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"To Have and To Have Not" – 40 Jahre Billy Bragg

Wie der Sänger, Songwriter und Aktivist das Jubiläum feiert

Play40 Jahre auf der Haben-Seite: Billy Bragg im ttt-Gespräch
"To Have and To Have Not" – 40 Jahre Billy Bragg | Video verfügbar bis 05.11.2024 | Bild: ttt

Viele seiner Songs sollten die Menschen aufklären, sie politisch mobilisieren. "Dieser Song ist eine Postkarte aus Mrs. Thatchers Großbritannien. Er heißt: 'To Have and to Have Not'. Billy Bragg singt Mitte der Achtzigerjahre über die sozialen Verwerfungen seines Landes. Vier Jahrzehnte ist das her. Die Welt hat sich verändert. Und einer der großen politischen Songwriter Großbritanniens ist mittlerweile 65 Jahre alt. In seiner Heimat ist er populär und verschrien zugleich.

Alles eine Frage der Haltung

Will Menschen durch Musik zusammenbringen: Billy Bragg auf der Bühne
Will Menschen durch Musik zusammenbringen: Billy Bragg auf der Bühne | Bild: ttt

Als linker Störenfried und ewiger Idealist. Letzteres übrigens auch beim Thema Kaffee: "Ich habe sogar eine App, die mir sagt, wo die besten Cafés zu finden sind. Und nehme dafür liebend gern auch mal längere Wege in Kauf. Außerdem komme ich so raus aus dem Tour-Alltag. Und es ist allemal besser als zu Starbucks zu gehen."

Im Oktober 2022 treten in Buffalo, New York, Angestellte von Starbucks in den Streik. Sie protestieren, weil der Konzern ihre Gewerkschaft loswerden will. Mittendrin: Bragg. Denn darum ging es ihm immer: Mit seiner Kunst etwas bewirken zu können. "Auf welcher Seite stehst Du?" – fragt seine berühmte Gewerkschafts-Hymne "Which Side Are You On?"

"Als ich als kleiner Punkrocker noch The Clash hinterher reiste, war ich mir sicher, dass Musik die Welt verändern kann. Mit einiger Erfahrung kann ich sagen: Es stimmt nicht. Leider. Aber: Sie kann Menschen zusammenbringen, um sich gemeinsam für etwas zu engagieren, sodass der Einzelne nicht mehr allein ist.“

An der Seite der Bergarbeiter in Thatchers Großbritannien

Bergarbeiterstreik 1984 in Großbritannien
Bergarbeiterstreik 1984 in Großbritannien | Bild: dpa

Frühjahr 1984: In Großbritannien gehen über 100.000 Bergarbeiter auf die Straße. Die Tory-Regierung unter Margaret Thatcher will 20 Gruben schließen. Zehntausende stehen vor dem Nichts. Einer der längsten und blutigsten Arbeitskämpfe der britischen Nachkriegszeit beginnt – ein Jahr wird er dauern.

Für Bragg, selbst Kind einer Arbeiterfamilie, zeigt hier der Kapitalismus sein wahres Gesicht, mit seinen Plattenerlösen unterstützt er die Bergarbeiter: "Für die Bergarbeiter zu spielen, bei ihnen zu übernachten und ganze Nächte lang über Politik zu diskutieren, war unglaublich lehrreich. Sie wollten wissen, warum ein Künstler aus London sie überhaupt unterstützt. Macht er das nur für seine Karriere oder meint er es wirklich ernst? Also musste ich ziemlich schnell lernen, ihre Sprache zu sprechen und ich musste verstehen, was wirklich auf dem Spiel stand."

Am Ende siegt die Iron Lady. Bragg – als Sänger und Aktivist mittlerweile ein Popstar – nimmt die bittere Niederlage erst recht zum Anlass, politisch aktiv zu bleiben. Für viele Künstler ist Politik ästhetische Pose, bei ihm kommt der Verdacht nie auf.

"Für mich ist das Glas eher halb voll!"

Mehrfach reist er hinter den Eisernen Vorhang, will erleben, was dort wirklich vor sich geht. Als er sich 1989 kritisch zur Berliner Mauer äußert, kriegt er lebenslanges Auftrittsverbot und fliegt raus aus der DDR.

 "Ich glaube, wenn Du hauptberuflich versuchst, die Welt zu retten, musst Du Dich irgendwann damit abfinden, dass Du Dein Utopia niemals erreichst. Da hilft es, jemand zu sein, für den das Glas eher halb voll ist. Und genau so jemand habe ich immer versucht zu sein. Zum einen, weil ich sonst den Verstand verlieren würde, aber auch, weil ich glaube, dass man sich niemals dem Zynismus ergeben darf, wenn man auf eine bessere Welt hofft."

Bühnenjubiläum: "Meine Musik wird immer noch gehört"

Die Charts interessieren ihn nicht, sagt Billy Bragg.
Die Charts interessieren ihn nicht, sagt Billy Bragg. | Bild: ttt

40 Jahre Bühnenjubiläum feiert Bragg jetzt, er ist ruhiger geworden, bürgerlicher, privater vielleicht, doch immer noch da. Er singt vom Brexit, vom Leben in der Pandemie und von der Liebe. Die Welt hat sich verändert, mag sein – er hat es nicht.

"Ich bin Singer-Songwriter, richtig? Ich gehe mit meiner Gitarre auf die Bühne und singe Songs, die ich geschrieben habe. Eigentlich nicht anders als Taylor Swift. Nur dass sie auf einer viel größeren Bühne steht und einen Haufen Tänzer hat und ich mach immer noch das hier. Aber meine Musik findet noch immer statt, sie wird immer noch gehört. Es ist mir egal, ob ein Song von mir in den Charts landet. Darüber hab‘ ich mir die letzten 30 Jahre schon keinen Kopf mehr gemacht."

Autor: Marcus Fitsch

Tipp
Billy Bragg: The Roaring Forty, 1983-2023

Stand: 05.11.2023 22:19 Uhr

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Produktion

Mitteldeutscher Rundfunk
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