SENDETERMIN Sa., 24.07.21 | 16:00 Uhr | Das Erste

Typ 2 Diabetes – Subtypenbehandlung

Grafik mit vier verschiedenen Menschen
Vier verschiedene Subtypen bei Diabetes Typ 2 gibt es. | Bild: BR

Rund sieben Millionen Menschen mit Diabetes Typ 2 gibt es laut Robert Koch Institut derzeit in Deutschland, Tendenz stark steigend. Welche Form der Therapie für sie am besten geeignet ist, erschließt sich Ärzt*Innen oft nicht sofort. Deshalb wird immer wieder zu lange herumprobiert – nach dem Motto: Schlägt das eine Medikament nicht an, dann vielleicht das andere. Damit ist es hoffentlich bald vorbei. Diabetolog*Innen am Universitätsklinikum Tübingen haben eine neue, studienbasierte Form der Diabetes-Diagnostik gefunden, mit der sie dem Diabetes Typ 2 gezielter behandeln und vorbeugen können.

Vier Subtypen von Diabetes Typ 2

Bärbel Langer leidet seit 15 Jahren unter Diabetes Typ 2. Seither spritzt sie sich vor jeder Mahlzeit Insulin. Ihre Beschwerden werden dennoch nicht besser. Im Gegenteil. Sie hat Bluthochdruck und starke Wassereinlagerungen. Herz und Nieren sind geschwächt. Deshalb will sie sich bei einem stationären Aufenthalt auf der Diabetes Spezialstation im Universitätsklinikum Tübingen einmal gründlich durchchecken lassen, verbunden mit der Hoffnung, dass ihr die Spezialisten helfen können.

Eine Hoffnung, die durchaus berechtigt ist. Denn das Team um die Professoren Andreas Birkenfeld und Andreas Fritsche wendet eine neue, differenziertere Diagnostik an. Ihr zufolge gibt es nicht nur eine Diabetes Typ 2-Erkrankung, sondern mindestens vier Subtypen. Dabei spielt die Ursache der Krankheit eine wichtige Rolle. Kommt sie zum Beispiel auch von zu viel Fett in der Leber oder im Bauchraum? Sind eventuell der Muskelstoffwechsel oder das Gehirn mit daran beteiligt?

Blutwerte, Alter und Gewicht geben wichtige Hinweise

Um herauszufinden, zu welchem Subtyp ein Diabetes Typ 2-Patient gehört, suchen die Ärzte nach bestimmten Parametern im Blut, etwa ob es Autoimmun-Antikörper enthält, wie hoch der Langzeitblutzuckerwert wert ist, aber auch wie gut die Insulineigenproduktion ist und wie gut zugeführtes Insulin im Körper wirkt.

Ein Frau steht an einem Tisch, an dem zwei Frauen sitzen.
Gesunde Ernährung ist wichtig. | Bild: BR

Bei Frau Langer stellen die Ärzte fest, dass ihr Körper kaum auf Insulin reagiert. Außerdem war sie noch relativ jung, als die Krankheit bei ihr ausbrach. Ein weiterer wichtiger Hinweis darauf, dass sie zu einem der Subtypen gehört, bei dem Insulin in der Regel nicht hilft. Sie raten ihr daher, das Insulin abzusetzen. Stattdessen soll sie einen sogenannten SGLT2-Hemmer nehmen, ein Medikament, das ihr hilft, den Blutzucker vermehrt über die Niere auszuscheiden.

Zu ungezielte Insulinverschreibungen in Deutschland

Nach Ansicht von Professor Fritsche wird Insulin in Deutschland häufig zu viel und zu ungezielt verschrieben. Für eine kleinere Patientengruppe von Typ 2-Patient*Innen ist das Medikament tatsächlich überlebenswichtig, bei der weitaus größeren Gruppe aber nicht unbedingt. Für sie gibt es stattdessen zwei neue Wirkstofftypen, mit denen sich die jeweiligen Beschwerden gut behandeln und viele Komplikationen sogar verhindern lassen. Über die Hälfte der Diabetes Typ 2-Betroffenen, das zeigt die Subtypendiagnostik deutlich, brauchen sogar gar keine Medikamente. Bei ihnen hilft eine Lebensstiländerung, in Form von mehr Bewegung und einer anderen Ernährung. Das Tübinger Diabetologen-Team hat außerdem durch eigene Studien herausgefunden, dass sich dieselbe Subtypen-Unterteilung auch für die Vorsorge gut eignet. Menschen mit einer Vorstufe zu Diabetes können so präziser beraten oder behandelt werden.

Bärbel Langer ist nach ihrer Woche im Krankenhaus sehr zufrieden. Sie hat gemerkt, dass sie das Insulin wirklich nicht braucht und mit dem neuen Medikament geht es ihr deutlich besser. Die Wassereinlagerungen gehen zurück. Dadurch hat sie bereits an Gewicht verloren und auch ihr Blutdruck ist schon niedriger. Insgesamt spürt sie einen deutlichen Zugewinn an Lebensqualität.

Bislang gibt es noch wenige Kliniken und Arztpraxen, die das Subtypen Konzept anwenden. Doch in rund fünf Jahren, so schätzt das Team um Professor Fritsche und Professor Birkenfeld, könnte es medizinischer Standard werden.

Adressen und Kontakt:

Universitätsklinikum Tübingen
Station 76 - Diabetesspezialstation
Südwestdeutsches Diabeteszentrum
Otfried-Müller-Straße 10
72076 Tübingen
Tel. (07071) 298 44 85
Diabetes.team@med.uni-tuebingen.de
www.medizin.uni-tuebingen.de

Autorin: Sabine Frühbuss (BR)

Stand: 23.07.2021 11:36 Uhr

Sendetermin

Sa., 24.07.21 | 16:00 Uhr
Das Erste

Produktion

Südwestrundfunk
für
DasErste