Mo., 14.08.23 | 00:00 Uhr
Das Erste
Macbeth
Lieben ist eine mutige Entscheidung. Man muss sich zeigen. Hinter jeder Härte, jeder Grausamkeit dieser Welt steckt die Angst vor eigenem Schmerz. Sollen die anderen leiden. Sollen die anderen sterben.
Wie wächst das Monster in uns?
Macbeth! Der erste Mord dieses glamourösen Paars ist der Mord am König. So wird Macbeth selbst König und so erfüllt sich eine Weissagung, der er glauben will. Doch wer einen Schlafenden tötet, wird selbst nie mehr ruhig schlafen. Diese Angst wird viele weitere Morde fordern. "Das Böse kommt vom Menschen", sagt der Opern-Regisseur Krzysztof Warlikowski. "Das Böse ist etwas Menschengemachtes. Zu 100 Prozent. Es gibt nichts anderes Böses. Nur uns. Und unsere Verantwortung."
Wie wächst das Monster in uns? Warlikowski zeigt zunächst zwei Menschen und ihre Ängste. Jeder für sich. Lady Macbeth konsultiert einen Arzt. Ihr Kinderwunsch. Anschließend weint sie. Macbeth lässt sich eine machtvolle Zukunft vorhersagen. Du wirst König sein und herrschen, sagt das Orakel. Warlikowskis Orakel ist rätselhaft. Wünsche, Träume und Ängste.
Filmzitate kommentieren das Geschehen
"Es ist wichtig, am Anfang die Charaktere behutsam einzuführen, um sie verwundbar und schwach zu machen", sagt Warlikowski. "Ein Mann, der sich von einem Orakel die Zukunft sagen lässt, ist schwach. Und eine Frau, die zu einem Doktor geht und fragt, ob sie überhaupt Kinder bekommen kann, hat Angst. Das macht sie beide verletzlich."
Immer wieder Filmzitate, die das Geschehen kommentieren. Hier Pasolinis "Evangelium nach Matthäus". Maria flüchtet mit ihrem Neugeborenen vor Herodes, der alle Kinder unter zwei Jahren abschlachten wird. Auf der weiten Bühne werden unterdessen die Kinder von Macbeths potentiellem Nachfolger vergiftet. Plötzlich ist da viel mehr als Bühnengeschehen im Raum. Hier blickt man auf die Menschheitsgeschichte, die mit Blut geschrieben ist und ihre Opfer vergisst. Dann wieder ganz nah und intim, wie hinter der Maske aus Erfolg und Schönheit der Mensch verkommt.
Das Böse kommt vom Menschen
Krzysztof Warlikowski wird international gefeiert für seine bildgewaltigen psychologischen Regiearbeiten. Auch hier öffnet er mit seinen assoziativen Bildern Shakespeares schaurige Geschichte von Mord und Wahnsinn nach allen Seiten. "Als eine Mordgeschichte, die so jeden Tag im Fernsehen läuft, ist das hier nicht interessant", sagt Warlikowski. "Was interessant ist, ist die menschliche Dimension: Wie partizipieren wir am Bösen? Wie hat im 20. Jahrhundert Europa an den Verbrechen partizipiert? Das ist eine offene Frage. Und: Wie müssen wir uns heute verhalten, um nicht Teil von etwas Bösem zu werden."
In einer Filmsequenz erzählt Warlikowski parallel zum Bühnengeschehen von einem Kind, das Macbeths Mordversuch entkommen ist. Diesem Kind wurde geweissagt, dass es nach Macbeth König werden würde. Wie wird dieser Junge mit der Versuchung umgehen? Es könnte der Anfang sein: eines neuen, blutigen Macbeth. Das Böse kommt vom Menschen. Ein erschütternder Abend. Grausam. Großartig.
Autorin: Angelika Kellhammer
Stand: 13.08.2023 20:19 Uhr
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