SENDETERMIN So., 15.06.25 | 23:05 Uhr

Außer Kontrolle? - KI und die Zukunft der Demokratie

KI und die Zukunft der Demokratie

Außer Kontrolle? - KI und die Zukunft der Demokratie | Video verfügbar bis 15.06.2026 | Bild: dpa / Matthias Bein
Ein Mann sitzt vor einem Computer.
Ein Mann sitzt vor einem Computer. | Bild: dpa / Matthias Bein

Viele dachten, dass es viel früher passiert: Der Showdown zwischen dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump und seinem ehemaligen Berater Elon Musk. Aber dass der Machkampf der beiden Ego-Titanen ausgerechnet im Streit um den Big Beautiful Bill Act eskaliert, das Haushaltsgesetz, das Trump demnächst durch den Senat bringen will, erstaunt. Enthält er doch ein großes Geschenk, von dem die Tech-Community seit Jahren träumt: Ein Moratorium, das zehn Jahre lang den US-Bundesstaaten verbieten will, Künstliche Intelligenz zu regulieren und zu kontrollieren. Eine Idee, die der KI-Ethiker Rainer Mühlhoff für brandgefährlich für die Zukunft der Demokratie hält. ttt hat mit Rainer Mühlhoff und mit der KI-Start-Up-Gründerin Katharina Borchert, die sich seit vielen Jahren in der Männerwelt des Silicon Valley behauptet, über den Einfluss von Künstlicher Intelligenz gesprochen. 

Trumps Geschenk an die Tech-CEOs

Porträt Mann
Der Philosoph und Mathematiker Rainer Mühlhoff ist Professor für die Ethik der KI an der Universität Osnabrück | Bild: WDR

Der Professor für Ethik der Künstlichen Intelligenz, Rainer Mühlhoff, ist sich sicher: "Donald Trump tut alles, um den Rechtsstaat zu überwinden oder zu unterhöhlen. Das ist total auf der Linie dieser Ideologien von einem neuen autoritären, autokratischen CEO-Staat mit Donald Trump als König." Die prominentesten Anhänger dieser Ideologien standen bei Trumps Amtsantritt geschlossen hinter ihm: Die reichsten CEOs der größten Tech-Konzerne der Welt. Sie hatten ihn bereits im Wahlkampf massiv unterstützt. Dafür will Trump ihnen nun etwas schenken: Ein Moratorium das zehn Jahre verbieten will, künstliche Intelligenz-Systeme, staatlich zu regulieren.

Wahrscheinlichkeiten statt Wahrheiten

Nahaufnahme Frau mit Brille vor Bäumen
Die KI-Startup-Gründerin Katharina Borchert, | Bild: WDR

Katharina Borchert, selbst KI-Unternehmerin im Silicon Valley, will dieses Geschenk nicht: "In diesem Moratorium geht es eben darum, dass sich dieser Markt zehn Jahre lang völlig unreguliert entwickeln soll. Und das halte ich für extrem gefährlich. Ich halte das auch nicht für innovationsfreundlich, weil das überwiegend die großen Marktführer bevorteilt." Mühlhoff sagt: "Diese Machtasymmetrie kann man nur ausgleichen durch staatliche Regulierung. Da hat der Staat den Auftrag. Und zwar aus guten Gründen."

Bis heute wütet Elon Musks Sturmtrupp DOGE in den US-Behörden, selektiert mit Hilfe von KI-Tools Menschen, entlässt und überwacht sie, schürft Daten und streicht Förderungen. Ein Kettensägen-Massaker am Rechtsstaat mit Hilfe künstlicher Intelligenzsysteme. Die nach Mühlhoffs Auffassung, so wie sie zur Zeit entwickelt werden, zutiefst antidemokratisch agieren: "Das KI System, das arbeitet intern mit Wahrscheinlichkeiten, das heißt, es will nicht die Wahrheit über den Fall ermitteln, sondern: ja das ist vielleicht Betrug, oder das ist gerechtfertigt, oder das lehnen wir ab."

Vertrauen in automatisierte Entscheidungen

Europa hat damit Erfahrung: Bereits seit 2013 wurden in den Niederlanden KI-Tools von der Sozialbehörde eingesetzt, um vermeintliche Kindergeldbetrüger aufzuspüren. Fehlentscheidungen wurden jahrelang nicht erkannt, haben arme Familien die Existenz gekostet und die Regierung Rutte das Amt. "Das ist eine in der Psychologie gut studierte Sache, dass man sehr viel mehr bereit ist, KI- oder automatisierten Entscheidungen, Glauben zu schenken, als menschlichen. Und dieser ‚'Automation Bias' hat dazu geführt, dass jahrelang die Beschwerden der Betroffenen nicht gehört wurden", so Mühlhoff. KI-Unternehmerin Katharina Borchert glaubt nicht, dass das qua System antidemokratisch sei. Man müsse eben nur auch das Richtige tun wollen.

KI als Beschleuniger der menschlichen Evolution?

Doch darüber, was das Richtige ist, sollen die Chefs der großen US-Tech-Monopolisten künftig selbst entscheiden dürfen – was dann aufgrund ihrer globalen Marktführerschaft und ihrer zum Teil ultralibertären Ausrichtung auch Europas Demokratien massiv beschädigen kann. "Diese Akteure, die glauben daran, dass es erstens natürliche Hierarchien zwischen den Menschen gibt. Das sind dann Hierarchien, die rassistisch sind und sexistisch sind. Die glauben zweitens daran, dass man mit KI-Industrie den Fortgang der Menschheit, also die menschliche Evolution beschleunigen könne. Wenn man dann KI-Industrie reguliert, würde man die menschliche Evolution verlangsamen", so der KI-Ethiker.

Aus diesem Demokratie-Frust entstehe dann die Idee, wir bräuchten "CEO-Monarchien" oder "Government Corporations" so Mühlhoff. Darin ist der Kunde dann nicht mehr König, sondern der Bürger Kunde – ohne politische Mitsprachemöglichkeit. Sein einziges Recht: Er kann gehen, wenn es ihm nicht passt. In einer von Trumps Chefideologen Peter Thiel geförderten Start Up-Vision kann er dabei sogar sein ganzes Anwesen mitnehmen, vorausgesetzt, er hat das Geld dazu.

Europas Chance als Stimme der Vernunft

Ein Mann steht in einem großen Saal mit Publikum hinter einem Rednerpult, sein Gesicht ist auf einer Leinwand zu sehen, auf der Bühne sitzen 9 Personen auf Stühlen.
US-Vizepräsident JD Vance bei seiner Rede beim AI Action Summit in Paris am 11.2.25 | Bild: AFP / Ludovic Marin

All diese antidemokratischen Auswüchse will Europa – sehr zum Unmut der USA – im sogenannten AI Act regulieren. Beim AI Action Summit im Februar diesen Jahres sagte US-Vizepräsident JD Vance: "Wir glauben, dass exzessive Regulierung für eine aufstrebende, transformative Industrie den Tod bedeutet. Darum unterstützen wir nur, was die Entwicklung von AI fördert."

Doch längst nicht alle denken so. Und auch im Silicon Valley hofft wohl so mancher auf Europa. Katharina Borchert ist der Meinung: "Regulierung ist auch immer Ausdruck unserer gesellschaftlichen Werte und unseres Wertesystems." Die Debatte, dass wir in Europa zwischen China und den USA abgehängt werden, findet Rainer Mühlhoff grundfalsch: "Denn wir spielen eine ganz wesentliche Rolle, nämlich die Rolle der Vernunft in diesem Treiben der KI-Entwicklung." Gegebenheiten sind Gelegenheiten. Nicht ohne Grund kursiert in den USA der Witz: "Trump will make Europe great again."

Autorin: Marion Ammicht

Buchtipp
Rainer Mühlhoff: Künstliche Intelligenz und der neue Faschismus
Reclam, 160 Seiten, 8 Euro
ISBN: 978-3-15-014666-8
Erscheint am 16.07.2025

"[an error occurred while processing this directive]"
3 Bewertungen
Kommentare
Bewerten

Kommentare

Kommentar hinzufügen

Bitte beachten: Kommentare erscheinen nicht sofort, sondern werden innerhalb von 24 Stunden durch die Redaktion freigeschaltet. Es dürfen keine externen Links, Adressen oder Telefonnummern veröffentlicht werden. Bitte vermeiden Sie aus Datenschutzgründen, Ihre E-Mail-Adresse anzugeben. Fragen zu den Inhalten der Sendung, zur Mediathek oder Wiederholungsterminen richten Sie bitte direkt über das Kontaktformular an die ARD-Zuschauerredaktion: https://hilfe.ard.de/kontakt/. Vielen Dank!

*
*

* Pflichtfeld (bitte geben Sie aus Datenschutzgründen hier nicht Ihre Mailadresse oder Ähnliches ein)

Kommentar abschicken

Ihr Kommentar konnte aus technischen Gründen leider nicht entgegengenommen werden

Kommentar erfolgreich abgegeben. Dieser wird so bald wie möglich geprüft und danach veröffentlicht. Es gelten die Nutzungsbedingungen von DasErste.de.

Sendetermin

So., 15.06.25 | 23:05 Uhr

"[an error occurred while processing this directive]""[an error occurred while processing this directive]"

Produktion

Westdeutscher Rundfunk
für
DasErste