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Frauenhass im Internet

Myriam Leroys Roman "Rote Augen"

PlayDie Journalistin und Autorin Myriam Leroy
Myriam Leroys Roman "Rote Augen" | Video verfügbar bis 12.11.2024 | Bild: WDR

In ihrem Heimatland Belgien ist sie eine der wichtigsten feministischen Stimmen: die 1982 in Brüssel geborene Journalistin, Autorin und Dokumentarfilmerin Myriam Leroy. Ihr erster Roman "Ariane" war für den "Prix Goncourt" in der Sparte "Debüt" nominiert. "Rote Augen", ihr zweiter Roman, wurde in Belgien 2019 veröffentlicht. Jetzt ist in der Edition Nautilus die deutsche Übersetzung erschienen. ttt hat Myriam Leroy in Brüssel getroffen.

Virtuelle Hassorgien

Eine junge Radiomoderatorin bekommt auf Facebook eine Freundschaftsanfrage eines ihr unbekannten Mannes namens Denis. Sie nimmt an und lässt sich zögerlich auf einen Austausch mit ihm ein. Doch die Verehrung ihres angeblichen Bewunderers schlägt bald in Verachtung, ja in regelrechten Hass um. Als sie versucht, ihn zurückzuweisen, und aus ihrer Freundschaftsliste streicht, beginnt Denis, sie zu demütigen, ihr bei der Arbeit nachzustellen und Gerüchte über sie zu verbreiten. Sie bekommt Mord- und Vergewaltigungsdrohungen. Freunde und Kolleginnen, Polizei und Anwälte reagieren hilflos oder mit Unverständnis, während das Leben der Erzählerin langsam zerstört wird. Schließlich schmiedet sie einen Racheplan – und wird selbst zur Täterin mit paranoiden Wahnvorstellungen erklärt.

Die Hölle im Netz

Es ist Myriam Leroys eigene Geschichte, die sie höchst kunstvoll fiktionalisiert hat. "Ich wollte einen Roman schreiben, in dem man beim Lesen das Mobbing so spürt, als würde man es selbst erleben. Das Buch ist wie eine Falle. Es ist ein psychologischer Thriller, in dem man spüren kann, was es bedeutet, Hass im Internet zu erleben."

Myriam Leroy weiß, wovon sie spricht. "Alles begann, als ich ein wenig bekannter wurde, in belgischen und französischen Medien sichtbar. Ich habe Radio gemacht. Meine Moderationen im Studio wurden gefilmt. Ich war politische Kommentatorin. Fast unmittelbar begann sexistisches Mobbing. Man versuchte, mich zu trösten, und sagte mir: Ist doch toll, die sind in dich verliebt, die finden dich toll!"

Was Myriam Leroy erlebt hat, ist kein Einzelfall. Beklemmend deutlich wird das in ihrer "Arte"-Dokumentation "#dreckshure". Gemeinsam mit ihrer Co-Autorin Florence Hainout lässt sie Dutzende Frauen zu Wort kommen, die selbst Hass, Bedrohungen, rassistische und sexistische Beschimpfungen im Netz erlebt haben. Die Attacken richten sich nicht nur, aber oft gegen Frauen, die im öffentlichen Raum wirken – Politikerinnen, Journalistinnen, Künstlerinnen, Influencerinnen –, Frauen, die sich außerhalb der tradierten Geschlechterrollen bewegen. Besonders bitter ist ihre Erfahrung, dass sie kaum Unterstützung finden. Strafrechtliche Konsequenzen bleiben aus. "Heute werden Kriminelle, die ein Autoradio stehlen, härter bestraft als Cybermobber", sagt Myriam Leroy.

Sie selbst hat aus ihren Erfahrungen die Konsequenz gezogen und die Sozialen Medien weitgehend verlassen. "Ich hatte einen relativ großen Twitter-Account mit 50.000 Followern. Vor ein paar Jahren war das sehr viel, und für meine Karriere war es wichtig. Heute habe ich nur noch einen privaten Insta-Account. Ich habe mich zurückgezogen, obwohl das für meine berufliche Situation schlecht ist." Und sie hat eine weitere Beobachtung gemacht: Frauen geben nicht nur ihre Präsenz im Internet auf, sie verlassen auch das Feld des Journalismus. "In Belgien sind die Redaktionen schon jetzt nur noch zu 30 Prozent mit Frauen besetzt. Dabei sind 70 Prozent der Absolventen von Journalistikstudiengängen Frauen."

Buchtipp

Myriam Leroy: Rote Augen.
Edition Nautilus 2023, Preis: 22 Euro

Autorin des TV-Beitrags: Brigitte Kleine

Die komplette Sendung steht am 12. November ab 20 Uhr zum Abruf in der Mediathek bereit.

Stand: 12.11.2023 17:57 Uhr

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