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Thailand: Parlamentswahlen – Hoffnung auf Opposition

Prayut Chan-o-Cha
Thailands Premier General Prayut Chan-o-Cha  | Bild: tagesschau.de

"Glaub an die Demokratie! Lass Deine Stimme klingen! Denk nach! Wir müssen Antworten auf das Regime finden!" Hockhacker ist einer von Thailands rebellischen Rappern. In seinen Songtexten ruft er zum friedlichen Widerstand gegen die Militärdiktatur auf. Und Stimmen wie seine werden in diesen Tagen immer lauter: "Ich hoffe, dass die Menschen endlich verstehen, was Demokratie wirklich bedeutet. Wir sind ein gespaltenes Land und haben da viel nachzuholen. Wir brauchen Meinungsfreiheit und die Toleranz, auch andere Meinungen zu akzeptieren", sagt der Musiker

Hockhacker – Rap gegen die Diktatur

Hockhacker
Hockhacker ist einer von Thailands rebellischen Rappern. | Bild: NDR

Gemeinsam mit anderen Rappern hat Hockhacker im Herbst ein Video produziert – den Rap gegen die Diktatur. Darin heißt es unter anderem: "Was ist mein Land? Das Land, das mir eine Knarre an die Kehle hält? Ein freies Land? Fickt Euch! Ich kann schweigen oder hinter Gittern verrotten." Für diesen Text wären sie bis vor Kurzem wahrscheinlich noch im Gefängnis gelandet. Doch ihr Song wird innerhalb von Stunden millionenfach in den sozialen Netzwerken geteilt. Diese Popularität hat die Macher wohl geschützt. Fast 60 Millionen Klicks hat der Song inzwischen. "Rap ist sehr populär in Thailand. Deshalb haben wir schon damit gerechnet, dass wir ungefähr eine Millionen Klicks in einem Monat bekommen könnten, aber was dann passierte, hat uns total umgehauen. Und es sagt so viel über die Stimmung im Land aus", erzählt Hockhacker.

Thailand im Griff der Militärs

Fünf Jahre waren in Bangkok, Thailands Zentrum der Macht, politische Versammlungen verboten. Am Wochenende dürfen die Thailänder zum ersten Mal wieder frei wählen und an vielen Orten ist eine leise Hoffnung auf Demokratie zu spüren. Sieben Millionen Erstwähler müssen ihre Stimme abgeben, in Thailand herrscht Wahlpflicht. Wieder und wieder haben die Generäle die Wahl verschoben und nebenbei ihre Macht erweitert. Der Chef der Junta, Prayut Chan-o-Cha, tritt selbst bei den Wahlen an. In Zivil lächelt er von den Plakaten, sieht sich als Garant für Stabilität und erinnert daran:
Straßenschlachten 2014 zwischen den Rothemden und Gelbhemden – also zwischen der armen Landbevölkerung und der städtischen Oberklasse. Mit dem Putsch ist das vorbei. Doch die Militärs machen das Volk mundtot und ändern das Wahlrecht zu ihren Gunsten. 

Kleine Zeichen der Rebellion

Plakat mit Junta-Chef Prayut Chan-o-Cha als Königin.
Junta-Chef Prayut Chan-o-Cha wird als Königin verspottet. | Bild: NDR

Doch nun gibt es kleine Zeichen der Rebellion in Bangkok. Widerstand gegen das Klima der Angst. Headache Stencil ist Graffiti Künstler. Mit seinen Werken will er den Generälen Kopfschmerzen bereiten. Sie entlarven. Er glaubt nicht daran, dass sich Thailand vom Griff der Militärs befreien kann: "Wenn sie Dir etwas anhängen wollen, dann schaffen sie es auch. Sie haben ein Internet-Gesetz gegen die Verbreitung von Falschinformationen erlassen und setzen es jetzt als Druckmittel gegen Kritiker ein. Wenn sie irgendein Problem mit Dir haben, dann finden sie damit immer irgendeinen Vorwand, Dich auszuschalten und hinter Gitter zu bringen." Damit er nicht verhaftet wird, sprüht er nur noch auf die Wände von Privathäusern – mit Erlaubnis. Er will uns zum Sprühen mitnehmen. Doch am Abend zuvor bekommt Headache einen Droh-Anruf der Polizei. Wir treffen ihn zu Hause. Von Angst will er nichts wissen, aber er sagt: Thailand ist das Land, wo immer noch Kritiker einfach so verschwinden oder ihre Leichen dann im Fluss treiben. "Wenn ich Teil des Spiels bleiben will, muss ich jetzt vorsichtig sein. Die Wahlen sind ja noch nicht die Lösung. Danach gibt es noch so viel für mich zu tun. Ich muss weitermachen. Wenn ich was bewegen will, muss ich mich für die Zeit danach weiter im Spiel halten", erklärt der Künstler.

Hoffnungsträger Juanggroongruangkit

Thanathorn Juanggroongruangkit
Thanathorn Juanggroongruangkit will mehr Transparenz in der Politik. | Bild: NDR

Mehr als sieben Millionen junge Thais dürfen zum ersten Mal wählen und Thanathorn Juanggroongruangkit ist ihr Star. Der Selfie-Kandidat der neu gegründeten Future Forward Party (Vorwärts in die Zukunft). Er ist Milliardärs-Sohn und Hoffnungsträger für alle, die die Spaltung der Gesellschaft satt haben. Der 40-Jährige will mehr Transparenz in der Politik, ist gegen Korruption und für einen Sozialstaat, der alle im Blick hat. Statt Rothemden gegen Gelbhemden, setzt er auf Orange als Symbolfarbe: "Wir müssen die Linie, die uns teilt, horizontal ziehen, nicht vertikal. Rot- und Gelbhemden müssen wieder miteinander reden. Sie müssen Vertrauen finden in einem parlamentarischen Prozess. Das Militär ist der Feind des Volkes. Das Volk muss sich zusammenschließen gegen das korrupte Regime. Das ist die neue Linie, die wir ziehen wollen." 

Zurück bei den Rappern. Pünktlich zum Wahltag machen sie mit einem neuen Video Druck gegen die Militärs. Die Rapper sind inzwischen zu bekannt, um noch Angst zu haben. "Es gibt viele Zweifel an diesen Wahlen, ja, aber am Ende ist es mir egal, wer in der Regierung sitzt. Das Wichtigste ist doch: Die Leute sind jetzt aufgewacht. Die lassen nicht mehr alles mit sich machen", sagt Hockhacker. "Ihr kontrolliert die Wahlen mit schmutzigen Tricks! Bringt Leute an die Macht, die Euch die Stiefel lecken", rappen sie. Der Song heißt: 250 Schleimscheißer und Arschkriecher.
Denn 250 Sitze im Parlament vergibt das Militär einfach so. Wahlen im Land des Lächelns, aber noch ist niemandem zum Lachen zumute.

Autorin: Sandra Ratzow, ARD Studio Singapur

Stand: 23.07.2019 14:12 Uhr

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