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Auf der Suche nach dem Schlaf

Zwanzig Prozent der Deutschen leiden an Schlafstörungen. Sie schlafen schlecht ein und liegen nachts stundenlang wach, während schlechte Gedanken in ihrem Kopf kreisen. Hilfe bietet ein spezielles Schlaftraining. Dessen Clou: Die Teilnehmer schlafen erstmal noch weniger, um richtig müde zu werden.

Zehn Jahre lang war jede Nacht für Stefan Böhning eine Qual. Der Versicherungsmanager wälzte sich schlaflos im Bett. Und das, obwohl ihn eigentlich keine Sorgen drückten. „Ich bin ein Mensch, der über Gott und die Welt nachdenkt. Und so war es auch nachts: Ich habe über die Familie nachgedacht, meine Eltern, den Beruf und über Dinge, dich ich am nächsten Tag erledigen wollte.“ Diese Gedanken hielten den Versicherungsmanager wach.

Angst vor der nächsten Nacht

Wie Stefan Böhning ergeht es 20 bis 30 Prozent der Menschen in Deutschland. Sie schlafen schlecht ein, oder wachen nachts auf. Und das, obwohl ihnen körperlich nichts fehlt. Vielmehr sind es die Sorgen und Gedanken, die sie am Schlafen hindern. Und ein falsches Verhalten, eine Art Teufelskreis in den sie geraten: Tagsüber holen sie den versäumten Schlaf der Nacht nach – als Nickerchen am Nachmittag. Sie leben wie auf Sparflamme.

Die Folge ist, dass sie nachts wiederum nicht müde genug sind, um einzuschlafen. Es erwartet sie wieder eine Nacht mit vielen schlaflosen Stunden im Bett. "Primäre Insomnie" nennen Schlafforscher eine solche Ein- oder Durchschlafstörung. "Man bekommt dann Angst vor der nächsten Nacht, und vor der übernächsten und so weiter", so Stefan Böhning, "ich habe keine Erholung im Schlaf gefunden – und das wollte ich ändern."

Das Kölner Schlaftraining

Der Versicherungsmanager wandte sich an die Schlafambulanz des Psychologischen Instituts in Köln. Und fand Hilfe bei einem Programm, dass die Psychologen "Kölner Schlaftraining" nennen. Entwickelt wurde es speziell für Menschen, die wie Stefan Böhning damals unter einer primären Insomnie leiden. Als Behandlung, die ohne den Einsatz von Medikamenten auskommt. "Schlafmedikamente sind nichts als Krücken. Sie behandeln die Symptome", so die Kölner Psychologin Anna-Katharina Kreyer, "das Schlaftraining setzt bei den eigentlichen Ursachen der Schlafstörung an."

Das zentrale Element des Schlaftrainings ist die so genannte Schlafrestriktion. Die Psychologen legen mit den Teilnehmern feste Zeiten fest, zu denen sie ins Bett gehen dürfen und aufstehen müssen. Dieses Zeitfenster kann bei einigen Patienten sehr kurz sein, so auch bei Stefan Böhning: Der Familienvater durfte nicht vor 0:30 Uhr schlafen gehen, sein Wecker klingelte gnadenlos um 6 Uhr. Liegenbleiben und Nickerchen am Tag waren verboten. "Das ist eigentlich ein Paradox", so Anna-Katharina Kreyer, "die Menschen wollen mehr schlafen. Und wir verordnen ihnen erst einmal weniger Schlaf."

Doch das Ziel dieser Schlafrestriktion ist, die Teilnehmer des Trainings richtig müde zu machen, den Schlafdruck zu erhöhen. Anna-Katharina Kreyer: "Aus der Schlafforschung wissen wir, dass zwei Faktoren einen gesunden Schlaf beeinflussen: Der Schlafdruck und die Regelmäßigkeit."

Mit Disziplin zum Erfolg

Deshalb musste Stefan Böhning auch immer zur gleichen Zeit aus den Federn, immer um sechs Uhr morgens, ob werktags oder am Wochenende. Erste Erfolge stellten sich schnell ein. "Ich war unendlich müde, aber wenn man dann endlich ins Bett durfte, dann fühlte man sich wie im Paradies." Böhning schlief meist direkt ein. Aber das Schwierigste am Schlaftaining ist das Durchhalten. Mehrere Wochen mit maximal fünfeinhalb Stunden Schlaf pro Nacht fordern von den Teilnehmern hohe Disziplin. Und Strategien, sich auch dann noch wach zu halten, wenn der Körper längst nach dem Bett ruft. So bekämpfte Böhning das Schlafgefühl mit leichten körperlichen Arbeiten und fand sich nachts um halb zwölf in der Garage wieder - beim Wechseln der Autoreifen.

Die Gruppe gibt Kraft

Wichtig waren aber auch die Gruppensitzungen mit den anderen Teilnehmern des Schlaftrainings. "Dort merkte man, dass die anderen mit den gleichen Problemen zu kämpfen hatten, das hilft", erinnert sich Stefan Böhning. Außerdem lernen die Patienten in den Gruppensitzungen, mit ihrer Schlafstörung umzugehen. Psychologische Tricks, mit denen sich schlechte Gedanken vertreiben lassen, und Entspannungstechniken, die beim Einschlafen helfen. "Das Schlaftraining ist eine enorme Belastung", erklärt Anna-Katharina Kreyer, "deshalb wählen wir die Teilnehmer gezielt aus. Und bereiten sie in einem Gespräch auf das vor, was sie erwartet." Einige Wochen mit wenig Schlaf und hoher Müdigkeit, in denen sie aber wie immer zur Arbeit gehen und ihr Leben meistern müssen.

Doch der Erfolg gibt den Kölner Psychologen recht: "Über 80 Prozent der Teilnehmer haben nach dem Schlaftraining wieder einen erholsamen Schlaf, einen gesunden Schlaf-Wach-Rhyrhmus und fühlen sich vor allem ihren Schlafproblemen nicht mehr hilflos ausgeliefert." Weil sie ein Mittel in die Hand bekommen haben, ihren Schlaf selbst zu beeinflussen. So auch Stefan Böhning. Über ein Jahr schon liegt das Schlaftraining zurück, Einschlafprobleme kennt er seitdem nicht mehr.

Autoren: Frank Nischk/Michael Karhausen

Stand: 11.05.2012 13:03 Uhr

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