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Bioplastik aus Reststoffen

Granulat in Nahaufnahme
Biobasiertes Granulat für Kunststoffherstellung. | Bild: BR

Seit über 20 Jahren suchen Forscher nach Alternativen zu herkömmlichem Plastik,  Stichwort: Biokunststoffe. Doch dieser Begriff ist irreführend, weil er nicht genau definiert ist. So gilt auch ein biologisch abbaubarer Kunststoff aus Erdölpolymeren als "Bioplastik", ebenso wie ein biobasierter Kunststoff, der aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt wurde und nicht biologisch abbaubar ist. Letzteres gilt übrigens für viele biobasierte Kunststoffe. Zudem gibt es keine verbindliche Angabe, wie hoch der biobasierte Anteil aus nachwachsenden Rohstoffen sein muss, damit er als Biokunststoff beworben werden darf.  

Kompostierbar ist nicht gleich kompostierbar

Logo mit der Aufschrift "Industriell kompostierbar".
"Industriell kompostierbar" – der Bio-Kunststoff braucht hohe Temperaturen, um sich zu zersetzen. | Bild: BR

Auch wenn viele biobasierte Kunststoffe als biologisch abbaubar gelten: Wer genauer hinsieht, erkennt kleingedruckt ein Logo, das "industriell kompostierbar" bedeutet. Der Bio-Kunststoff braucht dann hohe Temperaturen, um sich zu zersetzen. Da viele kommunale Entsorger mit Kompostieranlagen arbeiten, die mit niedrigeren Temperaturen laufen, verrottet das Bioplastik nicht und muss mühsam aussortiert werden. Wer also Biokunststoff in die Biotonne werfen will, müsste sich erst bei seinem Entsorger erkundigen, ob der eine industrielle Kompostieranlage hat – aber den Aufwand wird kaum ein Verbraucher betreiben wollen.

Zudem zersetzt sich industriell kompostierbares Plastik hauptsächlich in CO2 und Wasser, Humus wird dabei nicht gebildet. Ein weiteres Problem: Selbst wenn sich der Kunststoff schnell genug zersetzt, können die Sortieranlagen ihn nicht von herkömmlichem Plastik unterscheiden und sortieren ihn einfach aus. Also: Keine Kunststofftüten in den Biomüll, egal aus welcher Art von Kunststoff, werfen.

Nahrungspflanzen oder Reststoffe

Biobasierte Kunststoffe werden meist aus Zellulose, Stärke oder Zucker hergestellt. Zellulose stammt in der Regel aus Abfällen der Holz- und Baumwollproduktion. Stärke und Zucker aber werden meist aus Nahrungspflanzen gewonnen – aus Mais, Kartoffeln oder Zuckerrohr. Damit steht die Herstellung derartiger stärkebasierten Biokunststoffe in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion.

Unterm Strich entsteht bei der Herstellung von Biokunststoffen zwar weniger CO2 als bei herkömmlichem, erdölbasiertem Kunststoff. Da Felder aber gedüngt und mit großen Maschinen bearbeitet werden, wird auch hier Erdöl oder Erdgas verbraucht. Eine Studie des Umweltbundesamtes kommt zu dem Schluss: Die Ökobilanz eines biobasierten Kunststoffs, der aus eigens dafür angebauten Nahrungspflanzen hergestellt wird, unterscheidet sich nicht wesentlich von der eines erdölbasierten. Für die Entwicklung von wirklich umweltschonenden, biobasierten Kunststoffen sind deshalb Reststoffe besonders interessant, denn die können ebenfalls geeignete Lieferanten für Stärke und Zucker sein.

Biobasierte Kunststoffe aus Nussschalen oder Haferspelzen

Sockenhänger aus Reststoffen
Kompostierbare Sockenhänger aus Reststoffen | Bild: BR

Beat Karrer, Industriedesigner aus Zürich, verfolgt diesen Ansatz besonders konsequent. Vor acht Jahren begann er gemeinsam mit einem Expertenteam aus Haferspelzen, Maisspindeln oder Nussschalen biobasierte Kunststoffe zu entwickeln, die zu 100 Prozent aus pflanzlichen Reststoffen bestehen. Sein Anliegen: einen nachhaltigen Kunststoff für kurzlebige Produkte herzustellen, der innerhalb kurzer Zeit verrottet und deshalb auch auf den heimischen Kompost darf. Oder der in der thermischen Verwertung mit einem geringeren CO2-Fußabdruck zur Energieerzeugung genutzt werden kann. Das ist bereits gelungen: Biologisch abbaubare Sockenhänger oder Clips für Elektrowerkzeuge werden bereits in Millionenstückzahl produziert. Die Ökobilanz dieser Produkte ist überzeugend, bei der Herstellung werden bis zu 80 Prozent CO2 eingespart.

Biokunststoff – viel ist noch nicht auf dem Markt

Weltweit gesehen liegt der Anteil Biokunststoffe bei etwa ein Prozent. Eine Studie des Instituts für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe (IfBB) der Hochschule Hannover besagt, dass auch in absehbarer Zeit Bioplastik nicht mehr als zwei bis drei Prozent des weltweiten Kunststoffs ausmachen wird.

Ein Grund sind die etablierten Herstellungsverfahren. Erst wenn die Industrie bereit ist, umzusteigen, kann biobasierter Kunststoffe in großem Maßstab produziert werden. Dazu kommt der niedrige Ölpreis, weshalb Verpackungen aus Erdölpolymeren unschlagbar günstig sind. Da können Biokunststoffe preislich erst einmal nicht mithalten. Rechnet man allerdings die komplette Ökobilanz mit ein, dann wird Biokunststoff durchaus konkurrenzfähig.

PEF statt PET

Flasche mit der Aufschrift PEF
PEF – die "grüne" Variante des PET. | Bild: BR

Ein biobasierter Kunststoff hat trotzdem gute Chancen, sich durchzusetzen. PEF – die "grüne" Variante des PET, aus dem Getränkeflaschen und Kunstfasern hergestellt werden. Während PET aus Erdöl besteht, wird für PEF Zucker verarbeitet. Momentan stammt dieser Zucker noch aus Zuckerrohr. Aber die Universität Hohenheim hat gezeigt, dass auch pflanzliche Reststoffe dafür genutzt werden können, wie der Mehrfachzucker Inulin aus der Chicorée-Wurzel.

PEF ist vielversprechend, weil es über bessere Eigenschaften als PET verfügt. So ist PEF zum Beispiel gasdichter, das heißt, der Biokunststoff lässt weniger Sauerstoff in die Flasche ein- und weniger Kohlensäure aus der Flasche austreten. Kompostierbar ist dieser Biokunststoff nicht, dafür aber – und das ist ein wichtiger Aspekt auch bei biobasierten Kunststoffen – vollständig recycelbar.

Autorin: Christiane Streckfuß (BR)

Tipp:
Wer in der heimischen Küche seinen eigenen, kompostierbaren Biokunststoff kochen möchte, kann sich Tipps und Anregungen bei dem Wettbewerb "Mein(e) Plastik ist bio" holen. Die Grundbestandteile sind Speisestärke, Wasser, Essigessenz und Glycerin.
Eine Anleitung zur Herstellung eines Biokunststoffs finden Sie hier.

Stand: 25.02.2021 14:56 Uhr

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