Faktencheck zur Sendung vom 25.05.2025

Faktencheck zur Sendung vom 25.05.2025
Faktencheck zur Sendung vom 25.05.2025 | Bild: NDR/Claudius Pflug

Bei „Caren Miosga“ finden lebhafte Diskussionen statt, in denen die Gäste oft in schneller Abfolge verschiedenste Argumente, Statistiken und Zitate heranziehen. Es bleibt in einer Live-Talkshow nicht immer die Zeit und Möglichkeit, alle Wortbeiträge und Sachverhalte umfassend und abschließend zu klären. Die Redaktion bietet daher an dieser Stelle einen Faktencheck. Dieser dient nicht allein der Prüfung der Aussagen, sondern soll auch Hintergrundinformationen, aktuelle Entwicklungen und zusätzliche Perspektiven vermitteln.

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Arbeitszeit der Deutschen  

In Minute 23:36 sagt der Ökonom Moritz Schularick:

„Wenn wir uns die Arbeitsstunden pro Einwohner im erwerbsfähigen Alter angucken, dann arbeiten wir 30 Prozent weniger als unsere polnischen Nachbarn.“  

Bei Minute 26:14 sagt der Generalsekretär der CDU, Carsten Linnemann:

„Deutschland (arbeitet) seit zehn, 15 Jahren im Schnitt 1000 Stunden im Jahr und die Griechen arbeiteten 2013 noch 900 Stunden im Jahr und überholen uns jetzt mit 1200 Stunden.“  

Arbeiten die Deutschen im Vergleich mit anderen OECD-Ländern wirklich weniger?  

Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln bietet die Grundlage für die Kritik von Moritz Schularick und auch die der Union, die Deutschen würden zu wenig arbeiten. Studienautor Holger Schäfer hat sich dazu die Daten aus anderen Industrieländern angeschaut. Demnach kam 2023 ein Deutscher in erwerbsfähigem Alter (15 bis 64 Jahre) im Schnitt auf 1036 Arbeitsstunden. In Griechenland, schreibt Schäfer, käme man im Schnitt auf 1172 Stunden, in Polen auf 1304 Stunden. Die höchste geleistete Arbeitszeit stellte er in Neuseeland fest: Dort kam ein durchschnittlicher Erwerbstätiger auf 1400 Stunden. Schlechter als Deutschland schnitten nur Frankreich (1027 Stunden) und Belgien (1021 Stunden) ab. Der Kölner Ökonom hebt zudem hervor, dass die Arbeitsstunden in Deutschland im Vergleich zur Erhebung 2013 nur um 2 Prozent gewachsen seien. Andere Länder wie Spanien (15 Prozent) hätten in diesen zehn Jahren deutlich stärker zugelegt.   

An dieser Studie gab es große Kritik. Deutschlands oberste Gewerkschafterin, Yasmin Fahimi, erklärte, der OECD-Vergleich vermenge Daten zu Vollzeit- und Teilzeitarbeit: „Das ist Äpfel mit Birnen vergleichen, die Statistik ist daher relativ wertlos,“ so die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Schaue man sich nur die Vollzeitbeschäftigten an, zeige sich, dass diese in Deutschland mehr als 40 Stunden pro Woche arbeiten, was dem EU-Durchschnitt entspreche. „Die Behauptung, in Deutschland werde zu wenig gearbeitet, ist eine unverschämte Erzählung, die Beschäftigte zu Unrecht an den Pranger stellt“, so Fahimi. Dass die hohe Teilzeitquote eine Rolle spielt, bestätigt auch das IW.  

Tatsächlich ist es so, dass die niedrigere Arbeitszeit auf die gestiegene Erwerbstätigkeit von Frauen zurückzuführen ist. Zwar arbeiten immer mehr Frauen, in den vergangenen 25 Jahren ist die Quote von knapp 60 Prozent auf über 77 Prozent im Jahr 2023 angestiegen. Allerdings arbeitet fast jede zweite Frau in Deutschland in Teilzeit. Das bedeutet, dass die gestiegene Beschäftigungsquote von Frauen dazu führt, dass in Deutschland, statistisch gesehen, pro arbeitender Person weniger Arbeitsstunden geleistet werden. Die Statistik wird also verzerrt. Die hohe Teilzeitquote bei Frauen hat wiederum oftmals damit zu tun, dass Frauen nach wie vor überwiegend mit der Betreuung von Kindern und Angehörigen beschäftigt sind. Laut statistischem Bundesamt haben Frauen in Deutschland im Jahr 2022 pro Woche durchschnittlich rund neun Stunden mehr unbezahlte Arbeit geleistet als Männer, das entspricht einer Stunde und 19 Minuten pro Tag.   

Arbeitsmarktexperten wie der Ökonom Enzo Weber raten davon ab, die Zahlen zu vergleichen, da die Arbeitszeiten in den verschiedenen Ländern unterschiedlich erhoben und berechnet werden. Außerdem finden sich im OECD-Vergleich auch Länder wie Chile oder die Türkei, die kulturell und im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen wenig mit Deutschland vergleichbar sind. Die OECD selbst merkte in der Vergangenheit an, dass ihre Daten nicht für einen Vergleich dienen.   

Wenn lediglich die Vollzeitarbeitsstellen verglichen werden, so liegt Deutschland im EU-Durchschnitt. In Deutschland werden im Schnitt 40,3 Stunden pro Woche gearbeitet, der Schnitt liegt europaweit bei 40,4 Stunden pro Woche. Am meisten arbeitet man in Griechenland mit 42,4 Stunden pro Woche im Vergleich zu Finnland mit 38,9 Stunden pro Woche Arbeitszeit.  

(Quellen: IW, Zeit, Deutsches Statistisches Bundesamt)   

Fazit: In absoluten Zahlen stimmt die Aussage von Moritz Schularick, die Deutschen würden weniger Arbeitsstunden leisten. Allerdings ist der Vergleich laut Arbeitsmarktexperten und der OECD zufolge unzulässig. Die Arbeitsregelungen in Deutschland sind schwer vergleichbar mit denen anderer Länder und die Teilzeit-Quote verzerrt die Statistik. Wenn nur die Vollzeitstellen verglichen werden, arbeiten die Deutschen nicht weniger als in anderen europäischen Ländern, sondern liegen ziemlich genau im europäischen Schnitt.   

Weitere Informationen:tagesschau.de  

Ehegatten-Splitting  

In Minute 35:35 spricht Moderatorin Caren Miosga bezüglich des Vorteils beim Thema Ehegatten-Splitting von „15.000 Euro Steuerersparnis“ pro Jahr und Ehepaar.   

Wie viel Steuern kann man beim Ehegatten-Splitting sparen?  

Die Aussage, dass man durch das Ehegattensplitting bis zu 15.000 Euro Steuern sparen kann, ist korrekt. Der maximale Splittingvorteil tritt insbesondere bei sehr hohen Einkommensunterschieden zwischen den Ehepartnern auf, etwa, wenn ein Partner das gesamte Einkommen erzielt und der andere gar keines. In solchen Fällen kann der Steuervorteil tatsächlich bis zu 15.000 Euro pro Jahr betragen  

Auch wissenschaftliche Analysen bestätigen diese Größenordnung. So lag der maximale Splittingvorteil laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin 2014 bei rund 15.686 Euro und laut einer Publikation des Instituts für gleichstellungsorientierte Prozesse und Strategien (GPS) e. V. aus dem Jahr 2016 bei bis zu 17.000 Euro inklusive Solidaritätszuschlag.  

Ein einfaches Rechenbeispiel zeigt, wie das Splitting funktioniert: Angenommen, ein Partner hat 60.000 Euro zu versteuerndes Einkommen im Jahr, der andere nur 5.000. Dann muss der Besserverdienende 15.200 Euro Steuern entrichten, der andere gar keine. Also insgesamt 15.200 Euro Steuern. Wenn man das Splitting anwendet, sieht die Sache anders aus: Die Einkommen werden zusammengerechnet und wie zwei verschiedene Einkommen besteuert. Gemeinsam hat das Paar 65.000 Euro zu versteuerndes Einkommen, also 32.500 pro Person. Macht entsprechend 5.450 Euro Steuern pro Person, zusammen also nur 10.900 Euro. Das Paar spart durch das Splitting also 4.300 Euro pro Jahr.    

Im aktuellen Koalitionsvertrag findet sich das Thema Ehegattensplitting nicht wieder. Laut Informationen der „Tagesschau“ wurde bei den Koalitionsverhandlungen heftig über das Thema gestritten, da die SPD die Regelung abschaffen wollte, die Union sie dagegen behalten. Am Ende konnte sich die Union durchsetzen, eine Änderung findet nicht statt.  

(Quellen: Institut für gleichstellungsorientierte Prozesse und Strategien (GPS) e. V., DIW, Tagesspiegel, Tagesschau.de, Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD)   

Fazit: Die Aussage ist korrekt, mit dem Ehegattensplitting können verheiratete Paare 15.000 Euro im Jahr an Steuern sparen und laut unterschiedlicher Studien sogar noch etwas mehr.   

Weitere Hintergrund-Informationen zum Thema:
bmfsfj.de
diw.de
tagesschau.de

Totalverweigerer beim Bürgergeld  

In Minute 25:45 sagte Carsten Linnemann:

„Es gibt Millionen Menschen in Deutschland, 46 Mio. Erwerbstätige, 35 Mio. sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, die jeden Tag arbeiten ohne Ende und das Gefühl haben, es bleibt nichts übrig. Wenn die dann sehen, dass es Zehntausende gibt in Deutschland, die das Sozialsystem ausnutzen. Dann haben die das Gefühl, es geht nicht gerecht zu in Deutschland.“  

Wie viele Bürgergeldempfänger verweigern sich nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit?  

Bereits im Frühjahr 2024 beschloss der CDU-Bundesvorstand, dass man das Bürgergeld in der bestehenden Form abschaffen wolle. Im Fokus einer Reform sollten Sanktionen stehen, gerade auch gegen sogenannte Totalverweigerer, also arbeitsfähige Grundsicherungsempfänger, die ohne sachlichen Grund Arbeit ablehnen. Daraufhin teilte die Bundesagentur für Arbeit auf Nachfrage der „Tagesschau“ mit, dass man keine genauen Zahlen zu „Totalverweigerern“ habe. „Wir können statistisch nicht auswerten, wie oft eine Minderung festgestellt wurde, weil jemand eine Arbeit abgelehnt hat“, so der Sprecher. Statistisch erfasst werde aber der Minderungsgrund „Weigerung Aufnahme oder Fortführung einer Arbeit, Ausbildung, Maßnahme oder eines geförderten Arbeitsverhältnisses“, bei dem auch Weiterbildungen und Qualifikationen berücksichtigt werden.   

Im April 2024 veröffentlichte die Bundesagentur für Arbeit dazu offizielle Zahlen. Demnach wurden im Jahr 2023 rund 226.000 Leistungsminderungen gegenüber erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ausgesprochen, 77.520 mehr als im Jahr 2022. Ursächlich für die Anzahl der Leistungsminderungen waren bei 84,5 Prozent Meldeversäumnisse, das heißt, dass die Kundinnen und Kunden ohne wichtigen Grund nicht zu Terminen erschienen sind. 15.774 Minderungen mussten von Februar bis Dezember 2023 wegen des Minderungsgrunds „Weigerung Aufnahme oder Fortführung einer Arbeit, Ausbildung, Maßnahme oder eines geförderten Arbeitsverhältnisses“ ausgesprochen werden.  

(Bundesagentur für Arbeit, PM vom 10.4.2024; tagesschau.de, 18.3.2024)  

Fazit: Carsten Linnemann spricht von „Zehntausenden“, die das Sozialsystem ausnutzten. Die offiziellen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit, die für das Jahr 2023 vorliegen, gehen von knapp 16.000 Bürgergeldempfängern aus, die Arbeit, Aus- oder Fortbildung verweigern. Linnemann übertreibt hier also. 

Weitere Hintergrundinformationen zum Thema:

deutschlandfunk.de
spiegel.de

Stand: 26.05.2025