Mo., 14.10.19 | 00:05 Uhr
Das Erste
Nora Bossong: Leben zwischen UN-Sitzungen und Kindheitsträumen
Frieden, Wahrheit, Gerechtigkeit, Versöhnung und Übergang heißen die Kapitel dieses Romans, und Genf, Bonn, Bujumbura, Den Haag sind die Orte, zu denen wir mit seiner Protagonistin Mira gelangen, einer Mitarbeiterin der Vereinten Nationen, die mit einer verwehenden Liebe und der grauenvollen Erinnerung an Massaker irgendwo in Afrika fertig zu werden versucht. Aber wer ist Mira wirklich? Was hat sie erlebt? Mit wem gesprochen? Und trägt sie für irgendetwas von all dem Verantwortung?
"Man nennt uns Expats, und auch wir selbst nennen uns so, eine lapidare Kurzform, wie hingegossen an den Rand eines Pools, ein Status wie auf einer Vielfliegerkarte und in exklusiven Clubs, und natürlich bedeutet er auch, dass wir nicht dazugehören, nicht dort, wo wir gerade sind, und auch nicht mehr da, woher wir einmal kamen, diese Gegend oder Gemeinschaft, die man gefühlsselig Heimat nennt und die eben doch etwas mehr ist als nur Kitsch, was man spätestens dann merkt, wenn man sich nur noch ungenau an sie erinnert."
Ein globalisierter Politikbetrieb, der Effizienz vortäuscht
Nora Bossong erzählt von einem globalisierten Politikbetrieb, der jederzeit glaubwürdig Relevanz und Effizienz vortäuscht, und sie erzählt von den Menschen, die in dessen so abstrakten wie nutzlosen Abläufen untergehen, in Sitzungen, Dienstreisen, Verhandlungen, Hotelfluren, in schnöder Hoffnungslosigkeit. Das großartige an diesem brillanten Roman ist, dass wir beim Lesen in jeder Sekunde spüren, dass wir alle es sind, die sich da in einer kalten Scheinwelt verlieren.
Nora Bossong, geboren 1982 in Bremen, studierte am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig und wurde 2015 mit dem Roman ‚36,9°‘ bekannt.
(Nora Bossong: Schutzzone, Suhrkamp Verlag)
Stand: 14.10.2019 00:05 Uhr
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