Kultur – die neue Kampfzone

Die Strategie von AfD & Co. | Eine Recherche von "ttt" und der Süddeutschen Zeitung

Zahlreiche Menschen marschieren hinter einem Plakat mit der Aufschrift: Die Kunst bleibt frei.
Die Kulturinitiative "Die Vielen" demonstriert am 19.05.2019 in Berlin gegen rechte Einflussnahme auf die Kunstfreiheit. Motto: "Unite & Shine – Für ein Europa der Vielen". | Bild: picture alliance/ Eventpress

Von Peter Laudenbach und John Goetz

Manchmal sind es anonyme Hassmails oder Mord- und Bombendrohungen. Manchmal sind es Anfragen der AfD in Parlamenten, Stadträten und Kulturausschüssen, etwa zur Finanzierung einzelner Bühnen oder zu ihrer inhaltlichen Ausrichtung. Manchmal sind es Strafanzeigen, Störaktionen, Demonstrationen gegen Kunstprojekte oder Polemiken gegen "hohle Experimente und dümmliche Willkommenspropaganda" an Theatern, Opern, Museen. Die Akteure und ihre Mittel sind unterschiedlich. Was sie verbindet, ist die Aversion gegen ein weltoffenes, liberales Kulturleben und der Versuch, Kunstinstitutionen zu diskreditieren.

In der Ballung solcher Aktionen wird ein Muster erkennbar: Die Neue Rechte hat Kultur als Kampffeld entdeckt. Auch hier entwickelt ihr Versuch einer Polarisierung der Gesellschaft einige Dynamik. Viele Kultureinrichtungen gehen davon aus, dass sie dieser Konflikt in den kommenden Jahren begleiten wird. Wir dokumentieren gemeinsam mit der Süddeutschen Zeitung einige exemplarische Vorfälle der vergangenen Jahre. Im Oktober 2018 hat "ttt – titel, thesen, temperamente" das Thema aufgegriffen. Ein weiterer Beitrag ist in Vorbereitung.

Außerdem hat MDR Kultur eine Umfrage unter Theaterintendantinnen und Intendanten gestartet.

Dezember 2016, Altenburg, Thüringen

Das Theater Altenburg macht die nationalsozialistische Vergangenheit der Stadt zum Thema, ein Schauspieler aus Burkina Faso spielt die Titelrolle in der Inszenierung "Der Hauptmann von Köpenick". Auf einer Kundgebung der örtlichen Pegida-Ablegers Bürgerforum fordert ein Redner den Boykott des Theaters: "Ich rufe alle, die gegen diese Politik sind, dazu auf, das Theater in Altenburg und das Lindenau-Museum zu boykottieren! Grenzt sie auf dieselbe Weise aus, wie sie es mit Euch tun! Und zeigt ihnen, woher das Geld kommt, mit dem sie ihre Miete bezahlen!"

Vier Schauspieler und Sänger mit Migrationshintergrund beschließen, ihr Engagement am Theater Altenburg nicht zu verlängern, weil sie außerhalb des Theaters in ihrem Alltag zu oft rassistisch beleidigt wurden. Einer der Künstler nennt diesen Alltagsrassismus als einzigen Grund für seine Kündigung.

Februar 2017, Dresden

Bei der Einweihung eines Antikriegs-Denkmals des syrisch-deutschen Künstlers Manaf Halbouni, drei hochkant gestellte, ausrangierte Busse auf dem Neumarkt, protestieren Pegida-Anhänger mit Trillerpfeifen und "Volksverräter"-Rufen. Die Demonstranten brüllen Oberbürgermeister Dirk Hilbert bei seiner Eröffnungsrede nieder. Die Installation muss von der Polizei geschützt werden. Die rechtsextreme Identitäre Bewegung hängt einige Tage später ein Transparent an die Busse: "Eure Politik ist Schrott." Die kulturpolitische Sprecherin der AfD-Landtagsfraktion Karin Wilke hält das Kunstwerk für eine Provokation: "Offenbar will man ganz bewusst die Dresdner düpieren, um damit die Pegida-Bewegung auf die Barrikaden zu bringen." Halbouni bekommt anonyme Hassmails.

Menschen protestieren vor drei hochkant aufgestellten Bussen.
Demonstranten protestieren am 07.02.2017 vor der Skulptur "Monument" des syrischen Künstlers Manaf Halbouni. | Bild: Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa

Der Oberbürgermeister erhält mehrere Morddrohungen von anonymen Absendern und steht einige Zeit unter Polizeischutz. Im Internet wird dazu aufgerufen, vor sein Haus zu marschieren. Die Junge Alternative Dresden erklärt auf Facebook: "Herr Hilbert, Sie widern uns an!" Der Vorsitzende der "Jungen Alternative Hessen" nennt den Oberbürgermeister einen "Perversling", der "aus der Stadt gejagt" gehöre. Der sächsische AfD-Politiker Jens Maier erklärt, der Oberbürgermeister Hilbert sei seines Amtes unwürdig.

Mai 2017, Aachen

In der Inszenierung "Heiliger Krieg" thematisiert die Jugendtheatergruppe Chaostheater Parallelen zwischen Islamisten und der extremen Rechten. Der Sprecher der Aachener AfD, Jan-Peter Trogrlic, fordert in einem Brief an den Regisseur Reza Jafaris, "diese Passage in Deinem Stück zu streichen (....) Ich werde sonst mit juristischen Mitteln gegen Deine hetzerische, beleidigende und verleumderische Aussage vorgehen müssen".

Juni 2017, Koblenz

Kleine Anfrage des AfD-Landtagsabgeordneten Joachim Paul zum Auftritt des Musikers Chaoze One im Mehrgenerationenhaus Kusel:

»Der 'Musiker' stammt aus der linksradikalen Szene und bezeichnet sich selbst als 'die Symbiose aus HipHop und Anarchismus'. Mehrere linksradikale Gruppierungen hatten den Auftritt beworben. Das Mehrgenerationenhaus wird nach eigenen Angaben vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert. (...) Ich frage die Landesregierung: (...) Welche finanziellen Mittel erhält das Mehrgenerationenhaus Kusel nach Kenntnis der Landesregierung durch das Bundesfamilienministerium? (...) Welche weiteren finanziellen Mittel hat das Mehrgenerationenhaus Kusel bisher vom Land erhalten und welche finanziellen Mittel sind im aktuellen Haushaltsplan vorgesehen? (...) Welche Kosten entstanden durch den Auftritt des 'Musikers'?«

Juni 2017, Halle

Hans-Thomas Tillschneider, kulturpolitischer Sprecher der AfD-Landtagsfraktion Sachsen-Anhalt, fordert in einer Rede im Landtag für die Zukunft der Bühnen Halle:

»Ich schlage vor, (Operndirektor) Florian Lutz wird entlassen, als Nachfolger wird ein Charakterkopf vom Format eines Attila Vidnyánszky gesucht. Dann muss die ganze Willkommenspropaganda aus dem Spielplan. Zurzeit spielt das Neue Theater in Halle 'Angst essen Seele auf', eigentlich ein Film der 68er-Ikone Fassbinder. 'Angst essen Seele auf' ist die bizarre Liebesgeschichte zwischen einem Marokkaner und einer 25 Jahre älteren deutschen Putzfrau. Wer bitte schön will solche Abwegigkeiten sehen? – Hinfort damit! Und die Aktion 'Freier Eintritt für Flüchtlinge' gehört auch sofort abgeschafft. (...) Würden zeitgemäße und gediegene, stolze und intelligente Werkinterpretationen geliefert statt hohler Experimente und statt dümmlicher Willkommenspropaganda – ich bin mir sicher, wir würden die Krise des Theater, und zwar nicht nur die finanzielle, überwinden. – Vielen Dank.«

(Attila Vidnyánszky: Der ungarische Regisseur wurde 2013 von der nationalkonservativen Regierung Orbán als Intendant an das Nationaltheater Budapest berufen.)

August 2017, Kassel

Der Kassler AfD-Stadtverordnete Thomas Materner nennt einen in der Stadt aufgestellten Obelisken des Documenta-Künstlers Olu Oguibe "ideologisch polarisierende, einstellte Kunst" und fordert, dass er nicht von der Stadt angekauft wird. Auf dem Obelisken ist in vier Sprachen der Bibelspruch "Ich war ein Fremdling und ihr habt mich beherbergt" zu lesen. Materner kündigt an, falls das Kunstwerk nicht entfernt werde, werde die AfD "bei jedem von Flüchtlingen begangenen Anschlag" zu Demonstrationen vor dem Obelisken aufrufen.

Zwei Bauarbeiter stellen einen Obelisk auf.
Der Obelisk des nigerianisch-amerikanischen Künstlers Olu Oguibe steht seit April 2019 an der Treppenstraße der Kasseler Innenstadt. | Bild: picture alliance/Uwe Zucchi/dpa

Oktober 2017, Berlin

Nachdem sich der Intendant des Revuetheaters Friedrichstadt-Palast, Berndt Schmidt, öffentlich gegen die rassistische Ideologie der AfD ausgesprochen hatte, erhält das Theater anonyme Morddrohungen gegen den Intendanten, 600 Hassmails und -Briefe, Servicemitarbeiter werden am Telefon beschimpft. Nach einer Bombendrohung gegen eine ausverkaufte Vorstellung muss der Vorstellungsbeginn um 40 Minuten verschoben werden. Publikum und Künstler warten vor dem Theater, bis die Polizei den Saal freigibt.

Postkarte an den Intendanten des Revuetheaters Friedrichpalast.
Eine von Hunderten Zuschriften an den Intendanten Berndt Schmidt. | Bild: NDR

Im Kulturausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses stellt der AfD-Abgeordnete Dieter Neuendorf den Antrag, die Subventionen des Friedrichstadt-Palastes zu kürzen: "Wir wollen dem Haus nicht komplett die Gelder streichen. (...) Doch mittels eines qualifizierten Sperrvermerks in Höhe von 12,6 Prozent der Mittel für die Jahre 2018 und 2019 möchte die AfD dem Intendanten Zeit geben, sein Demokratieverständnis zu überdenken." Der Antrag wird von den anderen Parteien abgelehnt.

Oktober 2017, Kassel

Die AfD-Fraktion in der Kasseler Stadtverordnetenversammlung stellt Strafanzeige wegen Veruntreuung und anderer Straftaten gegen die Leitung der Documenta. Im August 2018 stellt die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen ein.

Oktober 2017, Berlin

Die AfD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus beantragt die Kürzung der Zuwendungen für das Maxim Gorki Theater. Begründung: "Die zur Verfügung gestellten Mittel und der Zuspruch zum Maxim Gorki Theater in der Berliner Bevölkerung stehen in einem Missverhältnis." Der AfD-Abgeordnete Dieter Neuendorf erklärt im Kulturausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses:

»Unter der Intendantin Shermin Langhoff reduziert sich das Maxim-Gorki-Theater zunehmend auf politischen Kulturkampf und Gesinnungstheater. Diese ideologische Selbstbeschränkung hat diese Einrichtung wahrlich nicht verdient. Es ist der bürgerlichen Mitte unseres Volkes nicht plausibel zu erklären, warum Kultureinrichtungen, die sich in den Dienst einer einseitigen politischen Agenda stellen, durch öffentliche Mittel finanziert werden. Das wollen wir so nicht mitmachen. Wir erklären uns klar dagegen, dass Theater, die staatliche Fördermittel erhalten, nur die Klientel der Regierungsparteien bedienen, statt für ein breites Publikum da zu sein.«

Oktober 2017, Berlin

Die AfD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus beantragt die Kürzung der Zuwendungen für das Deutsche Theater. Begründung: "Das Wirken der Intendanz wird der Aufgabe, breite Teile der Bevölkerung zu erreichen, nicht gerecht." Der AfD-Abgeordnete Hans-Joachim Berg begründet den Antrag in der Sitzung des Kulturausschusses mit einer Presseerklärung des Deutschen Bühnenvereins, die sich gegen Rechtspopulismus und rechtsnationale Parteien richtet. Präsident des Bühnenvereins ist Ulrich Khuon, der Intendant des Deutschen Theaters. Berg:

»Wir sind der Auffassung, dass es nicht die Aufgabe von Kunst (...) ist, sich in den Gesinnungsdienst eines bestimmten Meinungskartells zu stellen. (...) Selbstverständlich kann Herr Khuon Gesinnungstheater und Propagandatheater machen. Der Punkt ist nur: Das kann er nicht mit Steuermitteln machen. Es geht (...) um die Frage (...), ob der Staat Gesinnungstheater finanziert. Es kann nicht die Aufgabe von öffentlichen Mitteln sein, Gesinnungstheater zu finanzieren. (...) Und deswegen sind wir für das Streichen der Zuschüsse für das Deutsche Theater. – Danke schön.«

November 2017, Stuttgart

Der kulturpolitische Sprecher der AfD-Landtagsfraktion, Rainer Balzer, sagt in einer Plenarsitzung über Kunstfreiheit und Theater: "Wenn sich Theaterintendanten und Regisseure im eigenen Saft braten wollen und eine Kunst für immer weniger Zuschauer hervorbringen, können sie das gern tun – aber ohne Steuergelder. Wenn die Theater mit Steuergeldern subventioniert werden, dürfen sich die Intendanten und Theaterregisseure nicht von der Bevölkerung entfremden."

November 2017, Sachsen-Anhalt

Hans-Thomas Tillschneider, kulturpolitischer Sprecher der AfD-Landtagsfraktion Sachsen-Anhalt, veröffentlicht eine Presseerklärung:

»Die Aufgabe des deutschen Theaters war von Beginn an die Vermittlung von nationaler Identität – daher die Bezeichnung vieler Theater als 'Nationaltheater'. Wenn wir eine starke Theaterkultur wollen, brauchen wir also zuerst eine starke Nationalkultur. (...) Grundlage und Ausgangspunkt jeder Kulturförderung muss vielmehr ein selbstbewusstes Bekenntnis zur deutschen Identität sein, wie es allein die AfD vertritt.«

Dezember 2017, Berlin

Schriftliche Anfrage des AfD-Abgeordneten Thorsten Weiß im Berliner Abgeordnetenhaus:

»Sind dem Zentrum für Politische Schönheit seit 2002 Fördergelder oder sonstige Fördermaßnamen seitens der jeweiligen Senate bewilligt worden? (...) Wie bewertet es der Senat, dass das staatlich finanzierte Maxim Gorki Theater die Schirmherrschaft über das Projekt "deine-stele" des Zentrums für Politische Schönheit übernommen hat, im Zuge dessen die Staatsanwaltschaft Mühlhausen Ermittlungen gegen das ZPS aufgenommen hat? Mit welchen Maßnahmen unterstützt das Maxim Gorki Theater das Zentrum für Politische Schönheit und auf welche Summe belaufen sich die dafür verwendeten finanziellen Mittel? (...) Fanden seit 2012 Kooperationen zwischen der Berlin Biennale und dem Zentrum für Politische Schönheit statt und falls ja, welcher Art waren diese Kooperationen? (...) Fanden seit 2002 sonstige Kooperationen zwischen staatlichen Kultureinrichtungen und dem Zentrum für Politische Schönheit statt?«

Mehrere graue Beton-Stelen vor einem Haus.
Aktivisten vom Zentrum für Politische Schönheit errichteten am 22.11.2017 eine Nachbildung des Holocaust-Mahnmals auf dem Nachbargrundstück von Björn Höcke in Bornhagen. | Bild: picture alliance/Eventpress

Dezember 2017, Berlin

Kleine Anfrage der AfD-Bundestagsabgeordneten Marc Jongen, Petr Bystron, Nicole Höchst, weiterer Abgeordneter und der Bundestagsfraktion der AfD zum Künstlerkollektiv Zentrum für politische Schönheit:

»Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, ob Aktivisten des ZPS mit öffentlichen Geldern, zum Beispiel aus dem  Hauptstadtkulturfonds, gefördert werden oder wurden? Falls ja, hat die Bundesregierung Kenntnis von der Verwendung dieser öffentlichen Gelder? Wurden diese öffentlichen Gelder gegebenenfalls zurückgefordert? Wie beurteilt die Bundesregierung die wiederholte Kooperation des Berliner Maxim Gorki Theaters, dessen Projekte immer wieder auch mit Mitteln des Hauptstadtkulturfonds gefördert werden, mit dem ZPS?«

Januar 2018, Hamburg

Vier Personen aus der Identitären Bewegung versuchen, Plakate mit Opfern von Terroranschlägen sowie Abbildungen vom Pariser Bataclan am Thalia Theater anzubringen. Vorher hatte die Gruppe bereits einige Plakate am Gerhart-Hauptmann-Platz über den Werbeplakaten des Thalia Theaters angebracht. Die Identitäre Bewegung Hamburg stellt am nächsten Tag Fotos der Aktion ins Internet.

März 2018, Berlin

Anlässlich der Premiere "Gorki – Alternative für Deutschland" twittert der kulturpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion Marc Jongen: "Und wieder wird von einer deutschen Bühne herab gegen die AfD gehetzt."

Mai 2018, Berlin

Weil sich das Maxim Gorki Theater zu der antirassistischen "Unite & Shine"-Demonstration aufgerufen hatt und sich Mitarbeiter des Theaters an der Demonstration beteiligt hatten, polemisiert der Berliner AfD-Abgeordnete Hans-Joachim Berg in einer Presseerklärung: 

»Mit seinem infamen Aufruf spannt sich das Gorki-Theater erneut vor den gesinnungspolitischen Propaganda-Karren der vereinigten Linken in Berlin, anstatt seinem freiheitlich-pluralistischem Kulturauftrag gerecht zu werden! Auch wenn den Berlinern einschlägig bekannt ist, dass das Maxim Gorki Theater (und andere Bühnen der Stadt wie das Deutsche Theater) seine 'Kunstfreiheit' zum Gesinnungskampf gegen die Freiheit Andersdenkender missbraucht, werden wir immer wieder auf die ideologischen Liebesdienste der Berliner Gesinnungstheater hinweisen.«

Menschen halten glitzernde Fahnen mit der Aufschrift "AfD wegglitzern" in die Höhe.
27.05.2018 in Berlin: "Glänzende Demonstration" gegen die AfD vor dem Brandenburger Tor. | Bild: dpa

Juni 2018, Berlin

Störung der Vorstellung "Gala Global" am Deutschen Theater durch Mitglieder der Identitären Bewegung. Sie rufen mit einem Megafon Parolen und verteilten Flugblätter. Die Vorstellung muss abgebrochen werden.

August 2018, Paderborn

Der AfD-Kreisverband Paderborn erstattet gegen das Theater Paderborn Anzeige wegen Verleumdung und Volksverhetzung. Grund ist eine Karikatur im Programmheft zur Inszenierung "Andorra". Die Staatsanwaltschaft sieht keine rechtlichen Voraussetzungen, um Ermittlungen aufzunehmen.

Oktober 2018, Cottbus

Nachdem das Cottbuser Piccolo Theater 2018 in seinem Stück "KRG" die Dystopie einer faschistischen Diktatur im Deutschland der Zukunft gezeigt hatte, fragt im Brandenburger Landtag der AfD-Fraktionsvorsitzende Andreas Kalbitz, weshalb das Theater subventioniert wird: "Aus welchem Grund soll eine Förderung in dieser Größenordnung erfolgen und welche Bedingungen sind daran geknüpft? (...) Wie viele Stücke mit politischem Bezug ähnlich dem Theaterstück KRG werden in den Jahren dieser Legislaturperiode am Piccolo Theater aufgeführt?"

Oktober 2018, Berlin

Kleine Anfrage des Berliner AfD-Abgeordeten Hans-Joachim Berg zu den Unterzeichnern des Aufrufs "AfD wegbassen", einer Initiative der Berliner Club-Szene:

»Welche Kenntnisse hat der Senat über die Finanzierung des Bündnisses 'AfD wegbassen'? Hat das Bündnis 'AfD wegbassen' staatliche/öffentliche Mittel des Landes Berlin erhalten? Kann der Senat ausschließen, dass das Bündnis 'AfD wegbassen' für seine Kampagnen staatliche/öffentliche Mittel genutzt hat? Welche der Unterzeichner des Bündnisses waren oder sind Gegenstand von Informationsbeschaffungen seitens des Landesamtes für Verfassungsschutz? Welche der genannten Unterzeichner erhielten für ihre eigene Arbeit oder projektbezogen in den letzten zehn Jahren staatliche/öffentliche Gelder?«

Oktober 2018, Brandenburg, Kreis Oberhavel

Anfrage der AfD im Potsdamer Landtag, ob die Landesregierung das Punk-Festival "Resist to Exist" als linksradikal einschätze.

November 2018 Schwerin

Nachdem der am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin engagierte Schauspieler Robert Höller in einem Interview mit der Schweriner Volkszeitung die "Angriffe der AfD auf Kultureinrichtungen" als "gefährlich" bezeichnet hatte, erklärt Nikolaus Krämer, Vorsitzende der AfD-Landtagsfraktion: "Dass ausgleichend zu avantgardistischen Aufführungen auch identitätsstiftende Stücke zur Besinnung auf die deutsche Leitkultur angeboten werden sollen, kann nicht verwerflich sein."

November 2018, Chemnitz

Anonyme Bombendrohung gegen ein Konzert der antifaschistischen Band "Feine Sahne Fischfilet" im AJZ Chemnitz.

November 2018, Bad Schwartau 

Anonyme Bombendrohung gegen die Vorführung des Films "Wildes Herz" über die Band "Feine Sahne Fischfilet".

Dezember 2018, Essen

Der Veranstalter des internationalen Literaturfestivals "Literatürk 2018", das Essener Kulturzentrum Grend, erhält einen anonymen Brief: "Verehrte Türken, Literatürk ist überflüssig. Lesen Sie das in Istanbul. Buchen Sie viele Flüge. Haun Sie ab aus Deutschland."

Dezember 2018, Hamburg

In einer Großen Anfrage in der Bürgerschaft fragen Abgeordnete der AfD, ob die von der Behörde für Kultur und Medien finanziell geförderten Kultureinrichtungen parteipolitische Einflussnahmen gegen die AfD unterstützen oder mit Linksradikalen kooperieren.

Januar 2019, Hannover

Die AfD-Fraktion im Landtag Niedersachsen will sich gegen den Willen der Überlebendenverbände in den Stiftungsrat der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten einklagen. Die Stiftung ist unter anderem für die KZ-Gedenkstätte Bergen-Belsen zuständig. Der Stiftungsgeschäftsführer Jens-Christian Wagner bezeichnet die Klage der AfD als "Angriff gegen die Gedenkstättenarbeit". Der Niedersächsische Staatsgerichtshof weist hat die Klage der AfD-Fraktion zurück.

Januar 2019, Berlin

In einer Bundestagsdebatte zur Förderung der Kultur im ländlichen Raum erklärt der AfD-Abgeordnete Götz Frömming: "Es geht Ihnen vorrangig doch gar nicht um die Bewahrung der bestehenden, über Jahrhunderte gewachsenen dörflich-ländlichen Kultur, sondern um die Befriedigung der Interessen einer ganz bestimmten Klientel, die Kultur aus den urbanen Räumen nun aufs Land quasi exportieren soll. (...) Wir als AfD-Fraktion lehnen es ab, unter dem Vorwand der Kulturförderung die Menschen in den ländlichen Räumen umerziehen zu wollen." Auch der AfD-Abgeordnete Martin Erwin Renner polemisiert gegen die Kulturpolitik der Bundesregierung:

»Wir sehen die Gefahr, dass durch gezielte ideologiebasierte Bundeszuwendungen Abhängigkeiten entstehen, die wir im Bereich der Kunst und der Kultur nicht haben wollen. Über die Jahre wird so ein angepasstes, politisch korrektes kulturelles Justemilieu entstehen, dessen nachhaltiges wirtschaftliches Überleben von den richtigen politisch-administrativen Kontakten und den dargebrachten Fördertöpfen des Bundes abhängig ist. Das aber braucht niemand.«

Februar 2019,  Landkreis Vorpommern-Greifswald

Antrag der NPD-Fraktion im Kreistag:

»Der Kreistag möge beschließen: Der Kreistag distanziert sich von der kulturpolitischen Erklärung "der Vielen" und weist diese zurück. Am 14. Januar 2019 unterzeichneten etwa 30 sogenannte Kulturinstitutionen in der Stadthalle Greifswald eine "Erklärung der Vielen". In dieser stellten sie sich als Opfer rechter Umtriebe dar. Sie hätten rassistische und populistische Kritik auszuhalten und würden giftig und aggressiv gestört. Das wehleidige Gejammer ist unangebracht. Bei den Unterzeichnern handelt es sich vielmehr in zahlreichen Fällen um hoch subventionierte, reich mit Steuergeldern ausgestattete Einrichtungen, die unter dem Deckmantel der Kunst einseitig linke bis linksextreme Propaganda verbreiten. Kritik hieran haben sie auszuhalten.«

Februar 2019, Bochum

In einer Kleinen Anfrage zur öffentlichen Finanzierung Bochumer Kultureinrichtungen fragt die AfD-Landtagsabgeordnete Gabriele Walger-Demolsky "vor dem Hintergrund einer jährlichen Förderung der 'Freien Kulturszene' durch die Stadt Bochum in Höhe von 1,5 Millionen Euro. 2017 hatte der Rat der Stadt Bochum, gegen die Stimmen der AfD, eine Festschreibung der Fördersumme inklusive einer jährlichen Anpassung beschlossen. Ich frage daher die Landesregierung: (...) Welchen Trägern der 'Freien Kulturszene' der Stadt Bochum wurden im Haushaltsjahr 2018 Fördermittel gewährt? (...) Wird bei der Vergabe der Fördermittel die Verfassungstreue der Träger geprüft?"

März 2019, Berlin

Marc Jongen, kulturpolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, nennt ein Eckpunktepapier, in dem Kulturminister und -senatoren des Bundes und der Länder die Museen auffordern, die Herkunft von Werken aus kolonialen Kontexten zu untersuchen und Raubkunst an die Herkunftsländer zurückzugeben, "moralischen Größenwahn, der längst jedes Augenmaß für das Leistbare und Angemessene verloren hat". Er beklagt, dass in die Debatte "die kuratorischen und konservatorischen Leistungen, die in über 100 Jahren in deutschen Kulturinstitutionen erbracht wurden, um Artefakte zu erhalten, die jetzt als 'prägend' für die Geschichte und kulturelle Identität ehemaliger Kolonialstaaten behauptet werden", übersehen werden.

März 2019, Potsdam

Die AfD Potsdam erklärt in ihrem kommunalpolitischen Grundsatzprogramm:

»Wir wollen ausgewählte, herausragende Projekte fördern und nicht 'mit der Gießkanne' des Steuerzahlers wenig frequentierte oder gering öffentlich präsente Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen unterstützen.«

März / Mai 2019, Freiberg

Nachdem das Theater Freiberg (Sachsen) eine Autorenlesung und Diskussion über den neuen Rechtspopulismus angekündigt hatte ("Wenn Christen Populisten werden"), polemisiert eine rechte Facebookgruppe ("Bergstadtgeflüster" – etwa 800 Mitglieder) gegen die Veranstaltung: "ekelhaftes Treiben", "linksgrünes Schmierentheater". Oberbürgermeister Sven Krüger (parteilos) untersagt die Veranstaltung im Theater, weil er darin eine Verletzung der Neutralitätspflicht sieht. Die Veranstaltung muss kurzfristig auf einen städtischen Saal ausweichen.

AfD-Stadtrat Marko Winter kommentiert die Veranstaltung in einer Presseerklärung der AfD:

»Es ist nicht der Sinn eines Theaters, links-grüne Parteiideologie zu verbreiten. Es muss geklärt werden, welche Steuergelder geflossen sind und wie weit eine Zweckentfremdung von Theaterfinanzen vorliegt." Im Mai untersagt Oberbürgermeister Krüger, dass künftig "derartige Veranstaltungen in den Räumlichkeiten des Theaters organisiert und durchgeführt werden.«

Mai 2019, Dresden

Anlässlich der vom Amt für Kultur und Denkmalschutz der Landeshauptstadt Dresden unterstützten Plakataktion "Dresden neue Heimat für Muslime attraktiver machen – Yenidze wird zur Moschee" des Künstlerkollektivs "Armada of Arts" teilt die AfD-Stadtratsfraktion mit, hier werde "Provokation als Selbstzweck gefeiert (....) Wenn so etwas als Kunst gilt, dann ist auch Pegida auf Grund der Performance, disruptiven Intervention im öffentlichen Raum sowie Zuspitzung eine hohe und förderungswürdige Form der Kunst".

Mai 2019, Berlin

Der medienpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Martin Renner, kritisiert die Kriterien, nach denen der vom Bund finanzierte Fonds Darstellende Künste Stipendien an Künstler vergibt:

»Kunst kommt von Können, sagt bereits der Volksmund. Wenn Kultur Werte und Identität stiftet und als Brückenbauer in der Gesellschaft agieren soll, kann sie nicht nach dem Tombola-Prinzip gefördert werden. Kunst (...) muss immer einer Beliebigkeit vorbauen, weil in der Maske der Kunst Kitsch und Propaganda um nichts weiter als um Geld buhlen.«

Mai 2019, Dresden

Die AfD-Fraktion im Stadtrat Dresden fordert, das als Spielstätte für Avantgarde-Theater genutzte Festspielhaus in Dresden Hellerau in Zukunft an kommerzielle Nutzer zu vermieten.

Juni 2019, Dresden

Die stellvertretende Vorsitzende der AfD-Stadtratsfraktion Dresden, Silke Schöps, nennt das Festspielhaus ein "Fass ohne Boden" und fordert ein Programm für "ein breites Publikum. Wenn die Qualität stimmt, sind Besucher auch bereit, deutlich höhere Eintrittspreise zu zahlen. Betont niedrige Eintrittspreise und kostenlose Angebote sind der falsche Weg. National wie international gibt es Bühnen, die sich ganz ohne oder mit deutlich weniger Zuschüssen finanzieren. (...) Kunst darf (...) sich (schon gar) nicht zum Protagonisten politisch linker Randgruppen machen lassen. Warum sollten das gerade diejenigen mit ihren Steuergeldern auch noch (mit)finanzieren, für die das alles keinerlei Relevanz hat oder die sogar gezielt aus dem Diskurs ausgegrenzt werden?"

Ansicht des Theaters Hellerau in Dresden vor blauem Himmel.
Das Europäische Zentrum der Künste Hellerau in Dresden. | Bild: dpa

Juni 2019, Stuttgart

Anfrage im Landtag Baden-Württemberg: AfD-Abgeordnete wollen wissen, wie viele Balletttänzer, Schauspieler, Sänger und Musiker an den Opern und Theatern des Bundeslandes keinen deutschen Pass besitzen, welche Staatsangehörigkeit die Künstler haben und wo sie ausgebildet wurden.

Juni 2019, Osnarbrück

Schüler der 11. Klasse der Gesamtschule Schinkel zeigen ihr selbst geschriebenes, antirassistisches Theaterstück "Danke, AfD". Der bildungspolitische Sprecher der AfD-Landtagsfraktion, Harm Rykena, fordert: "Die Schulleitung muss eine parteipolitische Instrumentalisierung ihrer Schüler unterbinden. Diese Theateraufführung ist eine Verletzung der schulischen Neutralitätspflicht."

August 2019, Berlin

Antrag der AfD-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung Berlin Pankow:

»Die BWW möge beschließen, die Leiterin des Theaters unterm Dach wegen Verletzung des politischen Neutralitätsgebots zu ermahnen. Gleichzeitig ist dem Theater (…) im Falle einer erneuten Verletzung des Neutralitätsgebots die Einstellung der finanziellen Förderung anzuzeigen." Das Theater hatte in einem Programmheft zur Inszenierung "Dreck" über eine Partei geschrieben, die mit offen ausländerfeindlichen Parolen Erfolg hat.«

Die Chronik wird fortgesetzt.

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