Do., 27.02.20 | 00:35 Uhr
Die neue Leitung
Die Neuen sind der Künstlerische Leiter Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek, die Geschäftsführerin der Berlinale. Erstmals übernehmen sie die Leitung des Festivals. Noch etwas schüchtern, verloren wirken sie als Gastgeber auf dem roten Teppich. Höflich auf Distanz beim Small Talk, etwas unsicher – beim Warten auf Stars bei übervollem Terminkalender. "Das ist sehr abwechslungsreich und man muss ganz schön hinter sich selbst herrennen, um zu wissen, wo man gerade ist.", erzählt Mariette Rissenbeek. Carlo Chatrian will als Künstlerischer Leiter neue Akzente setzen. Das Staraufgebot am ersten Wochenende ist ungewohnt überschaubar. "Wenn man ein Programm komponiert, braucht es unterschiedliche Farben, Geschichten, Persönlichkeiten. Am Ende muss es ein guter Mix sein. Und ein Film mit Stars bringt etwas, das ein Film ohne Stars nicht hat. Beides ist wichtig.", so Chatrian.
Das Erbe Kosslicks
Das Erbe, das die Neuen antreten, ist groß und das Publikum ist verwöhnt: 70 Jahre Berlinale. Das waren Stars, Glanz, Träume und lebensnotwendiges Elixier für die Bewohner der Mauerstadt im grauen Berliner Winter. Dieter Kosslick hat die Show geliebt: Hollywood, Rockstars und dazu ein wenig politisches Engagement. "Jeder macht das so, wie er das für richtig hält. Und wir haben uns jetzt nicht so viel damit beschäftigt zu denken, das ist jetzt ein Erbe und wir müssen das pflegen.", so Mariette Rissenbeek. Ein paar Tage vor dem Festival ist Carlo Chatrian selten im Büro, 800 Filme hat er vorab gesehen, während Mariette Rissenbeek alles organisiert. Sie hat früher deutsche Filme im Ausland beworben. Jetzt sind sie ein Team – aber wie wird man ein gutes Team? "Vielleicht sind wir beide eher so Bauchmenschen. Ich glaube, dass wir uns beide nicht so am Reißbrett hinsetzen und ein Plan machen. Sondern eher… ein großer Teil unseres Zusammenfindens war nach Gefühl.", antwortet Rissenbeck. Sie haben sich erst vor einem Jahr kennengelernt. Ein paar Festivals besucht, über Filme diskutiert und auch mal fast geweint, als der Abspann lief.
Das Filmfestival als eine Art Happening
Carlo Chatrian sieht die Filmfestivals auch als eine Art Happening, so initiierte er auch eine Ausstellung von Alexander Kluge. So stellt er sich ein spannendes Festival vor, immer am Puls der Zeit. Aber wie wählt er die Filme aus, was ist ein "guter" Film? "Es gibt da keine Regel, man kann immer falsch oder richtig liegen. Das ist nicht wie in der Mathematik. Aber was ich wichtig finde: Es braucht eine Balance zwischen Herz und Kopf.", so der Künstlerische Leiter. Ob der Funke auf das Publikum überspringt? In den ersten fünf, sechs Tagen prickelt es noch nicht so richtig. Der Glammourfaktor ist eher gering – trotz Roberto Benigni. Eher leise, dunkle Filme bestimmen den Wettbewerb. Carlo Chatrian ist zutiefst der Filmkunst verpflichtet und bringt damit die Berlinale auf einen neuen Kurs. Das ist spannend. Das ist anregend und passt auf charmante Weise auch zu dem, wie wir uns fühlen.
Stand: 27.02.2020 11:44 Uhr
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