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Österreich und die FPÖ - Was droht der Kulturszene?

Österreich und die FPÖ - Was droht der Kulturszene? | Video verfügbar bis 02.02.2026 | Bild: picture alliance / HELMUT FOHRINGER / APA / picturedesk.com | HELMUT FOHRINGER
Kay Voges, Direktor des Wiener Volkstheaters, sitzt in einem Theatersaal.
Kay Voges positioniert sich als Direktor des Wiener Volkstheaters auf kreative Weise gegen die FPÖ. | Bild: NDR

Österreich steht vor einer politischen Zäsur - vielleicht sogar vor einer Zeitenwende. Eine Regierung unter einem rechtsnationalen Bundeskanzler? Bisher schien das undenkbar. Doch nun wird es immer wahrscheinlicher, und die Kunstwelt steht unter Schock.
Kay Voges, künstlerischer Direktor des Wiener Volkstheaters, erklärt: "Ich glaube, die FPÖ ist eine klar rechtsextremistische Partei. Und diese Partei wird jetzt gesellschaftsfähig gemacht. Sie soll Gesetze machen. Sie soll auch die Kulturpolitik bestimmen. Und da weiß man, was als Erstes verlorengeht - die freie Meinungsäußerung, der humanistische Geist."
Schon im Herbst, als sich der Wahlsieg der FPÖ abzeichnete, reagierte Voges mit einer provokanten künstlerischen Intervention: Sein Theater wollte er in "Deutsches Volkstheater" umbenennen, und in einem eigens produzierten Video träumt die fiktive Band "Die Hitlers" von einer Heimkehr Österreichs ins Reich. Eine Parodie auf Kickls Selbstbezeichnung als "Volkskanzler" - ein Begriff, den auch die Nationalsozialisten für Adolf Hitler verwendeten. "Ich glaube, wenn Kickl vom Volkskanzler spricht, dann meint er eigentlich einen völkischen Kanzler", sagt Voges. "Einen Kanzler, der für die Österreicherinnen und Österreicher da ist, aber der alles andere ausschließt.“

Herbert Kickls Angriff auf Kulturschaffende im Wahlkampf

Der österreichische Rechtspopulist Herbert Kickl an einem Rednerpult im Rampenlicht.
Rechtspopulist Herbert Kickl (FPÖ) hat viele Feindbilder. | Bild: NDR

Kickl reagiert, nimmt Voges und andere Intellektuelle im Wahlkampf ins Visier. Auf einer Veranstaltung am 27. September 2023 sagt er: "Die Menschen lassen sich nicht beeindrucken von irgendwelchen geschichtsvergessenen Figuren, lauter linke Kulturschaffende, die wir da aus Deutschland importiert haben."
Herbert Kickl ist einer, der viele Feindbilder hat. Eines davon ist ganz klar die Kultur, zumindest eine bestimmte Form der Kultur. 2020 äußerte er sich abwertend über "Multikulti aller Art", über "ein Herumtransen und Herumgendern". Zeitgenössische Kunstschaffende sind für ihn elitär, durchgefüttert von staatlichen Subventionen. Doch von genau diesen Fördergeldern hängen viele ab - eine ganze Branche ist in Gefahr. 

Raphaela Edelbauer in Sorge um die Kulturszene

Die österreichische Schriftstellerin Raphaela Edelbauer sitzt in einem Cafe und liest.
Mit der FPÖ hat Raphaela Edelbauer ein ganz grundsätzliches Problem - als Schriftstellerin und als Frau. | Bild: NDR

Auch die Schriftstellerin Raphaela Edelbauer sorgt sich um die Zukunft der freien Kunstszene: "Ich glaube, dass gerade die freie Kulturszene immens unter Druck gerät, die ja ohnehin schon seit Jahrzehnten am existenziellen Abgrund balanciert. Also es ist ja nicht so, als wären die Leute bisher in Geld geschwommen." Eine fiebrig-düstere Geschichte am Vorabend des ersten Weltkriegs. Raphaela Edelbauer kann inzwischen von der Schriftstellerei leben - im Gegensatz zu vielen Kollegen. Sie schreibe "Anti-Heimatliteratur" sagt Edelbauer. Mit der FPÖ hat sie ein ganz grundsätzliches Problem - als Schriftstellerin und als Frau: "Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Mensur, Männlichkeitsideale, eindeutig natürlich ein sogenanntes Bekenntnis zur Heimat, das immer eine Verunglimpfung des anderen, ein Othering impliziert. Also es ist alles daran hochgradig problematisch."

Wird "Volkskultur" freie Kunst ersetzen?

Ein österreichisches Wahlplakat, ein Schmähplakat, auf dem u.a. die Künstlerin und Parteikritikerin Elfriede Jellinek aufgeführt wird.
Namentliche Erwähnung u.a. der kritischen Künstlerin Elfriede Jellinek auf einem Schmähplakat in den 1990er Jahren. | Bild: NDR

Für Edelbauer ist das, was da politisch kommen könnte, ein Alptraum. Ein Aushungern der alternativen Kulturszene, dazu Rufschädigung wie bei Elfriede Jelinek, die schon im Österreich der 90er Jahre eine vergiftete Öffentlichkeit feststellt - und dafür namentlich auf FPÖ-Schmäh-Plakaten auftaucht. Im aktuellen Wahlprogramm der FPÖ heißt es, man wolle die "Volkskultur" stärken. Mehr Geld solle in heimische Musikverbände, Chöre und Musikkapellen fließen. 

Voodoo Jürgens über Proteste: "Irgendwann geht die Luft aus"

Der österreichische Liedermacher, Schauspieler und Maler Voodoo Jürgens mit einer Gitarre. Er lacht.
Der österreichische Liedermacher, Schauspieler und Maler Voodoo Jürgens ist eine Art Gegenentwurf zu Udo Jürgens. | Bild: NDR

Voodoo Jürgens ist eine Art Gegenentwurf zu Udo Jürgens - kein Schlager, keine Heimattümelei. Stattdessen der liebevolle Blick ins Wiener Kneipenmilieu, in die Köpfe der Menschen. Viele hätten sich an die politische Misere gewöhnt, seien lethargisch geworden. "Ich kann mich erinnern, wo das erste Mal die schwarz-blaue Regierung da angelobt worden ist. Wir sind jeden Donnerstag im Ersten gestanden und haben demonstriert dagegen. Und irgendwann geht da halt auch die Luft aus, weil die spielen halt dann auf Zeit und nach drei Monaten ist das dann abgeflacht. Und das ist halt scheiße."

Noch ist Kickl nicht Kanzler. Aber die österreichische Politik sagt nicht mehr Nein zu dieser Option. Für Kultur, Künstler und Freigeister könnte es bald sehr unbequem werden.

(Beitrag: Anna Tillack)

Stand: 02.02.2025 17:18 Uhr

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Norddeutscher Rundfunk
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