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Künstlerfreundschaft auf Augenhöhe: Gundula Schulze Eldowy und Robert Frank

PlayGundula Schulze Eldowy: "Berlin in einer Hundenacht", 1982
Künstlerfreundschaft: Gundula Schulze Eldowy & Robert Frank | Video verfügbar bis 25.02.2025 | Bild: Gundula Schulze Eldowy

Gundula Schulze Eldowy ist erst 23 Jahre alt, als sie 1977 beginnt, die Straßen und Menschen Ost-Berlins rund um den Alexanderplatz zu fotografieren. Einfühlsam und mit behutsamer Neugier nähert sie sich den Randbezirken des Lebens. Die entstehende Serie nennt sie "Berlin in einer Hundenacht".

Im Gespräch mit "ttt" erklärt sie: "Das, was einen Menschen ausmacht, sind seine besonderen Eigenschaften. Aber sich dazu zu bekennen, da haben viele Angst- und Schamgefühle. Das verstehe ich nicht. Und das ist eigentlich meine Aufgabe als Fotograf, Menschen das Selbstbewusstsein zu geben, ihren Charakter, ihre Persönlichkeit zu zeigen. Und ihnen zu sagen, was ich schön an ihnen finde."

Bilderzyklus "Berlin in einer Hundenacht" im Bröhan-Museum

Blick in die Ausstellung im Bröhan-Museum
Blick in die Ausstellung im Bröhan-Museum | Bild: ttt

Jetzt feiert Gundula Schulze Eldowy ihren 70. Geburtstag. Aus diesem Anlass zeigt das Berliner Bröhan-Museum die früheste und bekannteste Serie der Fotografin, die beim Blick auf ihre Arbeiten erzählt:

"In der Zeit, als ich in Berlin lebte und 'Berlin in einer Hundenacht' fotografiert habe, gab es sehr viele dieser Straßenzüge, die noch die alten Wunden der Stadt zeigten. Und es gab auch niemanden in Berlin, der nicht vertraut war mit diesen Wunden."

Begegnung mit Foto-Legende Robert Frank

Tausende Kilometer entfernt arbeitet zu gleicher Zeit ein Fotograf, der ebenfalls Menschen und Gesellschaft zum Thema hat: Robert Frank. Mit seinen neuen Blickwinkeln und Ausdrucksweisen revolutionierte er die Fotografie. Der ursprünglich aus der Schweiz stammende Robert Frank wurde in 60er-Jahren durch sein Buch "The Americans" zur Legende. Frank zeigt nicht die Gewinner des "American Way of Life", sondern die Verlierer und Vergessenen, am Rande der Straße:

"Ich erwarte immer etwas, das anders ist als das Gewöhnliche. Und oft kommt das Gegenteil raus: dass das Gewöhnliche sehr interessant ist. Das ist vielleicht das große Potenzial der Fotografie: dass das Gewöhnliche sehr exotisch wirkt."

Treffen 1985 in Ost-Berlin

Retrospektive blickt in die 80er: Robert Frank (l.) in Ost-Berlin
Retrospektive blickt in die 80er: Robert Frank (l.) in Ost-Berlin | Bild: ttt

1985 reist Robert Frank in die DDR, entdeckt die Foto-Szene in Ost-Berlin, auch Gundula Schulze Eldowy. Sie erinnert sich, wie sie damals ein Telegramm von ihm bekam.

"Er schrieb: 'Komm' bitte sofort vorbei.' Ich habe mir keine Gedanken gemacht, habe meine Sachen geschnappt, meine Fotos, und bin zu Rudolf Schäfer gefahren, der in Weißensee ein Haus mit Garten hatte. Alle wollten natürlich dem großen Meister Fotos zeigen. Und da ich zuletzt kam, war ich auch zuletzt an der Reihe. Und er sah die und sagte erst mal gar nichts. Er schaute mich an, mein Outfit im Cocktail-Kleid, blond und dann schaute er die sehr harten Bilder an und fragte dann nur: 'Willst du eine Ausstellung haben in New York?' Und dann habe ich gesagt: 'Ja.'"

Die Ausreise aus der DDR wird der jungen Schulze Eldowy nicht gestattet. Stattdessen schicken sich beide Briefe. In einem schreibt Frank: "Du hast so viel Sympathie fürs Leben, für die Menschen, welche vor dir stehen und ahnen, dass dieser Moment übrig bleiben wird." Die Künstlerfreundschaft ist Thema der Ausstellung unter dem Titel "Halt die Ohren steif" in der Berliner Akademie der Künste.

Nach dem Mauerfall unterwegs in New York

Gundula Schulze Eldowy und Robert Frank in New York
Gundula Schulze Eldowy und Robert Frank in New York | Bild: Gundula Schulze Eldowy

Über die Grenzen von Ost und West hinweg organisiert Robert Frank damals eine Schau mit Fotos von Gundula Schulze Eldowy in New York. Und als die Mauer fällt, reist auch sie endlich dorthin.

Im Rückblick erinnert sie sich an eine Begegnung voller Neugier und Respekt von Seiten des prominenten Fotografen: "Ich empfand sein Zugehen auf mich als Labsal, er hat mich nicht wie ein kleines Mädchen behandelt, sondern auf Augenhöhe und voller Wertschätzung. Das war ich vom Osten nicht gewöhnt."

Angekommen in New York öffnet sich für Gundula Schulze Eldowy eine neue Welt. Gleich drei Kameras hängt sie sich um, dann erkundet sie voller Lebenshunger die Stadt. Sie experimentiert mit Polaroids, mit Spiegelungen dann wieder belichtet sie Fotos doppelt. Es entstehen Bilder voller Poesie.

"Sehr, sehr helles Licht"

Fotografin Gundula Schulze Eldowy in der Berliner Ausstellung
Fotografin Gundula Schulze Eldowy in der Berliner Ausstellung | Bild: ttt

Gundula Schulze Eldowy erinnert sich: "New York hatte Licht wie Florenz. Sehr hell, sehr helles Licht mit großen, starken Schatten. Hinzu kommt, dass überall in Manhattan Spiegel sind, unendlich viele Spiegel. Und man kann sagen, dass der Spiegel schon der Eintritt ist in unsere andere Welt. Das heißt also, ein Bild ist nicht mehr die Realität."

Noch immer erschließt sich Gundula Schulze Eldowy die Realität über den Weg der Kunst, sie zeigt so, wie vielschichtig und unerschöpflich die Welt ist.

Autorin: Pamela Meyer-Arndt

Ausstellungstipps
"Berlin in einer Hundenacht", Bröhan-Museum, bis 14. April 2024
"Halt die Ohren steif! Gundula Schulze Eldowy und Robert Frank", Akademie der Künste, bis 1. April 2024

Stand: 25.02.2024 23:22 Uhr

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Mitteldeutscher Rundfunk
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