt, wie unterkühlt das Verhältnis von Putin und Obama ist. Weil Russland mit seinem Veto jede politische Lösung in der UN blockiert, sieht sich erst Obama gezwungen, militärisch gegen Syrien vorzugehen.

Ungewöhnlich offen macht Obama seinem Unmut Luft, ausgerechnet in der Late Night Show von Jay Leno. Er habe Putin die Hand ausgestreckt, doch Moskau sei zurück gefallen in alte Zeiten der Blockpolitik.

Obama: (6.8.13)

»Es gibt natürlich noch eine Verhandlungsbasis mit den Russen, aber sie fallen zurück ins Denken des kalten Krieges«

Doch der Mann im Weißen Haus wirkt nicht als ob er bei diesem Kräftemessen den Druck bestimmt.

Die Amerikaner erleben ihren Präsidenten nicht treibend, sondern getrieben. Verheddert in der selbst gesetzten roten Linie, gefangen in Drohungen, denen keine Taten folgen.

Genüsslich werfen einflussreiche Republikaner Obama Führungsversagen vor.

O-Ton Mc Cain

»Wenn die USA jetzt nicht handeln, und zwar mit einer sehr deutlichen Antwort - ein paar Raketen auf Syrien abzuschießen reicht da nicht - dann ist unsere Glaubwürdigkeit endgültig verspielt. So wir überhaupt noch eine haben.«

Dass Obama die vielleicht wichtigste Entscheidung seiner 2. Amtszeit in die Hände des Kongresses legt ist mehr als riskant. Noch sind die Abgeordneten nicht überzeugt. Sollten sie ablehnen, droht ihm die selbe Niederlage wie seinem britischen Kollegen.

Fast befreit verkündet der Präsident die neue Marschroute. Seine Botschaft: ich könnte alleine, aber gemeinsam sind wir stärker:

Obama:

»Ich habe entschieden, dass die USA einen Militärschlag gegen Ziele des Assad Regimes durchführen sollten. Ich glaube aber seit langem, dass unsere Macht nicht nur in unserer militärischen Stärke liegt, sondern in dem Vorbild, eine Regierung des Volkes und für das Volk zu sein. Deshalb habe ich auch entschieden, vor einem Waffengang zunächst die Zustimmung der Abgeordneten im Kongress zu suchen.«

Ina Ruck

Putin braucht niemanden zu fragen. Anders als Obama hat er breite Zustimmung: Die Mehrheit der Russen ist gegen den Militärschlag.

Bei Moskau geht heute die große Luftfahrtmesse zu Ende – Die Leistungsschau der Rüstungsindustrie. Jahrzehntelang kauften auch die Syrer hier ein.

Moskau schickt auch heute noch Waffen nach Syrien – vor allem Munition und Ersatzteile. Ob auch mehr geliefert wird, ist unklar.

Bei der Messe kann man zumindest anschauen, was Assad bei den Russen alles bestellt hat:

Solche S300-Luftabwehrsysteme etwa, die modernsten und effektivsten der Welt. Ob sie bereits ausgeliefert sind, ist strittig – Experten halten dies jedoch für eher unwahrscheinlich.

Gestern hieß es aus Militärkreisen, wegen Zahlungsschwierigkeiten der Syrer seien manche Verträge auf Eis gelegt, auch die für solche Kampfbomber vom Typ Mig-29.

Das könnte bedeuten, dass auch Russland die Lage nicht eskalieren lassen will.

Putin
Putin

Russlands Position ist konsequent. Man kann sie unmoralisch nennen – oder im Gegenteil sehr vernünftig. Es geht Russland nicht darum, den Krieg in Syrien zu beenden. Es geht darum, nicht zu zuzulassen, dass das libysche Modell zur Norm wird: Dass also von aussen entschieden wird, welche Seite in einem Bürgerkrieg die gute ist. Und dass dann dieser Seite zur Macht verholfen wird. (Lukjanow)

Doch Russlands Kurs ist alles andere als eindeutig. Man ist einerseits strikt gegen jedes Eingreifen von außen – und mischt doch selbst durch Waffenlieferungen kräftig mit.

Am Donnerstag beginnt in Russland der G20-Gipfel. Vielleicht die allerletzte Chance für die Diplomatie. Wenn denn überhaupt noch irgendjemand zum Reden bereit ist.

Autorinnen: Tina Hassel , ARD Studio Washington und Ina Ruck, ARD Studio Moskau

Stand: 15.04.2014 11:06 Uhr

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