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Gamification: Spielend leicht lernen?

Auf einem Smartphone ist eine App dargestellt.
Die App "Lernabenteuer Deutsch" soll helfen, spielerisch Deutsch zu lernen. | Bild: NDR

Als Gamification wird der Einsatz spielerischer Elemente zur Motivationssteigerung bei der Lösung weitgehend spaßfreier Aufgaben bezeichnet. Gerade im Bildungssektor ruhen große Hoffnungen auf diesem Konzept. Denn lernen müssen wir schließlich alle, und zwar ein Leben lang. Bloß: Gerne machen wir das nicht immer. Gamification kann das ändern und helfen, dem "inneren Schweinehund" Beine zu machen, glauben die Teilnehmer der Fachtagung "Gamification Day". Spielen macht nicht nur Spaß, es kann auch extrem anspornen und die Kreativität beflügeln. Denn für den Erfolg im Spiel wie im echten Leben, tun wir oft Dinge, zu denen wir uns sonst nicht oder nur mühsam aufraffen können – wie eben Lernen.

Spielerei oder Methode der Wahl?

Es sieht aus wie ein gewöhnliches Handyspiel – doch in Wahrheit ist die App "Lernabenteuer Deutsch" des Goethe-Instituts ein digitaler Sprachkurs. Die Idee: Statt Vokabeln und Grammatik trocken zu büffeln, ermitteln die Teilnehmer in einer fiktiven Kriminal-Geschichte – und lernen Satzbau oder Vokabeln quasi nebenbei.

Der Amerikanerin Seonag Doherty, Teilnehmerin im Kurs, gefällt das Prinzip: "Es fühlt sich nicht so an, als würde ich lernen, sondern wie ein Spiel. Die App ist auch Alternative zu anderen Handyspielen, wenn ich morgens in der U-Bahn sitze."

Auch verschiedene Unternehmen nutzen Gamification bereits konsequent, um ihre Mitarbeiter weiterzubilden: So setzt Bosch Seminare zum Thema IT-Sicherheit als Escape Games um: Mitarbeiter müssen in einem Gruppenspiel Rätsel lösen, Spam-Mails erkennen oder sichere Passwörter entwickeln. Einige Autohersteller setzen Computerspiele ein, um ihre Verkäufer weiterzubilden. In einem digitalen Autohaus treffen die auf virtuelle Kunden. Deren Fragen – und die besten Antworten darauf – stammen aus realen Gesprächen. So sollen die Mitarbeiter auf spielerische Art Verkaufspsychologie lernen – ohne das reale Risiko, ein Geschäft zu vermasseln.

Wahre Motivation kommt von innen

Ein Mann spricht und schaut in die Kamera.
Roman Rackwitz befasst sich seit Jahren mit dem Thema Gamification. Er meint, gerade im Bildungsbereich macht die Technik Sinn. | Bild: NDR

Das wichtigste Ziel von Gamification ist es, die innere Einstellung der Lernenden zu verändern, erklärt der Spiele-Entwickler Roman Rackwitz: "Gamification fokussiert sich darauf, eine intrinsische Motivation zu erzeugen. Wenn jemand von sich aus gezielt sagt: 'Ich will das machen', dann ist das immer effektiver, als wenn jemand anderes ihm sagt: 'Du musst das machen'."

Gelinge es, die intrinsische Motivation zu fördern, so könne der Lernerfolg auch nachhaltiger sein, ist Rackwitz überzeugt: "Wenn ich mir selber etwas herleite und damit interagiere, anstatt dass es mir nur erzählt wird, dann habe ich einen Aha-Effekt. Und das ist das, was ich viel eher behalte." Zudem wecke das Spielen Emotionen – und emotional besetzte Inhalte blieben besser im Gedächtnis.

Konkurrenz belebt die falsche Motivation

Häufiges Element von Computerspielen sind Bestenlisten (Rankings, Scores) oder Prämien. Doch diese Elemente erzeugen eher eine extrinsische Motivation, also beispielsweise eine Belohnung oder der erste Platz einer Besten-Tabelle. Wenn sich Gamification jedoch nur darauf konzentriert, kann das laut Rackwitz kontraproduktiv sein – gerade im Bildungsbereich. „Wenn jemand versucht, mich nur mit einer Belohnung zu motivieren, dann fange ich automatisch an zu fokussieren: Wie komme ich am leichtesten dorthin, um die Belohnung zu bekommen? Und damit versuche ich eine Abkürzung durch die Aktivität zu finden – und eine Abkürzung durch die Aktivität Lernen ist jetzt nicht so hilfreich."

Gamification – der Schlüssel zum Lernen der Zukunft?

Der Erziehungswissenschaftler Marc Fabian Buck
Erziehungswissenschaftler Buck mahnt zur Vorsicht beim Einsatz von Gamification. | Bild: BR

Nicht unbedingt, sagt Erziehungswissenschaftler Marc Fabian Buck. Er sieht durchaus, dass Spiele beim Lernen helfen können. Allerdings nur unter bestimmten Umständen. "Das Potenzial von Gamification ist in der Fort- und Weiterbildung groß, weil es dort meist um ein Dazulernen geht. In der Schule ist das anders: Man kann Unterricht nicht ersetzen durch Gamification. Wer also sagt, man kommt spielend bis zum Abitur oder ähnliches, der verkürzt Unterricht dann doch sehr stark." Außerdem sei die Wirkung von Gamification noch nicht wissenschaftlich bewiesen, so Buck. "Wir haben verschiedene empirische Befunde, die sich teilweise widersprechen. Das heißt, wir wissen noch nicht sicher, ob Gamification nachhaltiges Lernen möglich macht."

Gamification sollte also mit Bedacht eingesetzt werden – darin sind sich Wissenschaftler Buck und Game-Designer Rackwitz einig. Die Erfolgsaussichten hängen von der konkreten Anwendung ab: Passt sie zur Zielgruppe? Schafft sie es, die intrinsische Motivation zu steigern? Dann, so sind die Experten überzeugt, kann Gamification das Lernen spannender, kurzweiliger und auch effektiver machen.

Autor: Alexander Steininger (NDR)

Literaturtipp:
Gamification4Good - Gemeinwohl spielerisch stärken
Hans Fleisch
Erich-Schmidt-Verlag
ISBN 978-3-503-17796-7
168 Seiten
19,95 Euro

Stand: 09.11.2019 16:47 Uhr

Sendetermin

Sa., 09.11.19 | 16:00 Uhr
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Norddeutscher Rundfunk
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