SENDETERMIN So., 19.11.23 | 23:05 Uhr | Das Erste

"Napoleon": Arbeit am Mythos

PlayFilmszene eines Mannes auf einem Schlachtfeld des 18. Jahrhunderts
"Napoleon": Arbeit am Mythos durch Regisseur Ridley Scott | Video verfügbar bis 19.11.2024 | Bild: 2023 Apple

Austerlitz. 2. Dezember 1805. Napoleon lockt die russische und österreichische Armee  aufs Eis. Und siegt. "Seine Intuition war großartig", sagt Regisseur Ridley Scott. "Er ist ein Wolf. Und ein Mann, der sehr verletzlich ist."

Napoleon als dahergelaufener Schurke

Napoleon auf seinem Pferd
Joaquin Phoenix als Napoleon | Bild: 2023 Apple

Napoleon Bonaparte. 1769 geboren. Korsischer Kleinadel. 12 Geschwister. Lärmempfindlich. Ridley Scott erzählt sein Leben als Kette militärischer Triumphe, von der Eroberung Toulons bis zur Ego-Expedition nach Ägypten, wo er in die Fußstapfen von Alexander dem Großen und Cäsar treten will.

"Wir entschieden ihn als einen dahergelaufenen Schurken zu zeigen", sagt Scott. "Er kam aus der korsischen Mittelschicht, hatte nicht viel Geld. Wir haben uns immer wieder seine Porträts angesehen und die sind fantastisch. Wenn man sie ansieht, dann erkennt man, wie hier ein Ego übermächtig wird."

Ridley Scott probiert, woran Stanley Kubrick scheiterte

Ein Mann gibt ein TV-Interview
Regisseur Ridley Scott | Bild: 2023 Apple

Tyrann. Aggressor. Ritter von der traurigen Gestalt. Mit Napoleon ringen, heißt: scheitern. Anfang der 70er Jahre will Stanley Kubrick den Film über ihn drehen, natürlich den "größten aller Zeiten". Er recherchiert jahrelang und scheitert dennoch. Der Film wird nie gedreht. Sein Waterloo. Jetzt also Ridley Scott. Immerhin: er hat geliefert. Aber kann man wirklich noch so Kriege zeigen? Mit Sirenengesang und distanzfreiem Säusel-Pathos?

"Abgesehen davon, dass er ein unglaublicher Stratege und beeindruckend intuitiv war als Politiker, war er auch gnadenlos", sagt Ridley Scott. "Und gleichzeitig fasziniert mich an ihm: Wie konnte ein Mann wie er, der auf dem Weg nach Moskau ist, der Russland erobern will, so davon besessen sein, was seine Frau in Paris macht?"

Die Briefe an die Geliebte sind romantisch – und schmutzig

Eine Krönung
Die Krönung Joséphines | Bild: 2023 Apple

Joséphine de Beauharnais, die Ex des guillotinierten Präsidenten der Nationalversammlung, ist älter als Napoleon, sieht sein Talent. Und ihren finanziellen Aufstieg. Er wird mit Joséphine den Einlass in die Pariser Gesellschaft finden und sich in sie verlieben. Aufrichtig, schwärmerisch, etwas: lächerlich.

"Er ist ihr total verfallen", sagt Scott. "Ich habe seine Briefe an sie gelesen, die auf fast komische Art grob, jugendlich, romantisch und ziemlich schmutzig sind. In den Briefen an Joséphine zeigt er sich verzaubert von ihr."

Ridley Scott hätte etwas Großes erschaffen können

Zwei Männer unterhalten sich an einem Filmset vor Kanonen
Ridley Scott und Joaquin Phoenix am Set | Bild: 2023 Apple

Ridley Scott zeigt sich eher verzaubert von Napoleon. Ein Film wie eine Staatsgemäldesammlung. Ein Schlachten-Tableau folgt dem nächsten. Öl tropft über die Leinwand. Der Pinselstrich ist dick. Krieg: als sinnfreies Ritual alter, etwas gelangweilter Männer. Ennui!

"Für mich ist Napoleon der Beginn der modernen Geschichte", sagt hingegen Scott. "In Frankreich gibt es noch heute viele Regeln und Strukturen, die auf ihn zurückgehen." Ridley Scott hätte etwas Großes erschaffen können. Mit etwas weniger Pathos, mehr Doppelbödigkeit. Das Porträt eines Kriegsherren als selbstgerechter Narr.

FILMTIPP 
Napoleon, USA / UK 2023, Regie: Ridley Scott, ab 23. November im Kino.

Stand: 19.11.2023 21:18 Uhr

3 Bewertungen
Kommentare
Bewerten

Kommentare

Kommentar hinzufügen

Bitte beachten: Kommentare erscheinen nicht sofort, sondern werden innerhalb von 24 Stunden durch die Redaktion freigeschaltet. Es dürfen keine externen Links, Adressen oder Telefonnummern veröffentlicht werden. Bitte vermeiden Sie aus Datenschutzgründen, Ihre E-Mail-Adresse anzugeben. Fragen zu den Inhalten der Sendung, zur Mediathek oder Wiederholungsterminen richten Sie bitte direkt über das Kontaktformular an die ARD-Zuschauerredaktion: https://hilfe.ard.de/kontakt/. Vielen Dank!

*
*

* Pflichtfeld (bitte geben Sie aus Datenschutzgründen hier nicht Ihre Mailadresse oder Ähnliches ein)

Kommentar abschicken

Ihr Kommentar konnte aus technischen Gründen leider nicht entgegengenommen werden

Kommentar erfolgreich abgegeben. Dieser wird so bald wie möglich geprüft und danach veröffentlicht. Es gelten die Nutzungsbedingungen von DasErste.de.

Sendetermin

So., 19.11.23 | 23:05 Uhr
Das Erste

Produktion

Bayerischer Rundfunk
für
DasErste