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Ultraschall und Düfte: So funktioniert die geheime Sprache der Mäuse

Einfangen von Wildmäusen.
Hausmäuse können nur sehr schlecht sehen. | Bild: BR

Mäusegeplagte kennen das Phänomen: Wo eine Maus auftaucht, ist die nächste meist nicht weit. Hausmäuse lieben Gesellschaft und haben ein komplexes Sozialleben. Nach welchen Mustern es verläuft, erforschen Wissenschaftler*innen schon länger. Ein wesentlicher Schlüssel dazu ist die geheime Sprache der Mäuse. Bei ihrer Decodierung sind Verhaltensbiolog*innen der Veterinärmedizinischen Universität Wien gerade einen bedeutenden Schritt weitergekommen.

Nur Wildfänge eignen sich für die Verhaltensforschung

Es hört sich an wie der Gesang eines Vogels, kommt aber aus der Kehle einer Maus. Dass Mäuse, ähnlich wie Fledermäuse, Laute im Ultraschall von sich geben, ist schon länger bekannt. Aber erst seit Kurzem ist es technisch möglich, diese Laute in ihrer ganzen Komplexität hörbar zu machen.

Doch warum singen Mäuse in der freien Wildbahn? Und in welchen Situationen tun sie das? Um das herauszufinden, haben Doris Nicolakis und Maria Adelaide Marconi vom Konrad-Lorenz-Institut für vergleichende Verhaltensforschung wilde Hausmäuse eingefangen.

Mausgesänge dienen der Balz

Diagramm auf einem Computerbildschirm
Ein Frequenzdiagramm macht die Gesänge sichtbar. | Bild: BR

In einem ersten Versuch konfrontieren sie zwei Mäusemänner miteinander. Ein hochsensibles Mikrophon nimmt dabei ihre Laute auf. Ein Computerprogramm gibt sie um das 20-fache verlangsamt wieder. Das Ergebnis: kurze Tonfolgen in einem niedrigen Frequenzbereich. Die Mäuseriche wirken gelangweilt. Erst wenn man ihnen ein Käfig mit einem Weibchen an die Seite setzt, beginnen sie in einem höheren Frequenzbereich wirklich zu singen – als würde ein Vogel mit seinem Balzgesang um ein Weibchen werben.

Die Forscherinnen wiederholten die Experimente mit vielen unterschiedlichen Paaren. Dabei fanden sie heraus, dass jedes Männchen einen individuellen, unverwechselbaren Gesang hat. Außerdem bekamen die Paare, bei denen das Männchen am intensivsten gesungen hatte, am schnellsten Nachwuchs – eine Erkenntnis, die die Biologinnen in Zukunft für die Nachzucht von wilden Hausmäusen nutzen wollen.

Die Macht der Düfte

Spuren unter UV-Licht.
Unter UV-Licht werden Duftspuren sichtbar. | Bild: BR

Mäusemännchen werben aber nicht nur mit ihrem Gesang um Weibchen. Sie verwenden noch eine weitere geheime Sprache: Es ist die der Düfte, die sie in winzigen Urin-Tröpfchen überall hinterlassen. Verhaltensforscher Ken Luzynski kann diese Duftspuren mit Hilfe von UV-Licht sogar sichtbar machen. Ihn interessiert, wie sich die Duftspuren verschiedener Mäusemännchen in einer Gruppe unterscheiden. Dazu analysiert er den Urin der Mäuse. Das Ergebnis: Die Duftmarken des jeweils dominanten Männchens einer Gruppe enthielten die meisten Pheromone, sie rochen am intensivsten. Und bei Geruchstests zeigte sich: Weibchen empfanden diesen Geruch am attraktivsten. Sie wollten sich am liebsten mit dem Chef der Gruppe paaren.

Da Hausmäuse nur sehr schlecht sehen können, dienen also offenbar Düfte und Balzgesänge dazu, die Nachkommenschaft zu optimieren und damit die Art so fit wie möglich zu halten – ein geschickter Schachzug der Natur.

Autorin: Sabine Frühbuss (BR)

Kontakt:
Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung
Veterinärmedizinische Universtität Wien (Vetmeduni Vienna)
Savoyenstraße 1 A
1160 Wien, Österreich
Doris.Nicolakis@vetmeduni.ac.at
ken.luzynski@vetmeduni.ac.at

Stand: 07.11.2020 15:44 Uhr

Sendetermin

Sa., 07.11.20 | 16:00 Uhr
Das Erste

Produktion

Südwestrundfunk
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