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Die Froschretter aus Ecuador

Goldnugget-Baumfrosch sitzt auf einem Blatt
Vom Aussterben bedroht: der Goldnugget-Baumfrosch. | Bild: WDR
Der Regenwalschützer Giovanni Onore steht vor seinem Schutzgebiet Otonga
Regenwaldschützer Giovanni Onore | Bild: WDR

Mit der Dämmerung beginnt in Ecuadors Wäldern ein vielstimmiges Konzert. Grillen und Heuschrecken zirpen, Nachtvögel kreischen und unzählige Frösche quaken. Über 600 verschiedene Amphibienarten hüpfen und kriechen durch Ecuadors Urwälder. Gemessen daran, wie klein der Andenstaat ist, bedeutet das die höchste Frosch- und Molchvielfalt der Welt. Doch leider wird es vielerorts in Ecuador nachts immer stiller, viele Froscharten verschwinden. Fast überall im Land werden die Urwälder für die Landwirtschaft gerodet. Die Bäume weichen Feldern und Rinderweiden. Doch selbst wo die Natur intakt erscheint, werden die Frösche immer seltener. Pilz- und Virenerkrankungen dezimieren den Bestand – nicht nur in Ecuador, sondern weltweit. Bisher gibt es keine Mittel gegen das Froschsterben.

Spenden für Nebelwälder

Nebelwald
Durch Abholzung bedroht: Berg- und Nebelwälder in Ecuador | Bild: WDR

Doch in Ecuador gibt es Menschen, die die Frösche und ihre Lebensräume retten wollen. Einer von ihnen ist der Italiener Giovanni Onore. Er war bis zu seiner Pensionierung Professor für Biologie in Ecuadors Hauptstadt Quito. Schon zu seiner Universitätszeit war er erschüttert, wie schnell die Urwälder in dem kleinen Land abgeholzt werden. Besonders in den relativ dicht besiedelten Anden werden die ohnehin seltenen Berg- und Nebelwälder gerodet. Giovanni Onore beschloss schon vor fast 40 Jahren, wenigsten einige der artenreichen Paradiese zu erhalten. Dafür kaufte er Farmern Ländereien ab, die sie nicht nutzten. Vor allem dort, wo das Gelände besonders steil ist, fand Onore noch Überbleibsel der Nebelwälder. Er sammelte Geld bei Freunden und Unternehmern in Europa und machte mit den Bauern Geschäfte. "Land zu kaufen war damals die einzige Möglichkeit", erinnert sich der Biologe, "aber das war ein Trauerspiel! Ich musste zum Vermessungsamt, zum Anwalt, zum Notar. Am Ende hatte ich das erste Stück gekauft. Ich bekam weitere Spenden, und wieder kaufte ich Land. Wieder die Rennerei zu den Ämtern. Und so ging es immer weiter. Der Wald wuchs und wuchs – und am Ende habe ich mich in ihn verliebt."

Schutzgebiete nicht nur für Frösche

Tropischer Frosch sitzt auf einem Blatt
Weltweit werden Frösche durch Pilzkrankheiten dezimiert. | Bild: WDR

So entstand nach und nach ein erstes Schutzgebiet von der Größe von über 1.000 Fußballfeldern. Der Biologe nennt seinen Wald Reserva Otonga, nach einem Riesenregenwurm, der hier lebt. Eine gleichnamige Stiftung wurde zum offiziellen Besitzer des Schutzgebiets. Insgesamt vier Regenwald-Schutzgebiete unterhält die Otonga-Stiftung heute in Ecuador. Wälder, in denen auch viele tropische Froscharten – vom Pfeilgiftfrosch bis zur kiloschweren Riesenkröte – eine sichere Zukunft finden sollen. Doch selbst wo der Wald noch steht, bekommt man immer weniger Amphibien zu Gesicht. Weltweit wütet eine Pilzerkrankung, der Chytridpilz, in den Populationen der Amphibien. Die Krankheit greift die Haut an, verstopft die Poren und führt so am Ende zum Ersticken.

Der Pilz wurde durch den Menschen weltweit verbreitet, leider auch bis nach Ecuador. Eine Entwicklung, die auch den Amphibienforscher Morley Read besorgt. Der Brite lebt seit über 20 Jahren in Südamerika. Regelmäßig organisiert er Expeditionen, um die Amphibien der Regenwälder zu erforschen. Auch wie es um die Frösche in Giovanni Onores Schutzgebiet bestellt ist, will er herausfinden.

Naturschutz mit dem Mikrofon

Luis Coloma und Morley Read im Labor des Jambatu-Zentrums
Die Froschforscher Luis Coloma und Morley Read. | Bild: WDR

Der Biologe Giovanni Onore führt Morley Read in "seine" Reserva Otonga. Bis zur Dämmerung, wenn die meisten Froscharten aktiv werden, müssen sie im Wald angekommen sein. Der Amphibienforscher sucht nach einer Froschart, die früher in dieser Gegend häufig war: Boana picturata. Der "Goldnugget-Baumfrosch" ist eine Schönheit mit riesigen Augen, eine von vielen Froscharten, deren Ruf in den Nebelwäldern immer seltener zu hören ist. Entlang kleiner Flüsschen, wo es besonders feucht ist, ist die Chance am größten, auf dieses ganz besondere Tier zu treffen. Es dauert, bis Morley Read erfolgreich ist. Ein einziges Tier der seltenen Art findet der Froschforscher in dieser Nacht.

Der Wissenschaftler hat immer ein Aufnahmegerät dabei, um das typische Quaken aller Frösche aufzunehmen. Ein Gesang, den Morley Read noch nicht kennt, würde verraten, dass es sich um eine neue, noch unbeschriebene Art handelt. Je mehr Rufe zu hören sind, desto mehr Frösche leben auch im Wald. Es ist ein Warnsignal, wenn der Ruf einer Art immer seltener wird. Das ist allerdings leider keine Ausnahme mehr. Auch das Quaken von Boana des "Goldnugget-Baumfroschs" wird Morley Read in dieser Nacht nicht mehr aufzeichnen.

Eine Arche für Frösche

Pfeilgiftfrosch
Der Rückgang einiger Froscharten ist massiv. | Bild: Colourbox

Der Rückgang einiger Froscharten ist so massiv, dass ein anderer Froschexperte in Ecuadors Hauptstadt Quito eine Auffangstation, eine Art Arche Noah für gefährdete Frösche, erbaut hat. Luis Coloma ist ein ehemaliger Schüler des Biologieprofessors Giovanni Onore. Dem angesehenen Amphibienspezialisten hätte eine internationale Universitätskarriere offen gestanden. Stattdessen blieb der Biologe in dem armen Andenstaat und gründete das Jambatu-Zentrum für Amphibien. "Wir haben eine Intensivstation für Frösche gebaut“, erklärt Luis Coloma das Konzept. "Wir versuchen Arten, die vor dem Aussterben stehen, im Labor zu züchten und zu retten. Um sie dann wieder in der Natur auszusetzen." Über 50 Froscharten, ein Zehntel aller ecuadorianischen Amphibienspezies, züchten Colomas Mitarbeiter in den klimatisierten Räumen des Zentrums – Boana picturata ist eine von ihnen.

Froschhandel für den Froschschutz

Lola Guaderas vor Terrarien im Labor
Wikiri-Geschäftsführerin Lola Guaderas | Bild: WDR

Doch Amphibien zu erforschen und zu retten, kostet Geld, und in Ecuador gibt es kaum öffentliche Forschungsgelder. Um von staatlichen Mitteln unabhängig zu werden, gründete Coloma die Firma Wikiri. Deren Geschäftsidee ist neu und nicht unumstritten. Die Firma und das Forschungszentrum haben nicht nur dieselbe Adresse, beide nutzen auch dasselbe Knowhow: Sie züchten Frösche. Der Unterschied aber ist, dass Wikiri die Amphibien an Liebhaber in aller Welt verkauft. Das ist legal, solange die Tiere im Labor aus dem Ei geschlüpft sind. Per Luftfracht und mit einem offiziellen Zertifikat reisen die Frösche zu ihren neuen Besitzern. Das soll auch den internationalen Schmugglern das Geschäft verderben, erklärt Wikiri-Geschäftsführerin Lola Guaderas: "Diese Personen kommen nach Ecuador und lassen Einheimische für einen Hungerlohn Frösche sammeln. Dann schmuggeln sie die Tiere in ihrem Gepäck und versorgen so den internationalen Markt. So werden die Populationen weiter dezimiert, und kein Dollar bleibt in Ecuador. Das ganze Geld fließt nach Europa und in andere internationale Märkte."

Froschliebhaber als Finanziers

Die Firma Wikiri handelt mit Fröschen, um Frösche zu schützen. Das funktioniert, weil wohlhabende Froschfans aus Europa und den USA bereit sind, bis zu 600 Euro für seltene Amphibien zahlen. Manchmal dauert es mehrere Jahre, bis die Zucht einer Art läuft. Das macht die Tiere vergleichsweise teuer. Dafür finanziert ein Teil des Gewinns Luis Colomas Frosch-Arche. "Die Situation ist wirklich ernst“, mahnt der Institutsdirektor Coloma, „Wir versuchen das Beste zu tun, was wir können, um einige Frösche zu retten. Wir wissen, dass das Züchten im Labor nicht die einzige Möglichkeit ist, sie vor dem Aussterben zu bewahren, aber wir konzentrieren unsere Energie darauf."

Luis Colomas Jambatu-Zentrum und Giovanni Onores Otonga-Stiftung arbeiten deshalb Hand in Hand. Der eine rettet die Frösche, der andere ihre Lebensräume. Bleibt zu hoffen, dass die Froschschützer damit Erfolg haben und das Quaken der Frösche in Ecuadors grandiosen Urwäldern noch lange zu hören sein wird.

Autor: Frank Nischk (WDR)

Programm-Tipp:
Die ausführliche Doku zum Thema zeigt Arte am 25. Juni um 18:35 Uhr: Paradiese mit Zukunft: Ecuador – Hoffnung für die Nebelwälder.

Stand: 31.05.2019 10:46 Uhr

Sendetermin

Sa., 01.06.19 | 16:00 Uhr
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Produktion

Norddeutscher Rundfunk
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