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Kollege Roboter: Wie Cobots monotone Arbeiten übernehmen

Cobot in Schreinerei Hussl wartet auf nächstes Werkstück.
Cobots übernehmen monotone Tätigkeiten im Handwerk. | Bild: WDR

Die Roboter kommen. In der Industrie gehören sie schon lange zu den Kollegen. Jetzt halten sie auch im traditionellen Handwerk Einzug. Denn es gibt eine neue Generation von Robotern, die mit den Menschen Hand in Hand arbeitet: die Cobots! Aber funktioniert das wirklich in einer kleinen Werkstatt? Ja, denn sie haben viele Vorteile im Vergleich mit den großen Industrierobotern, die bereits seit Jahrzehnten zum Beispiel in der Autoindustrie eingesetzt werden: Cobots sind nicht nur sicherer im Umgang, sondern auch viel einfacher zu bedienen und vielseitig einsetzbar.

Eine neue Generation von Robotern

Thilo Rörig bedient Cobot von Werk5 per Hand.
Cobots können per Hand bedient werden. | Bild: WDR

Die kleinen Roboterarme sind darauf konzipiert, in direkter Nähe mit Menschen zusammenzuarbeiten. Dafür wurden in ihre Gelenke Sensoren eingebaut, die den Cobot automatisch stoppen, wenn er auf Widerstand stößt – zum Beispiel auf einen Arm. Das macht den Umgang mit ihnen so sicher. Deshalb können Cobots in Handwerksbetrieben überall positioniert werden und mit anpacken, ohne dass ein Schutzkäfig um sie gebaut werden muss. Zudem sind Cobots viel einfacher zu bedienen als klassische Industrieroboter. Statt komplizierter Programmierarbeit am Computer führen Handwerker*innen die neuen Roboterarme per Hand an die Stellen, an denen sie zum Beispiel etwas ablegen oder aufgreifen sollen. Feinjustierungen am Cobot werden per Touchpad gemacht. Handwerker*innen brauchen also weder besondere IT-Kenntnisse noch aufwendige 3-D-Modelle ihrer Handwerksstücke, um den Cobot einzusetzen. Aber wie sieht es in der Praxis aus? Könnten kollaborative Roboter im Metier der Handarbeit künftig wirklich sinnvoll mitwirken?    

Cobots fertigen Designerstühle

Der Familienbetrieb Hussl in Tirol stellt Designerstühle her. Und Kollege Roboter ist mit dabei. Gerade mal 15 Mitarbeiter müssen hier häufig Tausende Stühle einer Serie anfertigen. Hansjörg Moser ist einer von ihnen. Bis vor Kurzem war es seine Aufgabe, Holzstücke an einer Kreissäge für die Stuhlbeine zurecht zu sägen. Eine stundenlange monotone Handarbeit, bei der der Schreiner trotzdem konzentriert bleiben muss. Denn die Stücke müssen präzise gesägt werden. Und die Arbeit mit einer Kreissäge ist nicht ungefährlich. Umso mehr freut sich Moser, dass jetzt ein Cobot diese Arbeit übernimmt. Der kleine agile Roboterarm nimmt per Saugknopf Holzstücke von einem Stapel und platziert sie vor der Kreissäge. Die sägt sie dann in Form, bevor der Cobot das fertige Holz wieder aufgreift und auf einen neuen Stapel legt. Pick & Place nennt sich dieser für Cobots ganz typische Bewegungsablauf. Alles passiert vollautomatisch. Der Handwerker muss nur einmal die Bewegungsabläufe des Cobots für diese Arbeit quasi "vormachen", danach arbeitet der kleine Roboterarm eigenständig. Je nach Armaufsatz, kann der Roboterarm so verschiedenste Arbeiten ausführen: platzieren, schleifen oder polieren.

Hilfe gegen Fachkräftemangel

Peter Hussl bedient den Cobot per Hand.
Das Einrichten von Cobots ist immer noch aufwendig. | Bild: WDR

Dass Cobots seine Mitarbeiter eines Tages ersetzen könnten, kann sich Geschäftsführer Peter Hussl nicht vorstellen. Er habe den Cobot vielmehr angeschafft, um seine wenigen Fachkräfte für kreativere Arbeiten einzusetzen als für monotone Akkordarbeit. Jetzt hat Mitarbeiter Hansjörg Moser dank des Cobots deutlich mehr Zeit, an der Entwicklung neuer Stuhlmodelle zu arbeiten. Für den Tiroler Betrieb ist daher klar, künftig noch mehr Cobots einzusetzen.

Peter Hussl hofft allerdings, dass sich Cobots vorher noch weiterentwickeln: "Ein Roboter hat keine Augen. Der sieht nicht, wenn irgendwo was verschmutzt ist oder in einem Holzteil ein Riss oder ein Astloch ist." Da der Cobot nur die Bewegungen wiederholt, die ihm vorgeschrieben wurden, können bereits solch kleine Abweichungen zu Störfällen führen. Diese vorab zu bedenken und auszuschließen, ist immer noch sehr aufwendig. Der Tiroler Betrieb kann sich diesen Aufwand nur leisten, weil er viele Serienarbeiten hat, bei denen sich die Automatisierung lohnt.

Cobots lernen "sehen"

Cobot von Werk5 scannt gewelltes Holzobjekt.
Mit der 3D-Kamera können Cobots Werkstücke "sehen". | Bild: WDR

Was aber wäre, wenn Cobots nicht nur Bewegungen wiederholen, sondern ihre Umgebung wahrnehmen und selbständig agieren könnten? Diese Frage stellt sich auch Werk5 in Berlin. Um Architekturmodelle anzufertigen, setzt die Modellbau-Manufaktur bereits seit Jahrzehnten klassische Fräsmaschinen und -roboter ein. Weiterentwickelte Cobots wären hierbei sehr hilfreich. Deshalb führt Werk5 gemeinsam mit der TU Berlin ein vom Bund gefördertes Forschungsprojekt durch, das einem Cobot "sehen" beibringen soll. Sie rüsten die Roboterarme mit einer 3D-Kamera aus, um Werkstücke zu scannen.

Mithilfe dieses 3D-Bildes kann sich der Cobot eigenständig an Objekten orientieren und abarbeiten. Schreiner*innen müsste ihm das Werkstück nur vorsetzen. Der "sehende" Cobot könnte damit auch individuell geformte Holzmöbel schleifen, weil er ganz von allein Dellen erkennt. Ein so selbstständiger Cobot würde wenig Aufwand machen und sich daher selbst für Handwerker*innen lohnen, die immer an unterschiedlichen Einzelstücken arbeiten. Bis die "sehenden" Cobots perfekt sind und wirklich eingesetzt werden können, wird es aber noch dauern.

Werk5 hat aber bereits genug Erfahrung mit klassischen Cobots gesammelt, um andere Handwerksbetriebe beim Einsatz beraten zu können. Denn häufig ließen sich Cobots bereits heute sinnvoll integrieren, nur dass Skepsis und fehlendes Know-How dem Ganzen noch im Weg stünden, meint Werk5-Mitgründer Gunnar Bloss. Klar ist aber: Je selbständiger Cobots werden, desto besser stehen die Chancen, dass der Kollege Roboter auch beim Handwerksbetrieb von nebenan irgendwann Standard werden wird.

Autor: Patrick Jütte (WDR)

Stand: 04.06.2021 11:13 Uhr

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