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Faire Turnschuhe – wie gehen Sneakers nachhaltig?

Ein roter und ein weißer Turnschuh aufeinandergestapelt
Treter mit Anspruch: Nachhaltige Sneaker bestehen aus ökologischen Materialien. | Bild: BR

Turnschuhe sind bequem, vielseitig kombinierbar und dürfen in keinem Schuhregal fehlen. Fast jeder trägt sie – vom Kind bis zum Geschäftsmann. Der Marktanteil an Sportschuhen hat sich in Deutschland in den letzten 10 Jahren fast verdoppelt. Dabei werden die Schuhgeschäfte von billig produzierten Sneakers regelrecht überschwemmt. Die Schuhe sind oft schlecht verarbeitet, aus günstigen Kunststoffen zusammengeklebt, meist zu Dumping-Löhnen in Asien. Lassen sich Sneakers auch nachhaltig und fair produzieren?

Portugal: Alte Schuhtradition – junge Labels

Weitwinkel-Aufnahme von Porto am Douro-Fluss
In Porto gibt es eine lange Schuhmacher-Tradition. | Bild: BR

Der Frankfurter Sneakers-Macher Noel Klein-Reesink hat 2013 das Turnschuh-Label "ekn" gegründet. Seine Idee: Zeitlose Sneakers, die in Europa hergestellt werden, aus ökologischen Materialien, unter fairen Arbeitsbedingen. Aber wie geht das? In Porto, der zweitgrößten Stadt Portugals, gibt es eine jahrhundertealte Schuhmacher-Tradition. Hier lässt das Frankfurter Label seine Schuhe von Hand produzieren. "Alle Materialien kommen aus einem Umkreis von dreißig Kilometern. Wir haben in der Produktionsstätte Schnürsenkel-Lieferanten, die sind im gleichen Ort, wir haben die Schuhkartons, die kommen von hier, ein Stück weiter kommt das Leder her, so dass wir kaum fahren müssen", so der Firmengründer.

Viele nachhaltige Schuhlabels nutzen diese Infrastruktur. Bee Free aus Rheinland-Pfalz etwa, Zweigut aus Hamburg oder Po-Zu aus London. Die meist jungen Labels experimentieren mit pflanzlich gegerbtem Bio-Leder, aber auch mit neuen Materialien wie veganem Leder aus Apfelfasern, Kork aus der Region, Leder von alten Autositze oder recycelten Kunststoffabfällen, die bei der Schuhsohlenproduktion übrigbleiben.

Schnelle Absprachen und kurze Wege

Totale von einer Schuhmanufaktur mit Näherinnen
Faire Arbeitsbedingungen: In einer Schuhmanufaktur in Portugal werden die Sneaker hergestellt. | Bild: BR

Zwei- bis dreimal im Jahr besucht Noel Klein-Reesink die inhabergeführten Manufakturen, um sich vor Ort ein Bild zu machen. In dieser Woche wird eines der Hauptmodelle produziert: ein klassischer Sneaker, den es aus weißem Glattleder, hellbraunem Wildleder sowie als vegane Variante aus recyceltem Kunstleder und Biobaumwolle gibt. Der Label-Gründer schätzt die relativ kurzen Wege und die direkten, unkomplizierten Absprachen mit den Zulieferern und Firmenchefs vor Ort. "Ursprünglich habe ich gedacht, ich könnte in Deutschland produzieren, das geht aber nicht, denn hier gibt es kaum noch Produktionsstätten. Und so bin ich auf die Reise gegangen und habe in Portugal die Möglichkeiten gefunden, die wir heute brauchen", so der Labelgründer.

Aber wie entsteht nun ein nachhaltiger Turnschuh? Zuerst werden die Einzelteile des Schuhs aus den Lederbahnen gestanzt. Von Hand oder mit einem Lasercutter, dessen Software vorher genau berechnet, wie das Leder am effizientesten genutzt wird. Dann nähen die Mitarbeiter die einzelnen Schuhteile zusammen. Nachdem der Schaft auf die Leisten gezogen und in Form gebracht wurde, kommt eine Zwischensohle aus Kork darauf. Zum Schluss wird die Laufsohle erwärmt, mit möglichst wenig Klebstoff verklebt und ganz wichtig: vernäht. Fertig ist der Turnschuh!

Upcycling und lokale Materialien

Abfälle aus Sohlenproduktion werden gehäckselt
Aus Plastikabfällen entstehen neue Sohlen. | Bild: BR

Besonders ressourcenschonend ist die Produktion der Sohlen. Was an Kunststoff-Resten bei der konventionellen Schuhsohlenproduktion übrigbleibt, wird zu Flocken gehäckselt. Aus den Plastik-Flocken entstehen dann neue Schuhsohlen. Sie werden entweder den rohen Gummi-Matten, dem Grundstoff der Schuhsohlen, beigemischt oder komplett eingeschmolzen und zu frischen Sohlen gepresst. Upcycling statt neuer Müllberge. Bei manchen Modellen kommen auch Kreppsohlen aus reinem Naturkautschuk zum Einsatz. Alle Materialien stammen aus der Region um Porto. Das spart Transportwege und reduziert den CO2-Ausstoß – ein Grundprinzip vieler nachhaltiger Turnschuhe.

Leder – pflanzlich gegerbt und ohne Gift

Gerberei mit großen Gerbfässern in Portugal
Bio-Leder wird mit Pflanzenextrakten gegerbt. | Bild: BR

Viele der jungen Öko-Schuhmarken setzen auf pflanzlich gegerbtes Leder. Bei einer lokalen Gerberei südlich von Porto wird seit den 80er Jahren neben konventionellem Leder auch Leder ohne giftiges Chrom produziert. Als Gerbstoffe finden tanninhaltige Extrakte aus Eichen- oder Kastanienrinde Verwendung oder die Schoten des Tara-Baumes. Das ist zwar teurer, dafür sind die Schuhe hinterher frei von Schadstoffen und können bedenkenlos barfuß getragen werden. Das für die Gerbung benötigte Wasser wird aus dem Fluss nebenan entnommen und im Anschluss in der eigenen Bio-Kläranlage gereinigt. So kann es wieder zur Bewässerung der Felder eingesetzt werden – ein Kreislaufprinzip.

Nachhaltige Turnschuhe - eine wachsende Nische?

Noel Klein-Reesink ist zufrieden mit seinem Besuch in der Produktion. Alles läuft nach Plan. Zwar sind seine Gewinnmargen nicht so hoch wie bei den großen Schuhmarken, dennoch glaubt er an die Zukunft nachhaltiger Turnschuhe, wenn auch erst mal in der Nische. "Wir müssen nicht Zehntausende Stück produzieren, wenn wir was machen wollen, sondern können auf den Markt und auf die Mode schneller reagieren und dann ggf. nachproduzieren – in Asien wäre das gar nicht möglich, da musst du ganze Container abnehmen", so der Turnschuhmacher. Der Markanteil an Schuhen, die in Europa gefertigt werden, liegt derzeit bei rund 4 Prozent. Doch die Nachfrage nach solchen Labels steigt. Handwerklich gemachte Sneakers, vegan oder ökologisch, die abseits der Massen auch optisch überzeugen.

Autor: Boris Geiger (BR)

Stand: 24.08.2019 11:36 Uhr

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