Fragen an die Redakteure dieses Projekts

Was soll der Film erzählen? Fragen an die verantwortlichen Redakteure dieses Projekts

Welche Geschichte soll dieser Film über Willy Brandt erzählen? Welche Schwerpunkte waren für Sie in der redaktionellen Betreuung wichtig?

Rolf Bergmann: Der Lebensweg von Willy Brandt ist unglaublich; man könnte fast meinen, er entstamme einem Roman über Deutschland und die Deutschen im 20. Jahrhundert. Von diesem Menschen mit seinen Brüchen und Widerspiegelungen zu erzählen, ist immer noch und immer wieder ein faszinierendes Unterfangen.

Beate Schlanstein: Willy Brandt hat mit seiner Politik Deutschlands Rolle in Europa auf die Zukunft ausgerichtet, auf Frieden und Solidarität. Mir gefällt an André Schäfers Film, dass er die großen Ideen Willy Brandts und die Geradlinigkeit und den Mut, sie durchzusetzen, deutlich macht – und dass gleichzeitig aus den Erinnerungen der engen Weggefährten eine große Nähe zum Menschen Willy Brandt entsteht.

Sabine Rollberg: Für ARTE und sein Publikum außerhalb Deutschlands war mir wichtig, Willy Brandt in seiner internationalen Dimension und in seiner Menschlichkeit zu zeigen, vor allem, seine Vision eines friedlichen Europas herauszuarbeiten.

Willy Brandt und Rainer Barzel
Moment mit großer Symbolik: Nach dem gescheiterten Misstrauensvotum gratuliert der Kanzlerkandidat der CDU/CSU-Fraktion, Rainer Barzel, Bundeskanzler Willy Brandt. | Bild: WDR/akg-images

Welchen Bezug haben Sie zu Willy Brandt?

Sabine Rollberg: Zwischen Abitur und Studium war ich durch glückliche Fügung fast ein Jahr lang in der Pressestelle des Bundeskanzleramtes in Bonn, damals ein winziger Drei-Personen-Betrieb. Mein Büro lag zwischen Günter Guillaume und Klaus Harpprecht. Ich habe Momente der Herzlichkeit und Nähe erleben dürfen, wie beim Betriebsausflug, als Willy Brandt Gitarre spielte. Das Kanzleramt war damals ein lebendiger Think Tank, der vor Begeisterung, mit Politik die deutsche Gesellschaft und unser Verhältnis zu unseren Nachbarländern verändern zu können, sprühte.

Rolf Bergmann: Brandt war "mein erster Kanzler": Als ich geboren wurde, hatte er gerade das Amt übernommen, als ich meinen ersten Geburtstag feierte, da kniete er in Warschau nieder. Erarbeitet habe ich mir Brandt erst in den 1980er- und 1990er-Jahren – aber anwesend war er für mich schon von klein auf.

Beate Schlanstein: Die Übertragung des Misstrauensvotums gegen Willy Brandt gehört für mich zu den frühen bewussten Fernseh-Erlebnissen, die mit Politik zu tun haben. Und ich erinnere mich gut daran, wie vehement an meiner Schule darüber diskutiert wurde, ob die "Willy wählen!"-Buttons im Unterricht getragen werden durften. Willy Brandt und seine Politik haben niemanden unberührt gelassen, das hat mich fasziniert.

Wie wichtig ist Willy Brandt heute?

Beate Schlanstein: Willy Brandt hatte einen sehr weitsichtigen politischen Entwurf und er ist seinen Zielen unbeirrbar und mit aller persönlichen Konsequenz gefolgt. Vieles davon ist Realität geworden und hat tatsächlich das Leben verändert. Ich finde, er ist in Zeiten von Politikverdrossenheit und Europamüdigkeit ein ungeheuer ermutigendes Vorbild.

Rolf Bergmann: Brandt steht für etwas. Insbesondere die mit ihm verbundene Ostpolitik war (nach Adenauers Westpolitik) richtungsweisend. Die Nachkriegsjahre sind mit "68" zu Ende gegangen – für die Zeit danach war Brandt das erste Gesicht. Politik kann was bewegen, Politiker können etwas bewegen. Daran glaube ich gerne – auch heute!

Sabine Rollberg: Er war ein Mann, der Menschen von seinen europäischen friedfertigen Zielen und von seinen Vorstellungen eines sozialen Miteinanders überzeugen und sie begeistern konnte, dafür aktiv zu werden. In André Schäfers Film heißt es, so ein Mensch fehlt heute.

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