SENDETERMIN Sa., 21.08.21 | 16:00 Uhr | Das Erste

Wasserbüffel und Hochlandrinder – für Klima und Naturschutz

Wasserbüffel im Thüringer Moor
Wasserbüffel leben im Thüringer Moor. | Bild: hr

Dass Rinder nicht gerade umweltfreundlich sind, ist mittlerweile hinlänglich bekannt. Sie stoßen beim Rülpsen und Pupsen das klimaschädlichen Treibhausgases Methan aus. Doch bestimmte Rinderrassen sorgen dafür, dass weniger Co2 in die Umwelt gelangt. Und die Artenvielfalt erhalten bleibt – oder sogar steigt!

Ein Beispiel sind Karpatische Wasserbüffel: Sie sind Teil eines Thüringer Naturschutzprojektes und helfen, die Landschaft zu renaturieren. Auf den ersten Blick sieht die Naturfläche im Norden Erfurts aus wie eine normale Weidelandschaft. Aber der Eindruck täuscht. Das Alpstedter Ried ist ein Feuchtmoorgebiet. Stella Schmigalle von der Stiftung Naturschutz Thüringen begleitet das vom Land Thüringen finanzierte Projekt. Im Zentrum stehen die Wasserbüffel, sie pflegen die sumpfige Landschaft, fressen hier Gras und andere Pflanzen ab. Die Tiere haben relativ breite Hufe und sinken nicht so tief in den Boden ein, wie eine Intensivkuh, sagt Stella Schmigalle. Die würde im sumpfigen Boden wahrscheinlich schnell steckenbleiben. Das passiert den Wasserbüffeln nicht.

Biotop Feuchtmoor

Suhlende Wasserbüffel
Wasserbüffel halten Feuchtmulden offen. | Bild: hr

Feuchtmoore sind ein lebenswichtiges Biotop für seltene Vogel- und Pflanzenarten. Und sie haben noch eine weitere wichtige Funktion: Moore speichern mehr Kohlendioxid als jedes andere Ökosystem der Welt. Sie bestehen zu 95 Prozent aus Wasser und sind sehr effektive Wasserspeicher, die helfen, Überschwemmungen und Flutkatastrophen zu verhindern. Obwohl sie nur drei Prozent der Erdoberfläche bedecken, speichern Moore rund 30 Prozent des erdgebundenen Kohlenstoffs. Nach Angaben des BUND binden die Moore weltweit doppelt so viel CO2 wie alle Wälder der Erde zusammengenommen.

Denn in Moorböden sammeln sich über Jahrtausende Pflanzenreste an, die wegen der nassen Bodenverhältnisse nicht vollständig zersetzt werden. Die Pflanzenreste enthalten überwiegend Kohlenstoff, der dann im Boden gebunden wird. Das ist dann der Torf. Das Problem: Sobald ein Moor austrocknet oder durch Menschenhand zur landwirtschaftlichen Nutzung trockengelegt wird, kommt der Boden mit Sauerstoff in Kontakt und die Pflanzenreste beginnen sich zu zersetzen. Damit gelangen nicht nur riesige Mengen CO2 in die Atmosphäre, sondern auch das über 300 Mal klimaschädlichere Lachgas (N2O).

Auch das Thüringer Moor wurde einst mithilfe von Entwässerungsgräben trockengelegt. Durch ein steuerbares Wehr am Hauptabflussgraben wird das aus Regen und Bodenquellen gespeiste Mischwasser nun seit 15 Jahren wieder im Gebiet gehalten, um das Moor wiederherzustellen. Das allerdings bringt neue Herausforderungen, erklärt Stella Schmigalle. Wenn die Fläche wiedervernässt wird, kann mit Maschinen nicht mehr gemäht werden. Gras und andere Pflanzen sprießen. Die entziehen dem Moor aber wieder Wasser. Genau das soll aber verhindert werden, damit sich das Moor wieder aufbauen kann. Deshalb müssen die Wasserbüffel hier helfen und die Pflanzen abfressen.

Neuer Lebensraum für Tiere und Pflanzen

Die Leidenschaft der Wasserbüffel für Wasser hat aber noch einen weiteren Nutzen für die Natur. Die Tiere suhlen sich im Wasser. So halten sie Feuchtmulden offen. Besonders im Frühling sind diese Erdflächen für die Watvögel wichtig, die durch das Gebiet ziehen und zum Teil sogar hier brüten. Die Tiere können sich in den offenen Oberflächen gut tarnen – etwa der Kiebitz. Auch die Grauammer oder das Braunkehlchen profitieren.

Inzwischen ist ein ornithologisch wertvolles Mosaik aus Wasser und Schlammflächen entstanden. Die Renaturierung ist also ein Erfolg: Die Lebensbedingungen für Flora und Fauna haben sich verbessert. Das Moor bietet schutzbedürftigen Pflanzen wie dem Sumpf-Engelwurz ein Zuhause und schafft Lebensraum für bedrohte Tierarten wie der Helm-Azurjungfer und der Schmalen Windelschnecke.

Dass viele Pflanzenarten aus unserer Vegetation verschwunden sind, hat aber nicht nur mit der Austrocknung von Mooren zu tun. Auch die massenhafte Beweidung normaler Wiesen durch Hochleistungsrinder und intensives Düngen der Weideflächen haben dafür gesorgt, dass oft nur solche Grassorten wachsen, die als Hochleistungsfutter dienen.

Hochlandrinder: Leicht und genügsam

Hochlandrind auf einer Wiese
Hochlandrinder sind anspruchslos. | Bild: hr

Dass es auch anders geht, zeigen Hochlandrinder. Während andere Rassen in den vergangenen Jahrzehnten durch gezielte Zucht ihr Körpergewicht verdoppelten oder ihre Milchleistung verdreifachten, blieb das Hochlandrind mehr oder weniger wie es war: klein, genügsam, robust. 
Die Stärke der Hochlandrinder liegt dort, wo die leistungsorientierten Rassen an ihre Grenzen kommen: In steilen Hanglagen, auf besonders trockenem oder nassem Untergrund und auch auf Weiden, die so nährstoffarm sind, dass andere Rinder nicht satt würden. Hochlandrinder sind leicht: Sie kommen mit Steigung und Feuchtgebieten zurecht, ohne die Grasnarbe zu zerstören. Und sie sind anspruchslos: Sie kümmern sich weniger als andere Rinder darum, ob eine Pflanze nun nahrhaft oder stachelig ist. Sie wachsen so langsam, dass sie kein Kraftfutter und üppige Weiden brauchen. Stattdessen fressen sie, was ihnen vors Maul kommt, erklärt die Biologin Caren Pauler, die den positiven Effekt der Beweidung durch Hochlandrinder im Rahmen eines Forschungsprojekts untersucht.

Pauler hat dabei unter anderem herausgefunden, dass Hochlandrinder die Pflanzenvielfalt erhöhen, weil sie bei ihrem Futter nicht besonders wählerisch sind. Es gibt etliche Pflanzen, die sich davor schützen gefressen zu werden mit Stacheln wie die Disteln oder die Brombeeren. Oder mit Giftstoffen wie der Hahnenfuß beispielsweise. Und wenn die Rinder diese Pflanzen nicht fressen, dann nehmen die überhand. Sie können weniger gut geschützte Pflanzen überwuchern, erklärt die Biologin. Die Hochland-Rinder fressen all diese Pflanzen mit. Dadurch kriegen andere Pflanzenarten einen Vorteil und die Pflanzenvielfalt steigt insgesamt an. Das heißt: Statt Gestrüpp und Farn wachsen zum Beispiel auch Kreuzblumen, Zittergras oder Thymian.

Blühende Kreuzblume
Hochlandrinder erhöhen die Pflanzenvielfalt.

Dieser Effekt, sagt Caren Pauler, zeige sich auf nahezu allen Flächen, auf denen Hochlandrinder weiden. 10 bis 15 Prozent mehr verschiedene Pflanzenarten wachsen auf diesen Flächen. Das wirkt sich auch auf die Tierarten, die auf solchen Flächen leben aus: Je höher die Artenvielfalt bei den Pflanzen ist, desto größer ist auch die Artenvielfalt bei den Tieren, die mit diesen Pflanzen zusammenleben.
Die Rinder sorgen außerdem für die Verbreitung der Pflanzensamen, da die sich oft im zotteligen Fell der Tiere verfangen und so über weitere Strecken transportiert werden.

Autor: Stefan Venator (HR)

Stand: 19.08.2021 15:30 Uhr

Sendetermin

Sa., 21.08.21 | 16:00 Uhr
Das Erste

Produktion

Südwestrundfunk
für
DasErste