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Wie die Tech-Riesen unsere Demokratie abschaffen

Das Buch "Big Tech muss weg"

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Wie die Tech-Riesen unsere Demokratie abschaffen – Das Buch "Big Tech muss weg" | Video verfügbar bis 28.08.2024 | Bild: ARD

Fünf gigantische Techkonzerne beherrschen die Branche. Dabei zeigt ein eher kleiner Mitspieler, wo die Gefahren liegen. Elon Musks Übernahme von twitter offenbarte: in dieser Welt kann man die Aufmerksamkeit leicht manipulieren - Nachrichten verstecken, oder sie hochjubeln, je nach Gusto.

„Seitdem Elon Musk Twitter übernommen hat, ist es für ganz viele Menschen klar geworden was es bedeutet, wenn ein Privatunternehmen oder eine Person ein ganzes Netzwerk kontrollieren kann und voll darauf durchgreifen kann“, sagt der Medienwissenschaftler Martin Andree.

Die zehn größten haben über 70 Prozent

Entscheidend ist, wie viel Zeit wir wo im Netz verbringen. Martin Andree hat das für Deutschland untersucht. Trotz Millionen Domains zeigt sich: Die größten zehn haben über 70 Prozent. „Da hatten wir eine große Überraschung, denn wir haben gesehen, dass eigentlich fast die ganze Nutzung auf ganz wenigen Plattform konzentriert ist und man eigentlich sagen kann: der ganze Rest des Internets ist ein riesengroßer Friedhof“, so Andree.

Die systemische Macht der Giganten speist sich aus einem Revolutionsgedanken: Der kalifornische Spirit wollte mehr Freiheit, Austausch und Transparenz. Es ging gegen ein kapitalistisches System mit seinen starren Machtstrukturen. „Ich glaube, wenn Sie damals die frühen Gründer in ihren Garagen befragt hätten, das wäre für die unvorstellbar gewesen. Die hätten auch gesagt, dass sie sich gar nicht für Werbung interessieren, sie wollen den Menschen Informationen zur Verfügung stellen“, sagt Martin Andree.

Datenkontrolle ist Betriebsgeheimnis

Die Gründerväter der Konzerne geben sich eher wie Nerds und Freigeister als wie Machtmathematiker. Das Bild täuscht. Ihre Techrevolution und Netzwerke propagieren Freiheit und Transparenz. Aber wie sie arbeiten, wie sie Daten kontrollieren ist ein Betriebsgeheimnis. Den ehemals kleinen Klitschen geht’s offensichtlich vor allem um Macht und Gewinnmaximierung - dafür schluckten sie viele Konkurrenten und Start-Ups. Der Google-Konzern Meta und Amazon sacken im Westen über 80 Prozent der digitalen Werbeeinnahmen ein. Sie sind jetzt das System, ein Imperium.

„Sie haben ein Quasi-Monopol von Google auf dem Feld der Suchmaschinen. Sie haben ein Quasi-Monopol von Meta auf dem Feld der Social-Media - ungefähr 85 Prozent Marktanteil. Schauen wir weiter: Alphabet hat dann wieder YouTube - 90 Prozent des Gratis-Bewegtbild. Stellen Sie sich vor, man hätte 90 Prozent Marktanteil im Bewegtbild-Rundfunk, also im Fernsehen. Das wäre undenkbar“, erklärt Andree.

Es wäre klüger, sich zu ergeben.

Der Medienwissenschaftler schreibt, dass die Plattformen über Jahrzehnte zu Monstern herangewachsen sind, ohne dass wir uns gewehrt haben. Und nun halten sie uns in ihrem Netz gefangen und bauen Barrieren im Datenaustausch auf. Plattformen wie Instagram regeln, was wir sehen, verbieten aber Links zum Original, streichen die Werbegelder ein. Big Tech entscheidet über die mediale Grundversorgung. Wer etwa bei Google sucht, landet überproportional oft bei anderen Google-Plattformen, freier Zugang zu Informationen ist das nicht. Eher demokratiefeindlich.

„Wenn wir nichts tun, dann ist die Zukunft sehr leicht vorhersehbar: Es würden noch wenige Jahre dauern, nämlich bis ungefähr 2029, dann wird der Anteil der analogen und damit hauptsächlich eben auch redaktionellen Medien in unserem gesamten Mediensystem unter ein Viertel sinken. Damit sind diese eigentlich so unbedeutend, dass sie sich auch publizistisch nicht mehr wehren können. Ein Großteil unserer Medienwirklichkeit wird dann in den Plattformen sein. Und die kontrollieren dann diese Medienwirklichkeit. Wir wissen auch: Diese Konzerne sind in den USA, sie sind noch nicht mal in Deutschland, wir haben keinen wirklichen Zugriff darauf. Und damit entgleitet uns die Kontrolle über unsere Demokratie“, sagt Andree.

Weil sie immer mehr Netzverkehr auf sich konzentrieren und dabei unsere Daten für ihre Geschäfte nutzen. Twitter zeigt, dass sie auch unsere Nachrichten steuern können. Ihre Macht reicht weit über die Medien hinaus – Apple etwa ist schon Teil der Finanzwirtschaft. Die Politik könnte all das ändern - digitale Monopole verbieten und Konzerne zwingen, für Durchlässigkeit und Datenaustausch zu sorgen.

„Wenn wir wollten, könnten wir innerhalb von zwölf Monaten Big Tech in die Schranken weisen. Wir könnten das Netz liberalisieren. Wir könnten dafür sorgen, dass sich der Traffic wieder verteilt. Dass viele Unternehmen Medien wieder die Chance haben, Traffic zu bekommen, indem wir einfach eben diese Barrieren einreißen. Wir müssten es eben nur wollen. Wir müssten es anpacken“, so Andree.

Stand: 05.09.2023 13:31 Uhr

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