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Bov Bjerg: "Serpentinen"

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Bov Bjerg: "Serpentinen" | Video verfügbar bis 23.02.2025 | Bild: ARD

Die Sache scheint erst mal ganz klar: Entweder er bringt sich gleich um, oder er bringt seinen Sohn um. Die beiden sitzen im Auto, kurven durch die Schwäbische Alb, und haben sich offenbar nichts zu sagen. Oder nichts mehr. Es ist eine verzweifelte Reise in die Vergangenheit. In die jüngere Geschichte einer Familie, und also auch in die jüngere Geschichte dieses Landes. Und es ist eine Suche nach Erlösung, nach Befreiung vom Schicksal der Männer in der Familie, die sich alle umgebracht haben. "Um was geht es?", fragt der Sohn immer wieder, und will damit vielleicht nur ein Spiel beginnen. Aber der Vater weiß die Antwort nicht. Er trinkt Bier.

"Es war nicht schwer, ein Kind zu töten, wenn es schlief. Die Hände drückten nicht auf den Hügel, sie zogen an den Seiten den Hügel hinunter ins Laken. Sie zogen das Kissen ins Laken, das Laken in die Matratze, in den Fußboden, in die Erde. Ich musste keine Kraft aufwenden. Ich musste keine Gewalt gebrauchen. Das war kein Schlagen. Das war kein Erdrosseln. Das war ein weiches, zärtliches Kissen. Ich machte es uns leicht. Wir berührten uns nicht. Das Leben war nur eine Behauptung. Ebenso der Tod."

Dieser Vater ist Soziologieprofessor in Berlin. Er hat Erfolg. Aber er glaubt nicht daran. Und das Kind soll nicht so werden wie er. Schwierig. Denn wie ist er überhaupt?

Bov Bjergs neuer Roman ist die poetische Analyse einer Lebenskrise. Und so wie der Professor seiner eigenen Geschichte nicht traut, scheint Bjerg an den Gewissheiten des Erzählens zu zweifeln. Er kreist um seine Protagonisten, tastet, nähert sich vorsichtig, erkundet Möglichkeiten, in aller gebotenen Langsamkeit. Wenn das Leben eine Behauptung ist, dann wird diese wahr durch das Schreiben, zeigt uns Bov Bjerg. Literatur ist also die Alternative zum Nichts: Tröstlich und schön.

Bov Bjerg, geboren 1965 als Rolf Böttcher, studierte am Deutschen Literaturinstitut Leipzig und wurde mit seinem kürzlich verfilmten Roman "Auerhaus" berühmt.

Bov Bjerg: "Serpentinen". Claassen Verlag.

Stand: 23.02.2020 19:06 Uhr

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Bayerischer Rundfunk
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