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Zeichner, Grafiker, Erzähler – Christoph Niemann im Mannheimer Kunstverein

PlayEin Mann mittleren Alters mit lichtem Haar und Brille steht lachend vor einer dunklen Wand. Er verschränkt de Arme.
Christoph Niemann in Mannheim | Video verfügbar bis 11.02.2025 | Bild: picture alliance / Taylor Jewell/Invision/AP | Taylor Jewell

Er hat den Mannheimer Kunstverein in ein Gesamtkunstwerk verwandelt: auf dem Boden ein riesiger Stadtplan, an den Wänden Zeichnungen und hintersinnige Fotocollagen sowie Illustrationen. Publikumsliebling Christoph Niemann hat auf seinem Instagram-Kanal über eine Million Follower, wie kein anderer zeichnet er mit viel Witz und überbordender Kreativität, immer mit Bleistift oder Pinsel. Künstliche Intelligenz sei aber nichts für ihn, sagt er: „KI ist eine Abkürzung, macht Dinge effizienter, Kunst hat aber nichts mit Effizienz zu tun, eher mit dem Gegenteil. Mich interessiert der kreative Prozess, den kann man nicht vorspulen.“

Mannheim von oben: Eine Stadt mit einem markanten Stadtbild aus Quadraten. Und diese 60er-Jahre-Kiste: der Mannheimer Kunstverein von außen. Innen: ein grafisches Gesamtkunstwerk von Christoph Niemann. Auf dem Boden: Mannheims Stadtplan als großer Wurf in Schwarz-Weiß. "Wenn ich 'ne schwarze Tusche hab auf weißem Papier, das sieht so wahnsinnig gut aus, und das sieht auch schon, wenn man mit 8 Jahren so 'nen schwarzen Pinsel hat, und so über ein weißes Papier geht, das ist so ein grandioser Effekt. Der hat immer noch soviel Kraft, auch wenn dann Farbe und soviel andere Medien dazukommen können. Aber für mich ist das der 'patient zero' (der, der alle ansteckt) der Kunst."

Im schnöden Alltag findet Niemann Inspiration

Christoph Niemanns gezeichnete Geschichten brauchen keine Worte. Im schnöden Alltag findet er Bildwitz. Mal erwischt es den Kölner Dom, oder brackiges Berliner Kanalwasser wird aufgewertet. Er nimmt Vertrautes und setzt es in völlig neuen Zusammenhang. Mit seinen GIFs ironisiert er wachsenden Militarismus. Niemanns Reaktion auf die sogenannte Zeitenwende. Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit, zeigt uns sein "Panzer-Pinocchio", entstanden in den ersten Wochen des Ukraine-Kriegs.

"Zeichnung lebt von Reduktion", erklärt der Künstler. "Auch dieses Bild ist so reduziert, da kann ich dem Leid, der politischen Dramatik gar nicht gerecht werden. Und trotzdem denke ich, dass es eine Möglichkeit ist, vielleicht ein bisschen wie ein Ventil, an dem ich meine eigenen Gedanken abprallen lassen kann. Wie in so einem Pingpong-Spiel diese ganzen Fluten an Informationen rauszulassen, um dann wieder frisch nachzudenken."

Eine Skyline wie ein QR-Code. Nicht die Realität ist entscheidend, sondern das Bild, das wir uns von ihr machen. Niemann weiß, wie Menschen beim Sehen ticken: "Die Stadt New York ist auch ein schönes Beispiel: als ich da das erste Mal hingegangen bin, dachte ich so: hm, die Freiheitsstatue ist eher ein bisschen kleiner, als ich mir das vorgestellt hab. Und so viele Straßenschluchten, es gibt ein paar Stellen, an denen man wirklich die Straßenschluchten hat, aber man sucht ja noch nach diesem Bild im Kopf, das man von einem Ort hat, und das ist vielleicht auch eine Sache, die ich in der Zeichnung versuche, zu machen: eher dem Bild anzunähern, was wir im Kopf haben, weil die Realität manchmal nicht so sexy ist, wie wir uns das wünschen."

KI in der Kunst? Das funktioniert nicht

Vergangenen November präsentiert er an der Fassade des Horst-Janssen-Museums in Oldenburg sein bislang größtes Werk. 50 Meter lang. Der tägliche Schaffensprozess als Neon-Kunstwerk. Ein Hingucker bei Tag und bei Nacht. Und sein Blick in die Zukunft? Glaubt der fleißige Illustrator, dass ihm die "Künstliche Intelligenz" 'mal die Arbeit abnimmt?

"Von den Modellen, die ich heute kenne, ist die Funktion von künstlicher Intelligenz in der Kunst eine Abkürzung", sagt Niemann. "Der Versuch, Dinge schneller, effizienter zu machen. Und Effizienz in der Kunst, das ist die Antithese von Kunst, weil Kunst soll ja nicht effizient sein. Da geht's ja nicht drum, dass ich auf den Knopf drücke und Kunst kommt raus. Das wäre genauso, wie wenn ich sag: ich mache mit meiner Frau ein schönes Abendessen, und ich spule vor auf den Moment, wo wir zahlen und gehen."

So schön ineffizient, voller Leben und Phantasie. Buntes Sehen in Schwarz-Weiß, so zeigt uns Christoph Niemann seine kleine und große Kunst in Mannheim.

"Christoph Niemann Kontrast"
läuft vom 11.2.-28.4.24 im Mannheimer Kunstverein

(Beitrag: Ralf Dörwang)

Stand: 12.02.2024 14:24 Uhr

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