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Garten auf dem Dach

Prof. Dr. Elke Meinken auf dem Gründach
Prof. Elke Meinken auf dem Gründach am Institut für Gartenbau, Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. | Bild: Susanne Delonge

Einen eigenen Garten – wer hätte das nicht gerne. Aber in der Stadt ist dafür meist zu wenig Platz. Die Folge: Immer dichtere Bebauung und starke Versiegelung belastet nicht nur nur die Psyche der Stadtbewohner, sondern verstärkt auch die sommerliche Hitze. Begrünte Dächer könnten dagegen das Wohnen in der Stadt erträglicher machen und gleichzeitig wieder für mehr Artenvielfalt sorgen.

Extensive Gründächer auf Flachdächern

Doch Gemüsebeete oder gar kleine Parks auf dem Dach sind selten. Sie sind teuer und nur wenige Dächer sind dafür geeignet. Die häufigste Lösung sind deshalb sogenannte extensive Gründächer auf Flachdächern. Immer mehr Städte schreiben die Anlage solcher Flächen auf geeigneten Dächern bereits vor, andere empfehlen sie zumindest. So sieht man auf immer mehr Dächern Grün.

Der übliche Bewuchs ist sehr pflegeleicht. Die Gewächse aus der Pflanzengattung Sedum, auf deutsch Mauerpfeffer und Fetthennen, mit fleischigen, wasserspeichernden Blättern, brauchen nur fünf bis sechs Zentimeter Substrat-Auflage. Sedum muss weder gemäht noch gegossen werden. Wenn es sehr heiß und trocken ist, wird das Sedum zwar braun und unansehnlich, aber es überlebt – beim nächsten Regen wird es wieder grün.

Dachbegrünung: Alternativen für Sedum gesucht

Sedum im Pflanzkasten
Sedum – der übliche Bewuchs auf grünen Dächern. | Bild: Susanne Delonge

Für Prof. Bernd Hertle, Leiter der Weihenstephaner Gärten an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, ist Sedum eigentlich eine geniale Dachbegrünung. Doch angesichts des Artenverlusts und der zunehmenden Klimaerwärmung suchen die Wissenschaftler nach besseren Lösungen. Denn Sedum besteht hauptsächlich aus artenarmen Pflanzenmischungen und geeignete Nisthabitate für Insekten fehlen meist. Wenn es trocken ist, bietet es weder Nahrung für Insekten, noch verdunstet es Wasser. So nutzen die grünen Dächer meist weder der Artenvielfalt noch dem Stadtklima.

In einem Langzeitversuch auf dem Dach des Instituts für Gartenbau an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf hat Bernd Hertle getestet, wie sich die Pflanzenvielfalt entwickelt, wenn die Substratauflage dicker ist. Das Ergebnis: Jeder Zentimeter mehr Substrat lässt eine größere Pflanzenvielfalt mit mehr Blühpflanzen aufkommen. Bei 15 Zentimetern Substratauflage ist für die Biodiversität auf dem Dach schon viel verbessert.

Zukunft "Schwammstadt"

Doch für die Städte der Zukunft wollen die Wissenschaftler noch mehr erreichen. Denn in Zukunft werden immer größere Hitze und immer häufigere Extremwetterereignisse erwartet. Prof. Dr. Elke Meinken und Dr. Dieter Lohr vom Institut für Gartenbau an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf haben gemeinsam mit dem Forschungsleiter des Gründach-Systemherstellers ZinCo in Nürtingen, Ralf Walker, einen Versuch aufgebaut. Im Gewächshaus stehen sechs acht Quadratmeter große Pflanzkästen mit unterschiedlich dicker Substratauflage und unterschiedlicher Bepflanzung: Sedum, mediterrane Pflanzen und mitteleuropäische Stauden. Im Boden und über den Pflanzen sind Messgeräte angebracht, die die Temperatur sowie die Luft- und Bodenfeuchte messen. Eine Beregnungsanlage hängt darüber. Mit ihr kann Regen jeder Stärke bis hin zum hundertjährigen Starkregen simuliert werden. Während des Regens werden die Kästen gewogen, um herauszufinden, wie viel Wasser die Pflanzen und das Substrat aufnehmen können und wie viel Wasser ungenutzt abfließt.

Beim simulierten Starkregen schießt aus dem Kasten mit dem Sedum bereits nach wenigen Minuten das Wasser heraus und fließt in den Abfluss. Genau das wollen die Forscher in Zukunft verhindern. Das Ziel für die Zukunft ist die "Schwammstadt", die das Regenwasser speichert und zur Bewässerung und zur Kühlung der Stadt nutzt, statt – wie bei es bei Starkregen häufig passiert – die Kanalisation zu überfluten.

Substratauflage beeinflusst Pflanzenbewuchs

Pflanzkästen mit Beregnungsanlage
Versuch: Pflanzkästen mit unterschiedlich dicker Substratauflage und unterschiedlicher Bepflanzung. | Bild: Susanne Delonge

Dazu testen sie spezielle Retentionsdächer, die viel mehr Wasser speichern können als die Substratauflage allein. Spezielle Speicherelemente werden dafür unter der Bepflanzung auf dem Dach eingebaut. Sie sollen sowohl die Pflanzen auf dem Dach besser mit Wasser versorgen, um so für eine größere Artenvielfalt und mehr Verdunstung auf dem Dach und damit für Kühlung zu sorgen. Damit das alles funktioniert, entwickeln sie ein System, das die Bewässerung und den Ablauf steuert. Das System weiß immer, wie viel Wasser auf dem Dach gespeichert ist und ist gleichzeitig mit der örtlichen Wettervorhersage verbunden. Ist ein Starkregenereignis angekündigt, könnte das Dach bereits Stunden vorher geleert werden. Während des Starkregens könnte dann erneut Wasser auf dem Dach gespeichert werden und so die Kanalisation entlastet werden.

Bislang ist dieses System allerdings erst noch in der Entwicklung. Die Daten der Wissenschaftler zeigen aber jetzt schon, dass es in heißen Sommern wie etwa im August 2020 auf dem Dach mit dem Retentionselementen wesentlich kühler war als auf dem mit der Sedumbepflanzung. Somit ist klar: Je dicker die Substratauflage und je mehr Pflanzenbewuchs auf den Dächern liegt, desto besser für die Kühlung der Stadt und für die Artenvielfalt der Pflanzen, die dort wachsen können, und die entsprechende Insektenvielfalt. Bis zur Schwammstadt ist es allerdings noch ein weiter Weg. Doch die Stadt der Zukunft, davon sind die Forscher überzeugt, ist auf solche Dächer angewiesen.

Autorin: Susanne Delonge (BR)

Stand: 11.06.2021 15:11 Uhr

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